Energiesystem der Zukunft

Mir ist bei euren Äußerungen zur Kernkraft und zur Windenergie in den letzten Lage-Folgen aufgefallen, dass viele Formulierungen von euch unsicher vorgetragen werden („ich weiß nicht genau“ … „glaube ich“ …) und die Aussagen sind auch inhaltlich oft schwammig bzw. ungenau, verfehlen den Kern der Sache oder enthalten wertende Adjektive („besser als x“, „nicht so viel wie y“ oder auch „auch für Windkraft wird ebenso wie bei Kernkraft Beton zum Bau verwendet“), ohne dass es mal eine faktische Einordnung gibt. Es gibt z.B. konkrete Zahlen dazu, wie viel CO2 pro produzierter kWh für Kernkraft und Windkraft ungefähr veranschlagt werden können, und viele Dinge mehr…

Deshalb schlage ich vor, dass ihr euch mal mit Faktenwissen aufrüstet und einen Beitrag zum Energiesystem der Zukunft macht. Es gibt eine Reihe von Forschungsinstituten und Think Tanks, die ein klimaneutrales Energiesystem für Deutschland bzw. Europa längst durchgerechnet und bis in kleinste Verästelungen im Computer simuliert haben. Ihr könntet so z.B. auch lernen, dass ein absurd gigantischer Windkraftausbau notwendig wäre, um die zu erwartenden Dunkelflauten aufzufangen, dass das niemals wirtschaftlich darstellbar sein wird, weshalb es mit großer Sicherheit eine andere Lösung geben wird (wahrscheinlich Speicher + Gaskraftwerke mit H2 oder sowas in der Richtung). Also, macht euch da bitte schlau, das ist nämlich auch ein sehr interessantes Thema, bei dem man auch mit vielen Irrtümern aufräumen kann, die so allgemein in der Öffentlichkeit rumerzählt werden.

Empfohlene Ansprechpartner:
Berlin / Deutschland:

  • Aurora Energy Research: Manuel Köhler oder Hanns König
  • Agora Energiewende: Patrick Graichen (der wird ja auch neuer Staatssekretär bei Habeck) oder Barbara Saerbeck oder Mara Marthe Kleiner
  • Fraunhofer ISI: Jakob Wachsmuth und Benjamin Pfluger
  • Speziell das Thema Dunkelflaute wurde kürzlich erst im Rahmen einer größeren Studie untersucht. Sprecht dazu doch einfach mal Frank Kaspar vom DWD oder Johannes Wagner vom EWI Köln an.

International:

Viele Grüße
Tilman

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Hallo @tilmanh,

und willkommen im Forum. An dem Thema, dass du ansprichst, wurde sich bereits umfangreich abgearbeitet, zuletzt vor allem in diesen drei Threads:
LdN 261 - “Atomkraft ist kokolores”
LdN267- Atomkrafts CO2-Bilanz
Beton für Atomkraftwerke

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Hallo @Matder ,
Vielen Dank für den Hinweis! Das war allerdings mehr ein Beispiel, der Kern meines Posts bezieht sich ja darauf, sich mal die derzeit wahrscheinlichsten und am meisten diskutierten Zukunftsszenarien für die deutsche Energieversorgung anzuschauen…
VG
Tilman

Das ist ein sehr interessantes Thema, aber ich fürchte, dass der CO2 Ausstoß von Kraftwerken ohne Verbrennungsprozess der CO2 Ausstoß nicht belastbar prognostiziert werden kann. Ja Zahlen gibt es, aber wie belastbar sind die angesichts der vielen Unbekannten?
Bei Verbrennungskraftwerken ist der CO2-Ausstoß gut bekannt. Man kennt die entstehende Menge an CO2 und die frei werdende Energie. Mit dem Wirkungsgrad kennt man den CO2-Ausstoß pro kWh und der ist so dominant, dass Baukosten usw. nicht ins Gewicht fallen.

