Energiekrise facht Inflation im neuen Jahr an

Da gebe ich dir völlig Recht. Man erwirbt schließlich nur ein Grundstück bis zu seinen Grenzen und nicht noch die 5 km drum herum. Da müssen zunächst mal diese unnötigen Abstandsregeln wie in Bayern und BaWü ersatzlos gekippt werden und der Ausbau extrem forciert werden.

Die Politik muss allerdings dafür sorgen, dass nun eben nicht die Preise für private Haushalte ins Unermessliche steigen weil Angela Merkel 16 Jahre eine tatenlose Mahnerin war und sogar noch ehr die Industrie übertrieben entlastet hat. Wenn man dort nicht aufpasst ist der Rückhalt in der Bevölkerung weg ehe es richtig los geht.

Stimmt. Diese Tatsache entbehrt dennoch nicht dem Fakt dass es schon lange notwendig ist seiner Denke ein Update zu verpassen. Sowohl seitens der Politik die Anreize schaffen könnte, aber auch der Bürgerschaft die nicht nur den Kopf in den Sand stecken darf und mit dem Finger auf andere zeigen.

Ich würde gern noch einmal auf die kurzfristigen Probleme zurückkommen- zum Energiesektorumbau in den kommenden Jahren gibt es ja einige Threads hier im Forum.

Was haltet ihr denn von Draghis Aussage man müsse die Energiekosten kurzfristig senken - schlimmstenfalls über einen EU-Hilfsfonds?

In den Konsumentenpreisindex fliessen ja nur die tatsächlich gezahlte Stromkosten ein, da könnte man also durch gezielte Intervention (NorthStream 2 aufmachen, Stromanbietern Gelder zuschieben o.ä.) relativ zügig den Preis dahingehend manipulieren dass die Inflation optisch geringer ausfällt - auch wenn es mit einer Geldmengenausweitung daherkäme.
Man könnte es sogar sozial verpacken und einen Härtefallfonds formulieren. Also z.B. allen Armutsgefährdeten zahlt der Staat die Stromrechnung bis April.

Hast du da Belege für?
Ich kenne nur das Gegenbeispiel, dass die Bundesnetzagentur sogar das Abschalten von Kohlekraftwerken untersagt hat (und Millionenentschädigungen zahlen musste), weil die Kraftwerke systemrelevant sind.
Sprich der Staat hat in Ausschreibungen zur Reduzierung der Kohleverstromung Kraftwerksbetreibern Millionen dafür gezahlt ihre Kraftwerke früher vom Netz zur nehmen - nur um dieselben Kraftwerke dann nicht zurückbauen zu lassen weil man diese noch aus Netzstabilitätsgründen noch braucht - und entsprechend teuer weiterbetreibt. So blöd kann auch nur der Staat sein - und ich bin mir nicht sicher, dass der Staat als Betreiber von Kraftwerken wirklich zu einer Reduzierung von Energiekosten beitragen würde.

Siehe z. B. hier: Green Europe sees a renaissance in coal power generation

Momentan sind Kohlekraftwerke richtige Cash Cows.

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merci - guter link!
Ich würde sogar weitergehend behaupten dass sogar alle konventionellen Kraftwerke Cash Cows sind (also auch Nuklear & Gas). Wenn die relativ günstigen erneuerbaren offline sind hat man als konventioneller Kraftwerksbetreiber eine ziemlich gute Verhandlungsposition. Zu wenig Strom im Netz zu haben ist jedenfalls keine Option.
Zudem sind in Deutschland im Jahre 2020 162.224 Versorgungsunterbrechungen in der Nieder- und Mittelspannung gemeldet worden - was ein neuer trauriger Rekord ist. Nicht falsch verstehen - die Stromzuverlässigkeit in Deutschland ist immer noch gigantisch gut und weltweit führend. Aber wenn der Strom nicht nur teuer sondern auch unzuverlässig wird - dann hat Deutschland ein Problem. Aktuell sehe ich noch kein Gegensteuern gegen den Trend zum unzuverlässiger werden. Traurigerweise wäre ein Konzept die Zuverlässigkeit hoch zu halten die abgeschalteten Kraftwerke nicht zurückzubauen - mit der Idee mache ich mir vermutlich aber keine Freunde.
Aber was sonst tuen- insbesondere kurzfristig? Noch mehr teure Speicher aufbauen? In den nächsten drei Jahren sehe ich sonst neben einer Kostenexplosion auch eine weitere Problematik aufziehen.

