Epidemische Lage

Ich finde es wichtig die individuellen und die kollektiven Betrachtungswinkel der epidemischen Lage sauber getrennt zu diskutieren.
Der einzelne hat in unserer Gesellschaft das Recht wieder alle wissenschaftliche Evidenz seine Gesundheit zu schädigen oder sich gar umzubringen.
Wie bei der Klimakriese ist es aber auch bei der Covidkriese zweifelhaft, primär die einzelnen Menschen in den Fokus zu nehmen statt die versagenden Institutionen.

Dafür lohnt ein vergleichender Blick in Regionen und Länder.
In Bremen gab es z.B. sehr kleinteilig aufsuchende Impfungen. In der Folge gibt es eine extrem gute Quote. Warum in anderen Ländern nicht?
In Ländern mit intensiver primärärztlicher Versorgung (Portugal) gibt es gute Impfquoten.
Auf Grund des Lobbyismus der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) haben viele Bundesländer früh und in großem Umfang auf die niedergelassenen Ärzte gesetzt.
Eine Pflicht der KV Impfungen flächendeckend anzubieten gab es aber nicht. Es haben sich 95% aller Hausärzte aber nur etwa 30% aller Ärzte (also fast keine nicht-Hausärzte) am Impfen beteiligt. In vielen Hausarztpraxen konnte man die Impfung aber nur bekommen, wenn man schon Bestandspatient war. Eine Pflicht zur Annahme neuer Patienten gab es nicht. Viele insbesondere Frauen haben aber nur Frauenärzte, die nur zu 57% mitgemacht haben.
Gleichzeitig haben die Standesvertretungen z.B. die Ärztekammern der Ärzte mit Macht verhindert, dass z.B Hauskrankenpflege, Apotheker und sonstige qualifizierte Berufe mitimpfen. So wäre man vielleicht in jeden Winkel gekommen.

Neben der Notwendigkeit, möglichst jeden der wollen könnte von der Impfung zu überzeugen und zu erreichen bleibt am Ende die Frage, wie wir mit denen umgehen, die sich dauerhaft verweigern und welche Folgen deren Haltung hat.
Fakt ist, alle Ungeimpften werden erkranken. Ein gewisser Prozentsatz davon wird sterben oder chonische Folgen erleiden. Das läßt sich allenfalls über die Zeit strecken aber nicht vermeiden. Alleine die Tatsache, dass man dass als Gesellschaft nicht mit ansehen kann, rechtfertigt keine harten Maßnahmen.

Und noch eine kurze Anmerkung zu den Freihalteprämien für Kliniken, deren Abbau im Podkast kritisiert wurde. Von diesen haben am stärksten die Kliniken profitiert, die kaum oder keine Covidpatienten behandelt haben und deren Betten leer standen, weil die Menschen Kliniken gemieden haben. Viele dieser „ausgefallenen“ Behandlungen waren Kurzzeitfälle, von denen ernsthaft bestritten werden kann, ob sie überhaupt stationärer Behandlung bedürfen. Das stellt nicht in Abrede, dass es auch wenige notwendige Behandlungen gab, die nicht erfolgten. Meist aber weil die Menschen Furcht hatten und nicht weil es wirklich an Kapazität gemangelt hätte.