Moin @Daichgraf,
nicht nur LehrerInnen oder ITlerInnen müssen sich an dieser Diskussion beteiligen, sondern auch definitiv auch Juristen. Bevor man auf deine Fragen Antworten geben kann, müsste für die entsprechenden Spezialisten das Feld klar umrandet werden, in dem sich die Lösungsvorschläge abspielen.
Pauschale Forderungen nach schnellem Internet in der Schule, Arbeitsrechner für Lehrer, zentral geführte white List für verwendbare Programme, mehr IT-Kompetenz an den Bildungseinrichtungen, … scheitern leider viel zu schnell, weil alle wissen wie Bildung funktioniert. Dabei denkt jeder in seiner eigenen Bubble, wodurch schöne Individuallösungen in die Welt gelobt und die vermeintlich schlechte Lehrerschaft an den Pranger gestellt wird.
Nach diesem Vorgeplänkel möchte ich einfach mal anfangen ein paar Punkte zu beschreiben (mit Bitte um Ergänzung vom Schwarm):
- klarerer Rechtsrahmen
Betroffen sind sehr schnell die Freiheit der Lehre und Forschung, Schulpflicht, Aufsichtspflicht, natürlich der Datenschutz, aber auch z.B. das Urheberrecht. (Ich bin kein Jurist, daher kann ich hier nur äußere Beobachtungen teilen)
-Freiheit der Lehre und Forschung §5 GG:
D.h. jeder Lehrende hat das Recht die Lehrmethoden und damit u.A. das Unterrichtsmaterial und die Unterrichtsform frei zu wählen. (Einschub für Juristen: „Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“) Auf dieses Gesetz können sich alle Lehrenden beziehen, wenn sie gezwungen werden ausschließlich bestimmte Tools verwenden zu dürfen (Stichwort: whitelist).
-Schulpflicht (Ländersache) §7 Abs. 1 GG:
Hier öffnet sich zum einen das Feld des (Bildungs-)Föderalismus und auch eine Möglichkeit des Staates SchülerInnen zum Lernen zu „zwingen“. Welche Rechte und Einschränkungen hier gelten weiß ich nicht, allerdings muss dieser Punkt immer mitgedacht werden.
-Aufsichtspflicht:
Wer passt eigentlich darauf auf, dass Kinder und Jugendliche nicht sich selbst oder andere gefährden?
In der Schule gibt es hier schon außerhalb der Digitalisierungsfrage Diskussionen. Was passiert, wenn sich ein Kind auf dem Weg zum Klo verletzt? „Welche Versicherung bezahlt?“, „Wurden Pflichten verletzt?“, …
-Datenschutz:
Auch SchülerInnen bzw. Kleinkinder haben Grundrechte. D.h. personenbezogene Daten müssen geschützt werden. Dürfen eigentlich Schülerdaten (Name, Geburtsdatum, Mailadresse, Noten, Krankheiten,…) auf dem eigenen Rechner gespeichert werden? Darf sich darüber per Telefon / Email / WhatsApp / Fax / … ausgetauscht werden (Klassenleitung, Stufenleitung, Schulleitung, …)? Wie weit dürfen Lehrer/Schüler/Eltern dazu gezwungen werden ihre Daten an Lernplattformen, Softwarehersteller, … weiterzugeben?
-Urheberrecht:
Lerninhalte von Fremden (z.B. Texte oder Abbildungen aus dem Internet oder Büchern, …) dürfen in der Lehre unter bestimmten Bedingungen verwendet werden. Selbst der Aufsatz eines Grundschülers oder die Zeichnung eines Kleinkindes fällt unter dieses Recht. Aber eben auch Youtube-Videos, Veröffentlichungen von Zeitungen, …
Wieso betrifft das jetzt das Thema Digitalisierung? Weil jede Nutzung eines Bildes aus einem Buch z.B. in einem öffentlich zugänglichen Dokument eine Urheberrechtsverletzung sein kann.
All das und die Diskussionen mit vielen Lehrenden (Uni, Gymnasium, Grundschule) führt mich zu der Erkenntnis, dass eine große Rechtsunsicherheit schon im normalen Betrieb herrscht. Diese Felder müssen allerdings bei Digitalisierungslösungen mitgedacht werden. Und vor allen Dingen:
Wer entscheidet darüber? Und wer haftet für Verstöße?
- Lösungen für zu Hause, Kitas, Grundschulen, weiterführende Schulen, Berufskollege, Universitäten?
Hier gibt es viele Partikularinteressen. Und ein wirrwar an Entscheidungsstrukturen. Elternräte, Schülerräte, Lehrerräte, StuPa, Fakultätsräte, Kommunalparlamente, Landesparlamente, … (diese Liste ist gefühlt beliebig lang)
Alle wollen und brauchen (?) ein Mitspracherecht für die digitale Lehre in ihrem Teilumfeld. Der Vorteil dieser Struktur ist eine Mitbeteiligung möglichst vieler und damit (im Mittel) guter Teillösungen. Der Nachteil ist, dass vieles unkonkret formuliert wird und viele Dokumente entstehen.
Je mehr Verordnungen entstehen, desto mehr muss der Ausführende (Lehrer, Erzieher, Prof.,…) lesen und wissen. Leider gibt es allerdings wenig Stellen, die ausarbeiten, was gerade für die eigene Schule/Universität gilt. Freie Forschung und Lehre bedeutet leider auch in der Praxis, dass jeder selbst verantwortlich ist.
Mein Eindruck: Alle wollen (/können?) nur den Rahmen setzen, aber keiner stellt sich in die Entscheidungsverantwortung. Klar, dass alle Beteiligten hier überfordert sind.
Ich finde die Idee eines Positionspapiers super, daher beteilige ich mich auch gerne weiter hier (oder an anderer Stelle) mit konkreten Lösungen. Aber bitte seid konkret.