derzeit wird überall über Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien diskutiert. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach unserer Firma könnte unseren Eigenbedarf an guten Tagen fast komplett abdecken. Leider kommt es aufgrund von der Anlagengröße immer wieder vor, dass die Westnetz als Netzbetreiber die Anlage drosselt. Dabei würde der Strom nicht in das Netz eingespeist, sondern von den Maschinen in unserer Produktionshalle verbraucht werden. Stattdessen müssen wir jedoch teuren Strom aus dem Netz beziehen, weil die Anlage gedrosselt wird. Ich denke, dass hier eine Änderung der Regelung herbeigeführt werden muss, da dieses Vorgehen nicht dem Sinn der Sache entspricht. Dieses Thema scheint kein Einzelfall zu sein, dieser Artikel in der TAZ schreibt von einem Fall in Bayern. Energiewende bizarr in Bayern: Selbstversorgung verboten - taz.de
Das ist auch wieder ein reichlich komplexes Thema.
Für die Drosselung der Einspeisung, wenn das Netz gerade überlastet ist (also zu viel Strom im Netz vorhanden ist) haben die meisten Menschen noch Verständnis. Für eine Drosselung der Selbstnutzung dagegen nicht mehr. Letztlich verfolgt aber beides das gleiche Ziel.
Versetzen wir uns in die Lage der Netzbetreiber: Du hast zu viel Strom in deinem Netz und musst diesen Strom für die Netzstabilität loswerden. Die Frage ist jetzt wirklich, wer in dieser Situation den Nachteil haben soll: Die Großerzeuger, der für die Allgemeinheit Strom erzeugt (denen eine Abnahme, um Investitionsrechnungen einfacher zu machen, möglicherweise garantiert wurde, um Investitionen zu fördern) oder der Kleinerzeuger, der primär für den Eigenbedarf Strom erzeugt.
Ich maße mir da ehrlich gesagt nicht an, das wirklich einschätzen zu können. Ich kann verstehen, dass es sich ungerecht anfühlt, aber die Situation ist wie gesagt zu komplex, um einfach auf so eine Intuition vertrauen zu können.
Idealerweise wäre der Strom zu Zeiten von Netzüberlastungen ohnehin „kostenlos“ (wenn nicht gar ein negativer Strompreis existiert), weil es wie gesagt im Interesse aller ist, dass Strom verbraucht wird, um Schäden durch Überlastung zu verhindern. In diesem Fall wäre es egal, ob die Groß- oder Kleinanlagen abgeschaltet würden (bei negativen Strompreisen wäre die Frage plötzlich, wer abschalten „darf“, nicht „muss“). Leider sind wir da noch nicht. Insofern besteht glaube ich Einigkeit, dass die ganze Stromproblematik weit über das Thema, wer seine Anlagen bei Überlastung abschalten muss, hinaus geht. Dieses konkrete Problem ist ein Symptom eines viel größeren Problems („Deutscher/Europäischer Strommarkt“). Das wiederum hängt mit anderen Problemen zusammen (z.B. der oft kritisierte einheitliche Strompreis, der dazu führt, dass dort, wo viel eingespeist wird (Norddeutschland) und der Strom eigentlich billig sein müsste, der Strom zu teuer ist, und dort, wo wenig eingespeist wird (Süddeutschland) der Strom teurer sein müsste, aber zu billig ist…).
Ich glaube daher, wir werden diese Probleme nur in einem Gesamtkonzept sinnvoll lösen können, es ist einfach ein kleines Zahnrad in einer komplexen Maschine, das man nicht mal eben durch ein anderes Zahnrad austauschen kann, ohne zu riskieren, dass die ganze Maschine kaputt geht…
Hallo @Daniel_K, im ersten Impuls habe ich ähnlich gedacht wie du. Ob jemand abgeschaltet wird oder das Großkraftwerk seine Stromerzeugung reduzieren muss sollte doch keinen Unterschied machen.
Dann aber wurde mir klar, dass das nicht deckungsgleich ist. Während der Großproduzent seine Einspeisung nur drosseln muss, wird dem Kleinen
- die Produktion auf 0 gedrosselt,
- damit der Eigenverbrauch verboten und
- damit der Netzbezug für die Haushaltslast erzwungen.
Das funktioniert aus verschiedenen Gründen so nicht.
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hat der Großproduzent bei Abschaltungen Anspruch auf Vergütung der ausgefallenen Erzeugung. Kleine Anlagen haben das nicht. Stattdessen müssen sie für den Eigenverbrauch erzwungermaßen sogar teureren Strom aus dem Netz beziehen. Sie werden also abgestellt und müssen dafür noch drauf zahlen.
