Die Gründe, warum die AfD gewählt wird: Und bin so schlau als wie zuvor

Danke für die konstruktive Antwort. Ich sehe das in der Tat so, dass vielleicht die Hälfte einfach unrettbar verloren ist, aber für die andere Hälfte gilt halt auch, dass man da von außen wenig ändern wird, sondern die Veränderungsmotivation erstmal bei jedem selbst anfangen müsste. Im Grunde Musterfälle selbstverschuldeter Unmündigkeit. Fand das in der Lage kaum auszuhalten, als es um Statusängste und Hartz 4 ging: Denn grade das Bürgergeld, das die Probleme von Hartz 4 ein Stück weit adressieren sollte, ist unter AfD-Wählern verschrien. Weil man es denen nicht recht machen kann, solange sie eigentlich auch keine echte Lösung für ihr Problem haben wollen, sondern (mMn) nur Leute suchen, auf denen sie so herumtrampeln wollen wie (ihrer meist fehlerhaften Wahrnehmung nach) auf ihnen herumgetrampelt wurde/wird.

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Jein.
Gefragt sind jetzt Konzepte, wie wir das Beste aus der gegenwärtigen Situation machen.
Wenn populistische Parteien versprechen, man könne mit nationalistischer Politik einfach wieder zum früheren Status Quo zurückkehren, ist das ein Problem. Aber das kann nicht bedeuten, dass die nicht-populistischen Parteien die gleichen, unsinnigen Heilsversprechen machen sollten, um mit den Populisten konkurrieren zu können.

Also wenn wir das Volk im Angesicht unschöner Realitäten anlügen müssen, um nicht gegen Populisten zu verlieren, können wir in der Tat einpacken, denn dann hat sich gezeigt, dass Demokratie nicht funktioniert (bzw. nur in wenig konfliktbeladenen Situationen funktioniert („Schönwetterlösung“)). Das wird hoffentlich nicht die Erkenntnis sein, die wir in ein paar Jahrzehnten gewonnen haben werden.

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Ich denke, ein glaubhafter Schritt wäre zu allererst die Einstellung von Klientel- und Netzwerkpolitik (die auf Grund der Geschichte m.M. alle altbundesdeutsch geprägt sind) und die Abkehr von einer Zweiklassengesellschaft (West-Ost). Ich glaube, der Glaube an das demokratische System hat gerade im Osten darunter gelitten. Ich habe nicht das Gefühl, dass Belastungen per se abgelehnt werden. Es kommt immer darauf an, wofür und für wen man Entbehrungen auf sich nimmt.

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Aus ‚Status-Angst‘ rechtsextrem und dazu noch äußerst neoliberal und sozialdarwinistisch zu wählen ist faktisch - wie drücke ich es höflich aus? - widersinnig.

Die Kinder werden sich, so sie denn entsprechend qualifiziert sind, vor Jobangeboten gar nicht retten können - und da sind Digitalisierung und KI schon eingepreist. Die demografische Zeitbombe tickt.

Nur wird es eben so sein, dass die Jobs eben nicht unbedingt im Heimatort zu finden sein werden. Ganze Regionen werden veröden, da es sich vor Ort nicht mehr lohnen wird, Betriebe zu erhalten, da es an Arbeitskräften mangelt.

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„Statusangst und das Gefühl mangelnder Repräsentation“ erscheinen mir nicht plausibel als etwaige Ursachen, da keinerlei Zusammenhang zum Rechtsextremismus besteht.

Das Thema hatten wir hier schon häufig. Um es kurz zu machen: auch in unserer Eltern-/Großelterngeneration konnte sich nicht jeder am Wunschort ein kleines Häuschen finanzieren und die, die es konnten haben oft einen erheblich niedrigeren Standard akzeptiert (auch jenseits der gestiegenen gesetzlichen Vorgaben) und haben oft erhebliche Eigenleistung reingesteckt. Es ist eine Verklärung der Vergangenheit, dass es früher erheblich höhere finanzielle Sicherheit und einen besseren Lebensstandard gab. Was eher stimmt, ist das die Lebensläufe „berechenbarer“ waren, z.B. weil man von Berufseinstieg bis Rente den selben Arbeitgeber hatte.

