Enttäuschung Triell V02

Dass so Kanzlerkanditaten Duelle / Trielle jetzt nicht unbedingt das Format sind, wo man raus finden kann, was man wählen soll, ist ja klar. Das letzte Woche auf RTL fand ich dafür aber eigentlich gar nicht so schlecht. Überraschend gut für RTL, um ehrlich zu sein.

Umso enttäuschter bin ich jetzt nach der Performance von ZDF und ARD. Ich weiß überhaupt nicht wo ich anfangen soll…

Als erstes vielleicht zunächst die Frage: Hatte noch wer das Gefühl, dass da etwas mit der Sprechzeitstatistik überhaupt nicht gepasst hat? Wir alle, die wir es geschaut hatten, sind aus allen Wolken gefallen, als es nach dem ersten Block (in welchen sich Scholz und Laschet, wegen der ganzen Razzia Sache dauernd angegangen sind) einfach Baerbock angeblich am meisten geredet haben soll.

Dann diese vollkommende Abwesenheit der Struktur bei den Themen. Die Fragen hatten überhaupt keinen roten Faden bzw. war es auch sehr schwer zu erkennen, wann ein Themenblock beginnt und der nächste anfängt. Generell wurde ich von den Moderatoren unangenehm an ein Schulreferat erinnert, dass sich die betreffenden Personen am Vorabend in einer halben Stunde zusammengeschustert haben und sich nun dauert unterbrechen, weil sie nicht mehr wissen, wer jetzt was machen sollte.

Bei RTL hatten die richtig Struktur und da wusste immer der eine Moderator, wenn der andere gerade übernehmen will.

Auch die Kandidaten fand ich wirklich schrecklich. Die beiden großen Jungs haben sich die ganze Zeit darum gestritten, wer was in letzter Zeit falsch gemacht hat. Frau Baerbock hat immerhin versucht zukunftsgerichtet Lösungsvorschläge zu unterbreiten, hat sich aber immer brav nur zu Wort gemeldet, wenn sie mal aufgerufen wurde. Mit ihr geredet hat eigentlich keiner.

Und wer bei ARD ist eigentlich auf die Idee gekommen, dass es eine gute Idee wäre in der Talkshow danach einfach nochmal Leute aus denselben Parteien nur halt diesmal aus der zweiten Reihe einzuladen, die dann einfach nochmal dieselbe Show abziehen. Die braucht da echt keiner mehr. Wo sind da, die Politikexperten, die Meinungsforscher, die Wissenschaftler, die Fakten Checker. Herr Gott, die haben es nicht einmal geschafft die Ergebnisse der „Blitzumfrage“ neutral zu analysieren.

Und vielleicht habe ich ja irgendetwas nicht mitbekommen, aber wieso waren da scheinbar alle der Meinung, dass die Grünen wirklich überhaupt keine Chance mehr darauf haben, den Kanzlerkanditaten zu stellen. Sicher, sie liegen derzeit auf Platz drei, aber doch recht knapp hinter der CDU/CSU und den Laschet schreibt ja auch keiner ab. Genau genommen, finde ich es sogar ein echtes no-go, in einer solchen Runde, solche Aussagen einfach durchgehen zu lassen. Jetzt nehmen morgen alle, die das geschaut haben, mit, „Ach ja, Grün brauch ich ja gar nicht wählen, die werden ja eh nicht den Kanzler stellen“. Aber auch dieses andauernde hin und her zwischen der CDU und der SPD. „Ihr habt jenes gemacht oder nicht gemacht… ne, haben wir gar nicht, das wart doch ihr…“.

Und dann natürlich noch, dass da zum Teil, wenn schon nicht gelogen dann aber zumindest die Wahrheit arg strapaziert wird, was nicht oder nur kaum richtig gestellt wird. Und das schaun sich das was weiß ich wie viele Millionen an. Und den „Faktencheck“ hinter irgendeinem Link schaut sich doch keiner danach an. Wieso schafft man sowas nicht, wenn schon nicht live, wenigstens in der Nachbesprechung einfließen zu lassen?

Also ihr seht, viele Fragen und große Enttäuschung auf meiner Seite… Ich hatte von den öffentlich/rechtlichen insgesamt echt mehr Professionalität erwartet. Ich freue mich auf eure Kommentare :wink:

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Sehr schöne Bewertung, danke für die Arbeit. Ich hätte mir besonders nach dem Theater um die Gebühren ein qualitatives Statement der öffentlich-rechtlichen gewünscht.

Und sie haben auch noch die Redezeit falsch berechnet:

Bedauerlicher Softwarefehler, da kann man nichts machen

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Du hast es gut zusammengefasst. Und auch bei RTL genügte es nicht meinen Ansprüchen.

Wo sind die Faktenchecker? Gerne Live-Faktenchecker! Wir leben im Jahre 2021. Das muss doch möglich sein! Lügen müssen direkt aufgedeckt werden. Eine spätere Korrektur benötigt ungleich mehr Aufwand. Gerne am Ende eine Korrekturrunde, der sich die Kandidaten stellen müssen. Das wäre auch ein Anreiz nicht zu lügen, sodass diese Runde nicht peinlich wird.

Vielleicht auch nicht immer das gesamte Parteiprogramm abfragen, aber vielleicht mal weniger Themen behandeln, aber dafür mehr Tiefe. Man kommt ja gar nicht zu echten Unterschieden.

Wo waren ein differenziertes Nachhaken bei vorbereiteten Themen und auf Basis von vorigen Aussagen und den Parteiprogrammen? Wo haben die Moderatoren echte Verbindlichkeiten eingefordert? Unschärfen konkretisiert? Nachgefragt, wenn etwas undeutlich oder Missverständlich war?

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Kann das mit der Sprechzeit auch nur bestätigen, fand es auch nicht glaubhaft, dass Baerbock im ersten Block angeblich am meisten geredet haben soll…
Auch sonst Zustimmung, die Moderation war super schwach, aus meiner Sicht vor allem von dem männlichen Kollegen

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Ich kann dir wirklich nur zustimmen. Die Moderation war absolut stümperhaft und ich fand auch keinen der Kandidat*innen überzeugend. Es war gut die Cumex Geschäfte anzusprechen, aber wo war der Konter von Baerbock bei dem sie Laschet auf das Mautdebakel anspricht? Stattdessen konnte Laschet minutenlang seine teils fehlerhaften Behauptungen äußern ohne von der Moderation mal unterbrochen zu werden, während ich des Öfteren das Gefühl hatte dass gerade wenn Baerbock auch konkrete Fragen an die Herren hatte, sie einfach von der Moderation abgewürgt wurde und zur nächsten Frage übergegangen wurde. Mich hat das Zuschauen wirklich sauer und fast schon aggressiv gemacht. Und da war die für jeden Betrachter absolut ersichtliche fehlerhafte Zeitmessung nur die Bestätigung dass es sich definitiv nicht gelohnt hat dieses Triell anzuschauen.

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