Die Causa Bendels

Mich interessiert da eine ganz bestimmte Frage.

Worum gehts? David Bendels ist Herausgeber und Chefredakteur des Deutschland-Kurier, das ist die Onlinepostille der AfD. Auf dem X-Account des Deutschland-Kuriers hat mutmaßlich Bendels persönlich einen Tweet abgesetzt, der ein Bild der Bundesinnenministerin Nancy Faeser enthält. Auf dem Original-Bild hält sie ein weißes Blatt mit der Aufhschrift „WE REMEMBER“ in die Kamera, das ist Teil der „We Remember“ Kampagne verschiedener internationaler Organisationen, an der sich dieses Jahr auch der Bundestag beteiligt.

In Bendels X-Post war das Bild aber verändert: aus „WE REMEMBER“ hatte jemand (wohl Bendels selber) ein „Ich hasse die Meinungsfreiheit!“ gemacht. Dafür wurde er von Nancy Faeser angezeigt, erhielt einen Strafbefehl, gegen den er Widerspruch einlegte, und wurde nun vom Amtsgericht Bamberg zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Das Urteil stößt auf Kritik bis weit ins gemäßigt konservative Lager. Beispielhaft dafür ist der Artikel von Alan Posener in der ZEIT:

Es gibt zwei mögliche Interpretationen von dem, was Bendels da getan hat.

  1. Er habe behauptet: „Nancy Faeser hasst die Meinungsfreiheit“ Das ist ohne Zweifel für eine Politikerin ehrabschneidend, aber es ist auch eine Meinungsäußerung, weil ja niemand in Frau Faesers Kopf hineinschauen kann, und deshalb möglicherweise durch Artikel 5 GG geschützt.
  2. Er habe behauptet: „Nancy Faeser hat ein Foto mit diesem Spruch aufnehmen lassen und veröffentlicht“ Das ist keine Meinungsäußerung, sondern eine Tatsachenbehauptung, und zwar eine eindeutig unwahre, und deshalb auf keinen Fall durch Artikel 5 GG geschützt.

Die AfD freut sich natürlich über das Geschenk, stellt sich auf Standpunkt 1 und schlachtet die Geschichte unter der Parole „Deutschland auf dem Weg in die Meinungsdiktatur“ auf den einschlägigen Kanälen weidlich aus. Aber für das Gericht scheint Punkt 2 entscheidend gewesen zu sein. Der Spiegel schreibt:

Die Fotomontage war nach Auffassung des Gerichts für den unbefangenen Leser als solche nicht erkennbar

Ist das der Grund für die Bewährungsstrafe? Hätte Bendels freigesprochen werden müssen, wenn das Bild als Satire erkennbar gewesen wäre? Wenn er das Bild etwa durch ein kleingedrucktes „Satire“ unten rechts gekennzeichnet hätte?

Denn Satire, die wichtigen Leuten Sachen unterstellt, hat in Deutschland ja eine lange Tradition. Von Klaus Staecks legendärem „Juso beißt wehrloses Kind!“ Cartoon über so ziemlich jedes Titanic Titelbild aus den 90ern („Wiedervereinigung ungültig: Kohl war gedopt!“) bis zum „Sein Kampf“ Stern-Cover mit Donald Trump vor ein paar Jahren. Für diese Dinge ist niemand ins Gefängnis gegangen. Also schützt Satire offensichtlich vor Strafverfolgung.

Und anders gefragt: Verwechslungsgefahr heißt ja, dass der unbefangene Leser Nancy Faeser diesen Spruch auch zutrauen muss. Wenn auf dem Schild etwas gestanden hätte, was so abstrus oder hanebüchen ist, dass keine vernünftige Person es hätte glauben können: wäre Bendels dann auf der sicheren Seite gewesen? Wäre ein Bild von Frau Faeser mit dem Spruch „Ich esse Hunde! Ich esse Katzen!“ demnach legal? Und sehen wir in Zukunft KI-generierte AfD-Videos im Stil von John Olivers legendärer Musical-Nummer?