Das stimmt einfach nicht. Die meisten Menschen in Deutschland pflegen heute einen erheblich besseren Lebensstil und leisten sich erheblich mehr Luxus als noch vor ein paar Jahrzehnten. Für die Mittelschicht ist es zum Beispiel völlig normal, mehrfach im Jahr Urlaub zu machen. Das war selbst für Beamte zu Zeiten meiner Großeltern undenkbar. Das Niveau der medizinischen Versorgung ist um vielfaches besser, etc.

Sorry, aber gibt es in eurer Gegend keinen Fachkräftemangel? Das fände ich erstaunlich. Bei uns gibt es Stellenausschreibungen ohne Ende, insbesondere auch für „handfeste“ Berufe und schon eine relativ umaufwendige Qualifikation in pädagogischen oder verwaltungsorientierten Berufen schafft einem praktisch unendliche Beschäftigungsmöglichkeiten. Und Kinder? Wer es durch ein Studium schafft muss in Deutschland keinerlei Arbeitslosigkeit fürchten:

Die Akademiker-Arbeitslosenquote stieg von 2,2 Prozent im Jahr 2022 auf 2,5 Prozent im Jahr 2023. Vor der Corona-Krise 2019 hatte sie noch bei 2,1 Prozent gelegen. Trotzdem ist die aktuelle relative Arbeitslosigkeit, ausgedrückt durch die Arbeitslosenquote, weiterhin relativ gering. Bis zu einer Arbeitslosenquote von rund 3 Prozent wird üblicherweise von Vollbeschäftigung gesprochen.

Das gleiche für Fachkräfte:

Die noch bestehenden Fachkräftepoten¬ziale werden intensiv genutzt, sodass die Zahl der arbeitslosen Fachkräfte zwischen 2013 und 2022 um 44 Prozent zurückging.

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Ist es denkbar, dass die Wahlergebnisse die Antwort von einem Fünftel der Bevölkerung auf eine inzwischen fast 35-jährige Arroganz des Westens sind? Und ist es denkbar, dass Sie das nicht sehen wollen oder können?

Erstens sind es im Osten gut 30 % und zweitens besteht kein Zusammenhang zwischen dem Wählen rechtsextremer Parteien und gefühlter Missachtung.

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Meiner Ansicht nach etwas das viel zu kurz kam und bei aller Richtigkeit der Analyse in Richtung Statusangst / Repräsentation - der Erfolg der Afd (der durch Krah und Co. ja wesentlich kleiner ausfiel als theoretisch möglich) hat meines Erachtens sehr viel mit Responsivität zu tun.

Wenn jemand seinen Unmut oder seine Nicht-Repräsentation äußert, dann kommt von der Afd erstaunlich schnell eine Antwort. Das im Zusammenhang mit dem „Mein-Nachbar-ist doch-kein-Nazi“ führt dann schon schnell zum Kreuz bei der Afd.

So Sachen wie Stichwort „Afd schwäbische Alb“ lassen sich nämlich nicht mit 35 Jahre abgehängt im Osten erklären!
Da gibt es eine sehr enge Verbindung der Abgeordneten der Afd zum Wahlvolk. Warum diese den anderen Parteien abhanden gekommen ist dafür habe ich auch keine Erklärung.
Meine eigene Beobachtung (in BW, Bayern, Brandenburg) zeigt zumindest das die Afd wirklich auch wegen „gefühlter“ Bürgernähe gewählt wird.Das dann auch durch alle Altersgruppen, vom Kiddie das auf seinen tiktok Kommentar gleich eine Antwort bekommt bis zum Handwerksmeister, der Besuch vom „Afd-Nachbar“ bekommt und seine Probleme erzählen kann.
Im ländlichen Bayern übernehmen das teilweise noch freie Wähler/CSU; als ich in Brandenburg war - komplett Afd - BW am kippen zur Afd.
Ich würde daher die Auswirkungen der Responsivität der Afd nicht unteschätzen. Das erklärt auch mMn warum eben nicht BSW oder xyz gewählt wird.