In der TAZ stand heute, dass ein guter Teil der gestiegenen Strompreise explizit durch die französischen Atomkraftwerke verursacht wird. Weil nämlich schon seit Wochen wieder 1/3 davon defekt ist. Es ist also durchaus nicht nur das Erdgas von Putin.
Und zu dem Thema Versorgungsunterbrechung gibt es scheinbar unterschiedliche Statistiken.
Laut Yale ist hier der System Average Interruption Duration Index (SAIDI) entscheidend. Da ist nur Lichtenstein besser als DE. Seit 2006 hat sich der Wert für DE halbiert = verbessert.

auch hier kannst du nachlesen, dass die Versorgungsqualität best as ever ist (ist ja dein eigener link)
https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/Versorgungsunterbrechungen/Auswertung_Strom/start.html

kurzfristig stimmt das ja auch - und wird durch die drei in einer Woche abgeschalteten deutschen Meiler noch verschärft. Dieser Thread geht ja auch nicht um die Verteidigung von Nuklearenergie.
Energie wird teuer - und das ist aufgrund der Zweitrundeneffekte keine gute Idee.
Ich wäre dafür die Verteuerung von Energie von „in den nächsten drei Monaten“ zu „von in sechs Monaten bis in 12 Monaten“ zu verschieben.
Das ist aber in den nächsten Tagen zu entscheiden- die französischen AKWs können in den nächsten Wochen nicht helfen.

Zur Stromsicherheit:
Deutschland hat den (nach Lichtenstein) zuverlässigsten Strom. Deshalb ist ja auch die Industrie gerne hier. Wenn aber die Industrie liest, dass es hierzulande unzuverlässiger wird (auch wenn wir den zweitbesten Weltrang behalten) dann schauen wir als Industrie hin. Es hängt zu viel Geld an solchen Indikatoren als dass eine klitzekleine Bewegung (und wir reden von 160.000 zu 162.000 Unterbrechungen über eine etwa 1% Verschlechterung) nicht dennoch eingerechnet wird. Und nächste Woche geht etwa die Hälfte der AKWs Deutschland offline.

Aus Sicht jenseits der Grenze hier mal heruntergebrochen:
Deutschland hat Energie, wenn Russland Gas sendet, wenn Frankreich Atomstrom sendet, wenn Polen Kohlestrom sendet oder wenn die Sonne scheint oder der Wind weht.
Diese Voraussetzungen sind kein Gebiet, in dem energieintensive Unternehmen entstehen - also investieren Unternehmen nur wenn Förderung besteht.

Die Bundesnetzagentur liefert solide Daten. Zuverlässigkeit und Preis sind je nach Unternehmenskonzept unterschiedlich zu bewerten. Wer Zuverlässigkeit braucht ist (noch) mit einem Standort in Deutschland gut beraten. Preislich nicht. Aber wer mit der Zuverlässigkeit eines Stromnetzes jenseits der Grenzen klarkommt - warum nicht die geringeren Stromkosten mitnehmen? So viele Blackouts gibts in der Schweiz auch nicht :wink:

So, endlich reagiert „der Markt“ auf die hohen Energiepreise: Kosovo kündigt rollende Blackouts an. Sprich: für die meisten Einwohner und Unternehmen wird die Stromversorgung für zwei Stunden am Tag unterbrochen werden.

Kennt man sonst eher aus afrikanischen Ländern. Und wirft kein gutes Licht auf die EU, zu deren Hinterhof dieser Kleinstaat zweifellos zu zählen ist.

Hoffentlich ein Anstoß für die EU Kommission schnellstmöglich zu reagieren.
Schade eigentlich - Reagieren klang eher nach Merkel-Ära.
Proaktivität sehe ich kommunikativ nur bei Draghi (und hier im Forum)

und wir gehen in die nächste Runde: Preiskontrollen auf Stromlieferungen in Frankreich: Anstieg der Energiepreise im Jahre 2022 wird auf 4% gedeckelt.
Ironischerweise trifft das ja hauptsächlich das staatseigene EDF und dem Staat werden Steuereinnahmen wegbrechen.
Aber vielleicht rettet Makron damit seine Präsidentschaft.

