Hallo liebes Lageteam und -community,
Ich bin Mitarbeiter bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung und uns stört gerade eine Sache bei der Energiepreispauschale gewaltig: sie wird wohl bei Millionen überschuldeten Menschen nicht ankommen, obwohl sie einen Beruf ausüben und eigentlich dazu berechtigt wären. Grund dafür ist, dass im Gesetzestext versäumt wurde, sie als unpfändbar zu bezeichnen. Das Finanzministerium stellt zwar in Ihren FAQs zumindest klar, dass sie nicht von einer Lohnpfändung betroffen sein darf. Auf Nachfrage äußert sich das Finanzministerium aber fast widersprüchlich und sagt, dass die Pfändbarkeit allgemein wohl noch nicht geklärt sei. Generell ist auch bei der Lohnpfändung zweifelhaft, ob der Satz auf einer Ministeriumsseite dafür bindend wäre. Außerdem gibt es neben der Lohnpfändung noch die Kontopfändung, zu der es keine Aussagen des Ministeriums gibt.
Was bedeutet das?
Das heißt, dass Schuldnerinnen und Schuldner einen Antrag bei Gericht stellen müssen, um überhaupt eine Chance zu haben, die Pauschale vor der Pfändung zu schützen. Über die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs dieses Antrags herrscht bisher keine einheitliche Meinung unter den Juristen mit denen wir gesprochen haben.
In Deutschland werden etwas mehr als 7 Millionen Konten gepfändet. Selbst wenn die Gerichte durchgängig diese Anträge bewilligen würden, wissen viele nichts über diese Möglichkeit und viele werden sich nicht trauen. Das Geld, das eigentlich als Entlastung für Strom- und Heizkosten gedacht war, geht dann also an Gläubiger und Inkassounternehmen. Im besten Fall können betroffene dann bei Eintreffen der Nebenkostenabrechnung trotzdem Hilfe erhalten, wenn sie rechtzeitig einen entsprechenden Antrag beim Jobcenter oder dem Amt für Grundsicherung stellen (was eventuell so oder so gemacht werden muss. ich bezweifle, dass die max. 300€ reichen um die höheren Kosten zu decken). In jedem Fall werden sich aber die Gläubiger über die Zusatzzahlung freuen, während Gerichte und Schuldnerberatungsstellen zusätzlich belastet werden und der Staat im Zweifel am Ende doppelt zahlt.
Wie es hätte laufen können:
Wenn im Gesetzestext in einem Satz festgehalten worden wäre, dass die Pauschale von der Pfändung befreit ist, wäre der Weg zum Gericht erst gar nicht notwendig. Schuldnerberatungsstellen könnten die Pauschale dann wie andere Sozialleistungen nach §902 ZPO ganz einfach durch eine Bescheinigung freistellen lassen.
Fazit
Es ist schade, dass man mit den Coronahilfen ähnliche Schwierigkeiten hatte und daraus wohl nicht gelernt bzw. überschuldete Menschen hier wieder vergessen hat. Gleichzeitig wäre es eine gute Möglichkeit gewesen, um Gerichte und Schuldnerberatungsstellen, die beide nicht über zu wenig Arbeit klagen, zu entlasten bzw. nicht noch weiter unnötig zu belasten. Zusätzlich hätte man Steuergeld sparen können, was jetzt wohl an die Gläubiger fließen wird.
weitere Quellen zu dem Thema:
Pressemitteilung der BAG Schuldnerberatung
Bei Interesse an dem Thema stünde die BAG-SB auch gerne für Rückfragen zur Verfügung. Das Thema ist uns wichtig und wir freuen uns darüber, wenn es aufgegriffen wird (mit der Hoffnung, dass in zukünftigen Entlastungspaketen auch an die Situation der Überschuldeten mitgedacht wird).
Auch wenn ich privat seit Jahren interessierter Zuhörer bin, ist das mein erster Artikel im Forum. Ich hoffe der Text ist so in Ordnung und vor allem verständlich. Ich bedanke mich fürs Lesen.