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würde eine Drosselung auf den Eigenverbrauch wie vom TE angeregt, bilanziell das gleiche sein wie wenn der bei sich einfach alle Geräte ausschaltet. Dieses Recht hat jeder Verbraucher jederzeit. Warum also dann nicht den Eigenverbrauch vor Eingriffen schützen? Er stellt schließlich bilanziell nur einen Zustand her, den jeder Netzteilnehmer jederzeit herbeiführen darf.
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In Punkt 1 habe ich geschrieben, dass der abgeregelte Verbraucher im besprochenen Fall Netzstrom beziehen muss. Dem könntest du entgegen halten - und hast es oben schon getan - dass in einem fortschrittlicheren System der Strom aus Netzbezug im Idealfall kostenlos wäre oder Netzbezug sogar Geld einbringen müsste. Das stimmt so nicht. Der Arbeitspreis kann zwar negativ werden, Steuern und Netzentgelte müssen aber trotzdem bezahlt werden.
Ich habe hier Spot-Marktdaten seit 2014 und der Fall, dass der Arbeitspreis niedriger war als das was allein an Netzentgelten verlangt wird, ist fast schon anekdotisch.
Daher muss ich dem Eindruck widersprechen, dass das nur Pech in einem unperfekten System ist. Es handelt sich hier tatsächlich um eine enorme Benachteiligung kleiner bis mittelgroßer Anlagenbetreiber gegenüber Großproduzenten. Es würde mich sehr wundern wenn das juristisch sauber sein soll.
Ich möchte mal versuchen möglichen technisches Hintergründe zu erläutern, die den Netzbetreiber im Fall des TAZ-Artikels dazu gezwungen haben könnten dem Fleischerei betrieb die Eigenversorgung zu unterbinden.
Die Netzbetriebsführung hat die Möglichkeit alle Einspeiseranlagen mit einer Nennleistung von über 100 kW fernzusteuern (siehe Redispatch 2.0). Zudem ist die Netzbetriebsführung angehalten bei einem Netzengpass zuerst konventionelle Anlagen zu drosseln, da gibt es gewichtungsfaktoren für.
Der Betrieb aus dem Taz-Artikel fällt also mit seiner Anlage in die Redispatch 2.0 Regelung. Nun zu meiner Mutmaßung, was im Artikel passiert ist. Die Erdinger- Landwerke sind ein Verteilnetzbetreiber und befindet sich im Süden von Deutschland. Der Süden von Deutschland ist von starker PV-Einspeisung in den unteren Spannungsebene geprägt.
Man stelle sich einmal die Netzstruktur vor, die dort vorherrscht. Der Betrieb ist mit seiner Leistung höchst wahrscheinlich an einem Mittelspannungsstrang angeschlossen. Ganz vereinfacht ist das ein langes Kabel, dass in einer Schaltanlage endet. An diesem Kabel sind weitere Ortnetzstationen angeschlossen, wo auf Niederspannung umgespannt wird um Haushalte zu versorgen.
Die PV-Anlagen der Haushalte sind aber für den Netzbetreiber nicht steuerbar. Der Netzengpass tritt nun am Kabelendstück des Mittelspannungsstrang auf , da die Leistung = Einspeisung-Last,die Nennwerte des Kabels übersteigt. Gibt es sonst keine anderen steuerbaren Einspeiser auf dem Strang, so ist die Netzbetriebsführung gezwungen lokal Last herzustellen, um den Netzengpass zu mindern. Deshalb das Verbot der Selbstversorgung.
Hier hilft es dann auch nicht größere woanders Erzeuger zu drosseln oder anderswo Lasten zu erzwingen, da es ein sehr lokalen Ereignis ist.
Ich möchte das damit nicht rechtfertigen, aber zumindest erklären, warum der Netzbetreiber aus elektrotechnischer Sicht dazu gezwungen sein könnte. Dann müssen wir vorallem über die finanzielle Entschädigung sprechen. Zwar wird der Anlagenbetreiber für seine nichteingespeiste Arbeit entschädigt, aber nicht nochtmal extra dafür, dass er den teueren Netzstrom beziehen muss. Das ist ungerecht.
Ich hoffe das ist einigermaßen verständlich.
Genau. Insofern ist das eigentliche Problem, dass die Anlagenbetreiber
Der Strompreis müsste halt auch auf Basis der lokalen Netzauslastung berechnet werden. Dann würde sich m.E. das Problem der Entschädigung erübrigen.