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Sehhilfe

Danke ebenfalls. Aber was macht Sie so sicher, dass die Wahrnehmung dieser nunmehr selbst Herumtrampelnden, dass auf ihnen ebenfalls “herumgetrampelt” wurde, meist fehlerhaft ist?
Die Verarbeitung der erlebten Kränkungen und Demütigungen ist offensichtlich häufig dysfunktional, aber die Erlebnisse selbst sind oft genug dokumentiert und in ihrer demütigenden Wirkung nachvollziehbar (wie eben auch in LdN 388 berichtet).

Es gibt demokratisch betrachtet keine „Zweiklassengesellschaft (West-Ost)“, jeder Staatsbürger (m/w/d) verfügt über das gleiche aktive und passive Wahlrecht usw. usf.

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Aber das ist für mich völlig unzusammenhängend: Man kann ja (entgegen vieler Datensätze), dass Ostdeutschland über Gebühr diskriminiert würde. Aber welche Lösungserwartung verbindet sich dann mit einer Partei, die genau das noch schlimmer betreiben wird? Woher kommen denn fast alle AfD-Kader? Aus dem Osten? Inwiefern tragen deren Vorschläge auch nur im Ansatz eine Lösung in sich, die eine größere Gleichbehandlung zwischen Ost und West bringen könnte? Die Erklärung für das Wahlverhalten trägt deswegen für mich (in Ost wie West) überhaupt nicht, weil die angeblichen oder tatsächlichen Probleme, die AfD-Wählende vortragen in keinerlei erkennbarem, plausiblen Zusammenhang mit den Politikansätzen einer rechtsextremen Partei stehen.

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Komisch, dass dann die Karte der durchschnittlichen Bruttoeinkommen genau dasselbe Bild zeigt, wie die Karte der Wahlsieger, nämlich alte BRD und alte DDR. Und komisch auch, dass die Industrie mit ihren Firmensitzen nahezu aus in der alten BRD beheimatet ist. Komisch dann auch, dass Führungskräfte im Osten überproportional aus dem Westen kommen und die Eigentümer von Grund und Boden auch. Auch die drohende Altersarmut ist wohl überdurchschnittlich ein Ost- und kein Westproblem. Ist alles nachlesbar. Sogar die Fußball-EM findet gerade vor allem in Westdeutschland statt. Hat das nichts mit erster und zweiter Klasse zu tun? Wenn Sie das alles ignorieren, müssen Sie auch die Wahlentscheidung für eine zur Wahl zugelassene Partei akzeptieren. Sorry, ich bin nicht froh über den Stimmenanteil der AfD, aber mit Besserwisserei lässt sich der weitere Aufschwung dieser Partei wohl nicht verhindern.

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Doch. Das sagt zumindest Klaus Dörre, Soziologe aus Jena.

Sie vergessen, dass 1/3 gar nicht gewählt hat. 30% von 65% sind bei mir jedenfalls knapp 20% aller Wahlberechtigten. Und wo nehmen Sie her, dass Missachtung nicht zu Wut und Protest führt? Das er jetzt rechts ist, liegt wohl auch daran, dass es seit geraumer Zeit keine ernsthafte linke Opposition mehr gibt.

Die Studie war für mich gerade deshalb so erfrischend, weil sie eine Vielzahl von Ursachen für das zugegebenermaßen ernüchternde, aber leider auch nicht unerwartete Wahlergebnis der AfD aufgezeigt hat. Das sollte dann aber auch mal vorbehaltlos diskutiert werden können. Sonst befürchte ich, bekommen wir alle gemeinsam genau die Regierung, die wir dann wohl auch verdient haben.

Dass es Einkommens- und Vermögensunterschiede gibt, bestreitet niemand.

Die wird man aber nicht par ordre du mufti überwinden können. Auch zwischen Regionen der alten Bundesrepublik gibt es solche Unterschiede.

