Lieben Dank an alle,
es tut mir leid, dass ich erst so spät antworte.
Ich hatte die Frage, die mir schon länger auf der Seele brennt, aus einer Laune heraus gepostet, ohne zu bedenken, dass ich danach im Urlaub war.
Ich verstehe, wenn das Gespräch nun abgekühlt ist, freue mich aber über jeden, der nach wie vor teilnimmt.
Zunächst:
Für’s Protokoll: es geht natürlich nicht um mich, ich „frag für einen Freund“, den ich im Folgenden als „ich“ bezeichne.
Zum „privilegiert“ sein.
Hierzu habe ich eine andere Position. Ich glaube nicht, dass die angesprochenen Berufe im Prinzip von jedem ausgeübt werden können. Aus meiner Sicht ist es nämlich gerade nicht selbstverständlich, so aufzuwachsen, dass man sich auf seine eigene Ausbildung konzentrieren kann. Dies ist unumgänglich, um eine Abschluss zu erreichen, der ausreicht, diese Berufe zu ergreifen. Privilegierung bedeutet dabei nicht Reichtum, aber ausreichende Versorgung und vor allem: keine wirklichen Negativerfahrungen, etwa früher Tod naher Angehöriger, heftige Scheidung oder Vernachlässigung in wichtigen Phasen. Ganz zu schweigen von strukturellen Diskriminierungen jeder Art.
Zur persönlichen Eignung bzw. Leidenschaft:
Das sehe ich auch als den entscheidenden Faktor an. Das Problem besteht gerade darin, viele Interessen und (bitte nicht arrogant auffassen) Eignungen mitzubringen.
Besonders dankbar bin ich für die Aussage, dass die Entscheidung nicht endgültig ist. Trotzdem denke ich, dass ab jetzt manche Weichenstellungen zumindest nützlich sein werden. Insofern haben speziell Juristen im Referendariat die Chance und Qual zugleich. Aus meiner Sicht muss man für manche Wege „auf’s ganze gehen.“
Auch bin überzeugt, dass weder Geld noch Erfolg allein mich zufrieden stellen werden. Allerdings muss ich derzeit allein für eine vierköpfige Familie sorgen und will nicht nur finanziell sondern auch persönlich für diese da sein. Es kommt für mich nicht in Frage - auch wenn ich das reizvoll fände - lange Reisen, Aushaltsaufenthalte oder Bereitschaft zu leisten.
Deshalb scheidet für mich derzeit die (an sich priorisierte) Richter- und Journalistentätigkeit aus, da ich hier die „Bewährung“ nicht unter meinen Bedingungen bestehen kann.
Insofern denke ich derzeit über das Modell nach in einer größeren Kanzlei mit einer Teilzeitstelle in einem Bereich tätig zu sein, der auf eine Art positiv wirkt. (Hier könnte ich mit 30 Wochenstunden ausreichend verdienen).
Auf den Punkt gebracht Stelle ich mir dabei Frage: Kann ich (mit dem angesprochenen moralischen „Mindset“) in einer Kanzlei tätig sein, wenn diese in anderen Bereichen aus meiner Sicht völlig unvertretbare Dinge tut - z.B. Cum-Ex (nicht Vertretung von einzelnen Mandaten, sondern strukturelle Förderung), Unterlaufen von Wirtschaftssanktionen, etc.?
Beste Grüße
Leon
PS. Die schönste Stadt der Welt sollte eigentlich als solche bekannt sein. Geheime Hinweise sind in meinem Profil versteckt