Dafür bräuchte es aber dann entsprechende Preiszonen (hier dann an sich schon nodale Preise). Dann wäre es möglich, dass im Marktergebnis die physikalischen Constraints berücksichtigt werden. Wir werden es vermutlich nicht mal schaffen die deutsche Preiszone in zwei Gebiete zu teilen. Von daher würde ich an der Stelle eher keine Chance auf lokale Preisanreize geben.
An sich würde es ausreichen, dass die betroffenen Betriebe die Differenz der eigenen Gestehungskosten (das wird ggf. schon problematisch wegen Datenschutz und Betriebsgeheimnissen der Kostendaten) und Kosten des Netzbezugs zu erstatten. Das würde wiederum die Netzentgelte in die Höhe treiben, was aktuell politisch vermutlich nicht unbedingt gewünscht ist (dann lieber den Kollateralschaden bei einigen Unternehmen, da es eben über 100 kW installierter EE-Leistung bedarf).
Ich kenne die Diskussionen in Deutschland dazu nicht im Detail. Aber warum sollte so etwas (nodale Preise) nicht möglich sein?
Auf den ersten Blick könnte so ein System den Strompreis schon positiv beeinflussen und es ist wohl auch in anderen Ländern (z.B. Texas, USA) im Einsatz (s.u.).
Und die Problematik wird ja durch mehr erneuerbare und mehr E-Autos und Wärmepumpen am Netz nicht einfacher.
Langfristig würde sich das Problem wohl abschwächen. Kurzfristig würden lokale Preiszonen wenig bringen. Aktuell sind die meisten Haushalte nicht mit Zählern ausgestattet, die dynamische Preise erlauben und abrechnen können. Und leider gibt es im normalen Haushalt nur wenige Geräte deren Betrieb sich gut automatisiert managen lassen würde. Klar kann ich die eventuell Waschmaschine, Geschirrspüler etc. händisch oder mit Timern zur gewünschten Zeit starten. Aber aus reiner Bedienersicht müsste dass automatisiert gesteuert von einem Energiemanager gehen.
Bei Industrieanlagen stelle ich mir das großteils noch schwieriger vor, denn die müssen ja produzieren wenn es die Auftragslage und das Personal hergibt und nicht wenn die Sonne scheint. Wir benötigen Speicher und Großabnehmer die zeitlich unkritisch gesteuert werden können. Hier denke ich an Elektroliseure die dann den begehrten grünen Wasserstoff produzieren können. Klar rechnet sich der Anlageninvest schlecht wenn die Anlage nur mit Überschussstrom betrieben werden soll. Jedoch werden wir nicht umherkommen auch Anlagen zu bauen die als Einzelobjekte nicht vom BWLler optimiert werden können.
Nicht möglich, weil politisch nicht durchsetzbar. Wie gesagt, in Deutschland ist der Widerstand gegen einen Split in zwei bis vier Zonen schon so stark, dass es nodale Preise einfach nicht als eine realistische kommende Sache sehe. Von daher ist das eher eine schöne theoretische Option aber für die Praxis vermutlich nichts relevantes.
Naja, selbst wenn niemand auf diese Preiszonen reagiert, würde ja zumindest das o.g. Problem entfallen, dass der Anlagenbetreiber teuren Strom beziehen muss während seine PV Anlage steht. Denn der Strompreis wäre dann ja 0.
Hier würde ich dir Recht geben, dass sich erstmal was im Hardware Bestand der Haushalte ändern müsste. Aber man stelle sich mal perspektivisch einen Haushalt mit Wärmepunpe inkl. thermischem Speicher, E-Auto, Waschmaschine, Spülmaschine vor. Prinzipiell muss der Verbraucher nur vorgeben: mein E-Auto soll bis Uhrzeit X geladen sein, die Spülmaschine und Waschmaschine sollen bis Uhrzeit Y fertig sein und die Wohnung soll bei 19-20°C gehalten werden. Das gibt doch jede Menge Spielraum zur Entlastung des Verteilernetzes im Vergleich zu heute.
Prinzipiell ein guter Ansatz. Die Frage ist, wie groß die Anlagen sein müssen um wirtschaftlich zu sein - also ob man da an jeden Knotenpunkt eine stellen könnte - da bin ich überfragt.
Ansonsten fahren z.B. viele Prüfstände aktuell Nachts, weil da der Strom am billigsten ist. Es gibt also durchaus auch bei Großabnehmern einige Flexibilität. Am Ende soll aber ja genau der Markt regeln, ob es günstiger ist, seine Produktion dem Strompreis anzupassen und damit Energiekosten zu sparen, oder konstant durch zu produzieren und damit Personal- und Infrastruktur Kosten zu sparen.
