- Die Wahl zur BVV haben die Grünen gewohnen (Quelle habe ich oben verlinkt). Gemäß demokratischen Geflogenheiten in Deutschland hätte daher die grüne Kandidatin am ehesten ein Anrecht auf das Bezirksbürgermeister-Amt.
- Die bisherige Zählgemeinschaft (quasi die Koalition) ist zwischen der Wahl zur BVV (26.09.) und der Bezirksbürgermeisterwahl-Wahl (04.11.) zerbrochen (Quelle: Tagesspiegel) weil die SPD nicht mehr mit den Grünen wollte.
- Dadurch wären Grünen und Linken aber immer noch eine absolute Mehrheit von 1 Stimme geblieben.
- Dazu hat dann aber die Linken gesagt:(Quelle wie bei Punkt 2):
„Wir haben von Anfang an gesagt, dass uns diese denkbar knappste Mehrheit über die gesamte Legislatur nicht ausreicht“, erklärte Linken-Fraktionschef Matthias Zarbock dem Tagesspiegel.
und die Zusammenarbeit mit den Grünen ebenfalls beendet.
- Dann hat sich die Linke mit der SPD zusammengetan, um so zumindest eine einfache Mehrheit für Sören Benn zu organisieren (Linke + SPD > Grüne)
- Grüne, FDP und CDU haben jedoch vor der Wahl am 04.11. erklärt, nicht für Sören Benn stimmen zu wollen. Die Grünen wollten wahrscheinlich nicht, weil sie sich in der Zählgemeinschaft zerstritten haben und bei FDP und CDU ist das aus politischen Gründen naheliegend.
Mit dieser Vorgeschichte sind Linke und SPD in die Wahl am 4.11. gegangen. So weit ich weiß gibt es insgesamt drei Wahlgänge. (Da habe ich keine Quelle also korrigiert mich da gerne, am besten mit Quelle). Bei den ersten beiden Wahlgängen braucht man die absolute Mehrheit (>50%) und beim dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit, wie gesagt ist nur meine Vermutung, da ich keine Quelle habe aber es bei der Wahl des reg. Bürgermeisters so abläuft.
Benn ist also nur mit den Stimmen von Linke und SPD im Rücken in die Wahl gegangen. Besonders vor dem Hintergrund des Zitates von Matthias Zarbock oben aus Punkt 4 kommt man außerdem leicht zu dem Schluß, dass sich Sören Benn hier mit Partei-politischen Gewurschtel als unterlegener Kandidat erneut zum Bezirksbürgermeister machen wollte.
Er selbst sagt, er hat auf geheime Stimmen der anderen Parteien gehofft oder auf deren Enthaltung. Dieses Szenario muss man aber nach den Äußerungen von Grüne, FDP und CDU aus Punkt 6 für unwahrscheinlich halten.
Auf der anderen Seite kann er eben nicht ausschließen, dass die AfD ihn nicht auch mitwählen wird. Und unter diesen Vorzeichen, ist es für die AfD auch logisch ihn zu wählen und passt zu ihrem allgemeinen Vorgehen. Spätestens seit der Causa Kemmerich in Thüringen weiß die AfD, was für ein scharfes Schwert sie hat, wenn sie es so hinbiegen kann, dass sie (zumindest sehr wahrscheinlich) einen demokratischen Kandidaten mitwählt, der ohne Sie so nicht ins Amt gekommen wäre. Man kann heutzutage also nicht mehr unter diesen Vorzeichen in eine geheime Wahl gehen und dann sagen: „Worum sollte mich denn die AfD wählen?“.
Wenn man als Linke Partei seine (absolut berechtigte) fundamentale Ablehnung der AfD demonstrieren will, dann hätte man die Wahl nach diesem ersten Wahlgang schlicht nicht annehmen dürfen. Das wäre glaubhaft gewesen. Sören Benn sagt ja selbst, er hätte z.B. auf Enthaltungen der CDU gehofft. Diese gab es in dem ersten Wahlgang meines Wissens aber nicht. Hätte es Enthaltungen gegeben läge der Fall anders, gab es aber nicht. Und es ist auch nicht sicher, das einzelne Stimmen von FDP und CDU nicht auch zur grünen Kandidatin gegangen währen, falls diese sich zur Wahl gestellt hätte.
Gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Linke nur ganz knapp in den Bundestag gekommen ist, kann ich nicht nachvollziehen warum sie diese Gelegenheit ihr anti-faschistisches Profil zu schärfen nicht war nimmt.
2019 ist in Altenstadt ein NDP Ortsvorsteher mit Stimmen von CDU, FDP und SPD gewählt worden (Quelle). Das hat großes öffentliches Interesse generiert und ist auch von der Linken damals zurecht kritisiert worden (Quelle). Der Ortsvorsteher wurde dann wieder abgewählt (Quelle). Und das Alles, obwohl es sich um eines der kleinsten Ämter handelt, die es in Deutschland gibt.
Meine Ausführungen oben mögen nach Wahl-technischer Haarspalterei klingen, aber beim Umgang mit anti-demokratischen Kräften kann der Teufel nun mal auch im Detail stecken und die AfD muss nun mal auf allen Ebenen politisch bekämpft werden, wie das Beispiel Altenstadt zeigt.
Oder, um im sprachlichen Bild von Kästner zu bleiben: Wenn Sören Benn so wie er am 04.11. gewählt wurde, im Amt bleibt, ist der Schneeball wieder etwas größer geworden.