Wieder im Ernst: haben wir hier eine Verschiebung weg von der juristischen Auseinandersetzung über in der öffentlichen Meinung herabwürdigenden Inhalten, hin zur generellen Kriminalisierung von fake news?

Wie schätzt die Lage das ein?

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Bendels hatte bereits mehrere Vorstrafen. Zumindest laut einem Artikel der rechtsextremen „Jungen Freiheit“, den ich hier bewusst nicht verlinke oder direkt zitiere, weil wir den rechtsextremen keine Werbeeinnahmen geben wollen. (es handelt sich daher um eine KI-Zusammenfassung des Artikels der JF)

Vor diesem Hintergrund ist eine Bewährungsstrafe noch recht milde. Er ist als mehrfacher Wiederholungstäter in Erscheinung getreten und hat dafür zwei Mal nur eine Geldstrafe bekommen, bei der dritten Verurteilung ist eine Haftstrafe zur Bewährung auch bei kleineren Delikten völlig normal und unauffällig!

Ja, ein solches Bild in der Titanic oder einem anderen Satire-Magazin wäre klar von der Kunstfreiheit gedeckt. Eben weil es in solchen Magazinen klar als Satire erkennbar wäre. In einer rechtsextremen Postille hingegen wirkt das möglicherweise anders, insbesondere, wenn die Leserschaft ohnehin schon starke Abneigung gegen die „Systempolitiker“ hegt…

Again, vermutlich schon, weil dann eben klar wäre, dass es zumindest keine Verleumdung wäre. Es könnte aber natürlich den Tatbestand der Beleidigung erfüllen, wenn dort z.B. stünde: „Ich ficke Esel“ (um mal auf das Schmähgedicht von Böhmermann Bezug zu nehmen…). Ab einem gewissen Punkt gibt es selbst für satirische Äußerungen Grenzen, diese wären hier erreicht, weil man der AfD-nahen Postille und Bendels - wohl mit Recht - unterstellen würde, dass sie das Satire-Format nur missbrauchen würden, um politische Gegner gezielt persönlich anzugreifen und zu beleidigen.

Wie gesagt, berücksichtigt man die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen von Bendels ist das Urteil nachvollziehbar. Und solche Urteile gab es schon immer. Wenn Bendels jetzt alá Ursula Haverbeck den Märtyrer geben will und deshalb immer so weitermacht, wird er, wie auch Haverbeck, irgendwann dafür im Strafvollzug landen. Er wurde jetzt schon mehrfach verwarnt - irgendwann werden die Gerichte dann die richtigen Strafen auspacken.

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Und auch das ist nicht immer sicher, sondern muss immer mal wieder in Rechtsstreits geklärt werden, wie jüngst die Klage von Christian Lindner gegen die Titanic zeigte.
https://x.com/titanic/status/1895159699265269993?ref_src=twsrc^tfw|twcamp^tweetembed|twterm^1895159699265269993|twgr^58cdb59c988d9020b504d168d6d1881021a215e7|twcon^s1_c10&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.berliner-zeitung.de%2Fpanorama%2Flindner-gegen-titanic-diese-cover-brachten-dem-satiremagazin-jede-menge-aerger-ein-li.2303013

Die AfD spielt immer die Opferkarte, wenn es irgendwie geht. Politische Kritik an der Partei oder gar juristische Verfahren wegen Rechtsbrüchen an dieser Reaktion auszurichten wäre daher fatal.

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Klagen darf man immer. Auch das macht einen Rechtsstaat aus. Und der ist nicht immer mit Augenmaß unterwegs wie die Maßnahmen gegen das Zentrum für politische Schönheit zeigen.
Ich denke aber schon: wenn der Donaukurier und seine X-Seite allgemein als Satireschleuder bekannt wären, wäre das Urteil anders ausgefallen. Im Postillon wäre so ein Bild mit Achselzucken hingenommen worden.