Nur bedingt, weil neben dem reinen Strompreis auch noch Steuern, Abgaben und Umlagen anfallen. Ein Preis von Null ist damit unwahrscheinlich (nur bei entsprechend negativen Strompreisen möglich). Es wäre somit auch bei einem Strompreis von Null so, dass ein Betrieb draufzahlt. Das könnte durch variable Netzentgelte noch etwas reduziert werden, da diese z.B. so ausgestaltet sein können, dass Mittags wenn normalerweise viel PV-Strom im jeweiligen Netz ist auch das Netzentgelt geringer ist. Aber es stellt einen von der Abregelung des Eigenstroms betroffenen Betrieb vermutlich schlechter, als ohne die Abregelung (die, wie @Davidus ausgeführt hat, ja einen physikalischen Grund hat).
Naja, selbst wenn niemand auf diese Preiszonen reagiert, würde ja zumindest das o.g. Problem entfallen, dass der Anlagenbetreiber teuren Strom beziehen muss während seine PV Anlage steht. Denn der Strompreis wäre dann ja 0.
Glaube hier werden (Netzentgelt)Preiszonen mit flexiblen Strompreisen zusammengewürfelt. Das sind aber andere Dinge.
Der Roleout der smart Meter hat leider mal wieder zu lange gedauert, Dänemark ist hier viel weiter z.B.
Und es gibt jetzt hier auch schon erste Anbieter, die positive Anreize setzen werden.
Was die Verbraucher anbelangt, ja die Hardware muss es erstmal geben. Aber man kann z.b. im Homeoffice durchaus anhand der Preise Maschinen Einschalten. Gibt hierzu auch eine App, die einem immer anzeigt, wenn gerade viel erneuerbare im Netz bzw Preise niedrig sind. „Energycharts“
Wichtig bei der Regelung ist, wie groß eure Anlage auf dem Dach ist und ob sie als Volleinspeiser oder mit 70% Kappung angemeldet wurde. Gab 2023 eine Änderung wonach die 70% Kappung bei Anlagen bis 25kwp wieder abgeschafft wurde. Hier kann die Abregelung rückwirkend wieder geändert werden.
Auch stufenweise Abregelungen sind möglich, statt Komplettabschaltung.
Grundsätzlich muss der Netzbetreiber aber das Netz so weit ertüchtigen, dass es nicht mehr zu abschaltungen kommt.
Rein technisch ist das Problem, dass bei Abschaltung nicht am Einspeisepunkt sondern am Wechselrichter gemessen wird. Der Eigenverbrauch wird von der eigentlichen Leistung also nicht abgezogen. Hier sollte das EEG nachgebessert werden.
Die Leistung von 70% einer Anlage wird in der Praxis aber eig nur sehr selten erreicht. 1-2% Ertragsverlust sind wohl typisch. Aber immerhin
Ich denke, das Thema ist relevant, auch zuhause: jeder mit einer PV weiß, dass er im Sommer größtenteils autark ist, also viel elnspeist. Leider machen das parallel alle PV Anlagen, Strom ohne Ende ist im Netz. Der Strompreis fällt teilweise ins negative, insb wenn dabei auch ein Wind weht. Der optionale PV Speicher von 7-10kwh bringt da auch nix. Die sind super schnell voll, und danach geht es ins Netz. An schattigen Tagen genau das Gegenteil, der Speicher wird gar nicht voll.
Ich würde das Thema erweitern um: wie nutzen wir das alles besser aus? Sind Anbieter wie 1komma5 oder so die Lösung, die den hauseigenen Speicher auch mit Strom aus dem Netz laden können, bspw wenn im Winter viel Wind Strom existiert. Wie lösen wir das große erneuerbare Strom Problem der Speicherung? Dann müssten wir auch niemanden mehr abschalten und nicht (so viele) teure konventionelle Kraftwerke vorhalten…
Die ganze WP und BEV Diskussion wären wir auch los, wenn der Strom sehr günstig wäre, dann wäre der Betrieb auch günstiger, bzw so viel günstiger, dass es Verhalten beeinflusst.
Flexible Stromtarife und smarte Regelung. Morgens einspeisen statt den Speicher/BEV voll zu machen. Senkt morgens zudem den Strompreis für alle. Mittags dann die Speicher laden.
Mehr Speicher. Hier sollte der Börsenpreisunterschied ja ein guter Anreiz sein. Große Flächen PV wird immer häufiger nur noch mit Speicher gebaut.
Wasserstoffelektrolyse bei Überschusstrom
Netzausbau
Flexibilisierung der Last, Stichwort Kapazitätsmarkt
Mengen- statt Zeitförderung von Erneuerbaren
Bee
Also Lösungen gibt es genug. Man muss sie nur umsetzen/hochfahren.