Bei den CO2-freien Kraftwerken sieht die Betrachtung ganz anders aus:

  1. Unbekannte Faktoren beim Bau
  • Stückzahl, Stichwort Mengenrabatt und Fixkosten.
  • Planungsgrundlage. Bei etlichen Jahren bis wenigen Jahrzehnten Bauzeit ergeben sich Veränderungen. Vorschriften für die Betriebgenehmigung, Ausgleichsflächen, Änderung der Recyclingquote (muss z. B. das Windrad zu x % aus alten Windrädern bestehen).
  • Öffentliche Akzeptanz. Möchte mal sehen wie jemand den CO2-Ausstoß kalkuliert, der dafür drauf geht hier in Deutschland die Akzeptanz der Öffentlichkeit für ein Kernkraftwerk zu bekommen.
  1. Betrieb
  • Betriebsvorschriften. Ist meist nicht viel, muss aber auf alle Windräder angewedet werden, z. B. Änderung von Lebenszyklen, Wartungsintervalle.
  • Reparaturen
  1. Nachbetriebsphase
  • Abbau und Entsorgung sind auch stark von der Stückzahl abhängig.
  • Recycling: Wie viel des Kraftwerks kann/muss recycelt/entsorgt werden?
  • Welche Vorschriften gelten zum Zeitpunkt der Entsorgung? Im Allgemeinen strengere, als beim Bau. Gerade beim Thema Kunststoff hoffe ich, dass wir da eine Gesetzesänderung bekommen.

Ganz wesentlich für eine realistische Betrachtung ist somit, dass die ganzen kalkulierten CO2-Kosten aus allen drei oben genannten Phasen immer Momentaufnahmen zum Zeitpunkt der Berechnung sind. Dabei müsste man eigentlich die Baukosten von vor X Jahren nehmen, die Betriebskosten aktuell und die Kosten für die Nachbetriebsphase von Y Jahren in der Zukunft. Dazu kommt, dass wir ja gerade unsere Energieerzeugung auf CO2 neutral umstellen. Heißt also, wenn wir das geschafft haben, können wir alles CO2-neutral bauen, abbauen und entsorgen.

Ist es wichtig den genauen CO2-Ausstoß zu kennen? Aus meiner Sicht nicht. Denn bei den Verbrennungskraftwerken ist dieser bekannt und bei (Wind, Solar und Kernkraft) wissen wir, dass wir egal welche Schätzung wir nehmen unter 1% des Ausstoßes von Kohle liegen. Das ist also für aktuelle Verhältnisse alles emissionsfrei und klimatechnisch super. Diskutieren kann man bei Biogas und Wasserkraft, die sind noch deutlich darüber, aber auch noch einen Faktor 10 besser als Kohle.

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Hallo @FlorianR ,
ja da hast du mit allem absolut recht.
Aber wie ich bereits oben erwähnte, ist das meiner Ansicht nach gar nicht der relevanteste Punkt der Energiediskussion. Viel spannender ist doch: Wo wollen wir überhaupt landen? Wie soll das Energiesystem aussehen, dass uns klimaneutral mit Energie für Wohnen, Mobilität, Industrieprozesse usw. versorgen wird?
Das ist doch die spannende Kernfrage! Und darüber, meine ich, könnte man mal ausführlicher und fundierter sprechen.

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Da die hochskalierbaren Energiequellen sich auf Photovoltaik und Windkraft beschränken, sind die Optionen und Pfade sehr beschränkt. Auf der einen Seite soll das Leben in unserer hochtechnisierten und damit energiehungrigen Gesellschaft ungefähr so weitergehen wie bisher, auf der anderen Seite gibt es das technisch und ökonomisch realisierbare Potential an Sonnen- und Windenergie. Dazwischen muss das Energiesystem gebaut werden. Sachzwänge werden das meiste erzwingen, sofern das Ziel der Dekarbonisierung erreicht werden soll.

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Völlig richtig. Mein Beitrag diente lediglich dazu, darauf aufmerksam zu machen, dass es nicht so einfach ist. Kosten und CO2 Ausstoß sind leider nicht so einfach zu vergleichen, da es die Daten dazu nicht gibt und auch bis zu einem gewissen Grad nicht geben kann.