Wo Preiskontrollen herrschen wird aber die Konkurrenz geringer - es lohnt sich ja einfach nicht in einen Ausbau des Angebots zu investieren. Für das europäische Ausland (wie z.B. Deutschland) bedeutet dies natürlich noch weniger Angebot und somit noch weiter steigende Preise, da aus Frankreich ein noch geringeres Angebot bereitgestellt wird - und wenn überhaupt dann zu noch höheren Preisen.
Die Ironie lässt sich kaum in Worte fassen - aber zur Rettung der Präsidentschaft ist wohl jedes Mittel recht und die Verzweiflung groß. Bonne Chance!

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das Rad dreht sich weiter.
20% Anstieg bei Energie und bislang „nur“ knapp über 7% bei Waren - das wird aber noch nachziehen wenn die Energieintensiven Güter (z.B. Dünger) voll wirksam werden. Es wird weiterhin nichts für günstige Energie getan - die Inflation muss so also doch ausser Kontrolle geraten.

Demnach müsste es ja im Sommer eine Deflation geben, weil wir gar nicht mehr wissen wohin mit dem ganzen Solarstrom.
Dann kaufe ich mir Dünger und Gartenerde eben erst dann. Ich kann mich da durchaus anpassen.

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Das denken sich die Bauern übrigens auch und pflanzen weniger düngerbedürftige Pflanzen wie Sonnenblumen und Soja statt Kornpflanzen wie Weizen oder Raps. Du bezahlst also für deinen privaten Dünger und vielleicht für Sonnenblumenöl im Sommer weniger - aber für quasi alle Lebensmittel und auch für E10 deutlich mehr.
Für französischen Weizen liefert Isaure Perrot folgende Schätzung: Die Produktionskosten würden während der gesamten Kampagne 2022/23 im Vergleich zu 2021/22 um 21 Prozent steigen. Und da der Winterweizen ja schon im Herbst ausgebracht wurde muss dieser nun auch gedüngt werden - ohne Düngung geht der Ertrag bei Weizen und Mais um mehr als die Hälfte zurück.
Für den Sommer können die Bauern ja noch reagieren und etwas anderes anpflanzen - aber das wird nicht dazu führen dass die Konsumentenpreisinflation zurückgeht. Weizen ernährt die Welt - und wenn der weniger angebaut wird, wird das Angebot knapper und für alle teurer.
Das wird noch zu einigen sozialen Verwerfungen führen - denn die Erzeugerpreise müssen irgendwann auch die Konsumentenpreise erreichen. Übrigens gibt es noch gar nicht so viele Betriebe die überhaupt aus Sonnenstrom Dünger produzieren können - das ist relativ exklusiv dem Erdgas vorbehalten. Da bringt dir also auch im Sommer die Abundanz erneuerbaren Energien nichts für nächstes Jahr.
Aber immerhin will Robert Habeck demnächst Frackinggas - Pardon - LNGTerminals in Schleswig Holstein gebaut sehen. Manuela Schwesig 2.0?

Fun Fact noch zu Düngerpreisen: Wegen der Winterolympiade werden in China einige Düngerfabriken angewiesen die Produktion einzustellen damit die Luftqualität verbessert wird.


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Interessante Zuspitzung der Lage auf jeden Fall. Was das für den Rückhalt der Energiewende in der Bevölkerung bedeutet werden wir bald sehen. Man kann nur hoffen, dass die nächsten Monate mild und windreich werden…

Auch wer auf Klimaschutz pfeipft, muss derzeit tief in die Tasche greifen. Der Preis für Steinkohle: https://assets.theedgemarkets.com/pictures/20211013-coal-price-chart.png

Zwei interessante Grafiken:

  1. Wie hoch hätten in der EU die Strom- und Gaspreise für die Endverbraucher relativ zum Niveau 2018/19 sein müssen, wenn der Anstieg der Großhandelsprese 1-zu-1 durchgereicht worden wäre?

Antwort: wesentlich höher

https://pbs.twimg.com/media/FKlDEN9XwAAILts?format=png&name=small

  1. Für Deutschland der Gaspreis für den Endverbraucher nochmal aufgeschlüsselt: https://pbs.twimg.com/media/FKlTBqvWQAA2o38?format=png&name=small

Momentan wird der Enverbraucher noch etwas geschützt durch lang laufende Lieferverträge, die dem Anstieg der Großhandelspreise nicht sofort folgen. Aber dieses Polster wird schnell aufgebraucht sein. Da kommt noch richtiger Preishammer auf uns zu.