Sehr geehrter Herr Dr. Buermeyer, sehr geehrter Herr Banse,
als Sprecher einer größeren Gruppe von Gewaltopfern, welche seit Jahren regelmäßig ihre Erfahrungen mit Behörden und Sozialgerichten austauschen, wende ich mich vertrauensvoll an Sie (wir haben vor ein paar Jahren eine Bürgerinitiative mit dem Namen FAIRES OEG gegründet, welche wir der leichteren Erkennbarkeit wegen in SOKO Opferschutz umbenannt haben. Beim gemeinsamen Erfahrungsaustausch ist uns aufgefallen, dass die Bundesrepublik Deutschland und die einzelnen Bundesländer beim Umgang mit Gewaltopfern regelmäßig gegen die Opferschutzregeln der EU verstossen (vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 16. November 2015: „Die Richtlinie über den Opferschutz verleiht Opfern von Straftaten verbindliche Rechte und legt den EU-Mitgliedstaaten klare Pflichten zur Gewährleistung dieser Rechte in der Praxis auf (IP/12/1066)“; vgl. Press corner | European Commission ). Insbesondere die Bundesländer Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen missachten diese Regeln unserer Beobachtung nach überdurchschnittlich oft. Folgende Verstösse sind unserer Feststellung nach eher die Regel als die Ausnahme:
Die Beamten und Richter sind in der Regel nicht auf den Umgang mit den zum Teil sehr schwer traumatisierten Menschen ausgebildet, und in der Regel auch nicht die von den Beamten und Richtern beauftragten externen medizinischen Gutachter. Der Umgang mit den Gewaltopfern von Antragstellung bis zum Gerichtsurteil erfolgt ohne Rücksicht auf die besonderen gesundheitlichen Probleme, mit denen Gewaltopfer und schwerbehinderte Traumapatienten aufgrund ihrer Erlebnisse konfrontiert sind. Der unsensible Umgang der Behörden und Sozialgerichte bewirkt bei vielen Betroffenen auf ihrem Wege von der Antragsstellung bis zum Gerichtsurteil in der Regel wieder und wieder zum Teil schwere Retraumatisierungen und Panikattacken im Grade von Körperverletzung.
Beim Verweis auf die Verbindlichkeit der EU-Opferschutzrichtlinien erhielten mehrere Gewaltopfer die Antwort, dass diese in Deutschland nicht verbindlich gelten, sondern lediglich Richtlinien seien, welche der Staat befolgen kann, aber nicht muss. Hier erscheint eine klare Ansage über die tatsächliche rechtliche Situation durch die EU angebracht.
Um künftig die Autorität der EU-Opferschutzrichtlinie auch in Deutschland vollumfänglich durchzusetzen, erscheint es erforderlich, sämtliche im Umgang mit Gewaltopfern stehenden Beamten und Richter sowie von diesen beauftragte medizinische Gutachter nach den aktuellsten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft zu schulen, damit Gewaltopfer künftig nicht mehr der Gefahr ausgesetzt werden, durch die Misstände bei den staatlichen Verfahren in ihrer Gesundheit noch weiter beeinträchtigt zu werden.
Die Länge der Verfahrensdauer ist ebenfalls regelmäßig ein Problem. Mein eigenes Verfahren läuft seit über zehn Jahren, und es gibt unzählige andere Gewaltopfer, bei denen das Opferentschädigungsverfahren noch sehr viel länger läuft. Auch die Angehörigen von Gewaltopfern genießen laut den Opferschutzregeln der EU besonderen Schutz. Darauf wird ebenfalls bislang in Deutschland keine Rücksicht genommen. In meinem Fall hat der Richter das Verfahren so rücksichtslos geführt, dass meine Mutter am folgenden Tag einen Schlaganfall bekam und stationär im Krankenhaus aufgenommen werden musste. Uns sind noch diverse weitere Fälle bekannt, bei denen Behörden und Sozialgerichte in Deutschland gegen die EU-Gesetze verstossen. Es ist höchste Zeit, dass die EU- Opferschutzrichtlinien künftig auch in Deutschland umgesetzt werden. Für die Betroffenen von Gewalt und deren Angehörigen muss endlich sichergestellt werden, dass sie ein faires Verfahren bekommen. Immerhin sind seit der Einführung der EU-Richtlinien bereits rund fünf Jahre vergangen…
Wir bitten Sie, Deutschland streng zur sofortigen und uneingeschränkten Umsetzung der EU-Opferschutzrichtlinie zu ermahnen.
Für weitere Fragen oder Anregungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen Christophe Didillon, Sprecher der SOKO Opferschutz
https://soko-opferschutz.jimdosite.com/
Beschwerde bei der EU: SOKO OPFERSCHUTZ Christophe Didillon : Initiative