Dürfen in Arztpraxen Infos zur Volksabstimmung "Berlin 2030 Klimaneutral" aushängen?

Problem:
Viele Ärzte scheinen einen Aufruf, beim Volksentscheid „Berlin 2030 Klimaneutral“ abzustimmen, als politisch zu empfinden.
Im Wartezimmer, argumentieren sie, darf nichts Politisches aufgehängt werden.
Sie glauben deshalb, ein Plakat oder auch nur eine Gebrauchsanweisung, Briefwahl zu beantragen, nicht aufhängen/auslegen zu dürfen.

Was ist politisch?
Ist ein Aufruf, beim Volksentscheid am 26.03. abzustimmen, „politisch“?
Ist eine Gebrauchsanweisung wie man beim Volksentscheid am 26.03.23 teilnimmt (Kopie eines anonymisierten Wahlscheins, Erklärung „Wie geht Briefwahl“) politisch?

Vermutlich möchten Ärzte einfach nichts in ihrem Wartezimmer hängen haben, mit dem sie sich nicht identifizieren und nichts zu tun haben. Ich wäre impliziert auch davon ausgegangen, dass ein Arzt, der für eine Volksabstimmung wirbt/informiert, diese auch unterstützt. Daher ist das Verweigern meiner Ansicht nach nachvollziehbar.

Blöde Frage: Warum sollten Ärzte dies aufhängen wollen? Es ist eine Arztpraxis und keine Litfaßsäule.

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Ich denke vor allem, es geht um klassische Overcompliance / Vermeidung von Konflikten mit der Ärztekammer. Zuständig sind bei Ärzten grundsätzlich die Ärztekammern, da Ärzte ein klassischer Kammerberuf sind. Daher: Die Berufsgenossen bestimmen, was für Verhalten für einen Arzt zulässig ist. In der Kammerordnung steht zwar nicht explizit das Verbot politischer Werbung, wohl aber, dass der Arzt alles zu unterlassen hat, was das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient beschädigt.

In diesem Kontext gab es 2017 einen Fall, bei dem ein Arzt AfD-Wahlwerbung in seinem Wartezimmer ausgehängt hat und dafür dann von einem Patienten bei der Ärztekammer gemeldet wurde. Auch hier wurde argumentiert, dass diese politische Werbung das Vertrauensverhältnis zwischen „politisch andersdenkenden Patienten“ und dem Arzt gefährden würde. Ob das juristisch bestand hatte oder überhaupt Konsequenzen hatte, konnte ich jetzt nicht finden.

Als Arzt stellt man sich dann schon die Frage: Will man das riskieren? Wenn man vollumfänglich hinter der Sache steht (wie vermutlich besagter AfD-Arzt) mag man es in Kauf nehmen, dafür Patienten zu verlieren, die eine andere Meinung vertreten. Aber wenn man die Sache nur „gut findet“, warum sollte man dann riskieren, einen großen Teil der eigenen Patienten zu vergrätzen? Gerade Wartezimmer von Ärzten werden überproportional von sehr alten Menschen besucht, die überdurchschnittlich häufig eher konservativ sind…

Das ist eben der „easy way out“ aus der Diskussion. Es ist nicht völlig abwegig (siehe AfD-Wahlwerbung, die die Landesärztekammer auf den Plan rief…), dass es problematisch sein könnte, und in dieser Situation ist es einfacher, zu sagen: „Das dürfen wir nicht!“ als zu sagen „Wir sind uns nicht wirklich sicher, ob wir das dürfen, wollen das Risiko aber im Zweifel nicht eingehen“.

Dafür sollte man denke ich Verständnis haben. Also natürlich darf man Ärzte ansprechen und darum bitten, solche Dinge im Wartezimmer aufzuhängen oder auszulegen, aber wenn die Ärzte nicht wollen, sollte man nicht versuchen, sie argumentativ „in die Ecke zu drängen“.