Wer mehr verdienen möchte, kann in entsprechende Regionen ziehen. Dort werden Fachkräfte schon heute händeringend gesucht.

Und es ist ja nicht so, dass es keine Finanzspritzen gegeben hätte. Allein bis 2014 flossen netto ca. zwei Billionen Euro von West nach Ost:

Und was Führungspositionen anbelangt, müsste man, um eine ordentliche Statistik zu haben, erst einmal die Bewerberzahlen eruieren. Wenn dann festgestellt wird, dass bei vergleichbarer Qualifikation ein geringerer Anteil von Ostdeutschen in entsprechende Positionen gelangt, als sich beworben haben, dann liegt zweifelsohne Diskriminierung vor. An irgendwelchen Bevölkerungsanteilen kann man das nicht ermessen.

Übrigens, bloß weil eine Partei nicht verboten ist, ist sie noch lange nicht demokratisch (s. NSDAP, s. NPD/Die Heimat).

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Ist es für Sie vorstellbar, dass die empfundenen Enttäuschungen der vergangenen 35 Jahre über die dafür Verantwortlichen dazu geführt haben? Zuerst die blühenden Landschaften der CDU, die zu Massenarbeitslosigkeit und Diskreditierung der eigenen Biografie für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung geführt haben. Dann die Aufbruchstimmung mit Schröder, die in Hartz 4 und Lohndumping geendet hat. Zur Wende war der Osten politisch schwarz (Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt) oder SPD-rot (der Rest). Und heute ist er blau. Warum wohl? Weil die Demokraten von vor 30 Jahren jetzt alles Faschisten geworden sind? Ich glaube, Sie machen es sich da zu einfach. Und vor allem: Wie wollen Sie die Leute zurückholen, solange das noch möglich ist? Und dass die Entscheidungsträger (auch der AfD) aus dem Westen gekommen, ist hier nichts ungewohntes.

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Bist du da sicher? Strukturelle Benachteiligung entsteht doch schon vorher und hat durchaus weitere Gründe (und nicht nur übergangene Bewerbungen). Zum Beispiel wurden Abschlüsse oft (sicher nicht immer berechtigt) nicht anerkannt. Stellenausschreibungen werden oft schon auf ein bestimmtes Profil hin gestrickt. Etc.

Aber wie soll denn hier eine Lösung aussehen?
Viel Geld für die Ansiedlung von Industrie auszugeben, wird nichts mehr bringen, weil die Industrie ebenfalls Arbeitsmarktanalysen durchführt. Die wird in diesen Regionen negativ ausfallen. Es wird sich also keine Industrie ansiedeln.
Man darf dieses nicht mit Strukturwandelregionen wie dem Ruhrgebiet vergleichen. Dort sind die Fachkräfte vorhanden.
D.h. die Analyse ist richtig. Nun bleibt den demokratischen Parteien im Prinzip nur, diese Wahrheit zu vermitteln. Lügen würde auf lange Sicht fatal sein.
Die einzige Lösung für das Arbeitskräfteproblem wäre, dass massenhaft Einwanderung in diese Städte erzwungen wird. Leider wollen diese Bürger aber das genau nicht, auch wenn es ihnen erklärt wird.

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Ich glaube, die Finanzspritzen waren am Ende ein Konjunkturprogramm für den Westen. Ich kenne keine namhafte Firma aus dem Osten, die Infrastrukturaufträge bekommen hat. Die Auftragnehmer waren wie heute auch Firmen aus dem Westen. Dort landen dann auch die Steuern. Und natürlich kann man für eine Angleichung sorgen, indem z.B. Behörden zumindest in gleicher Weise wie im Westen auch im Osten angesiedelt werden. Das zieht auch Einkommen und Zulieferer dorthin. Und eins noch: Gerade das Abwandern von jungen und intelligenten Menschen auf Grund schlechterer Lebensbedingungen lässt Regionen ausbluten und niedergehen. Die abgehängten Dagebliebenen radikalisieren sich dann wieder. So wird bestimmt alles gut.

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