Der Fall Maja T - Bundesverfassungsgericht missachtet, Rechtstaat unterlaufen,

Wir haben keinerlei Möglichkeit, diese Dinge zu erzwingen, alles basiert auf das Vertrauen, dass Ungarn sich an Absprachen halten wird. Und dieses Vertrauen habe ich in Orban nicht.

Dazu gibt es einfach zu wenig Fälle.

Es gibt jedes Jahr insgesamt nur knapp 15.000 europäische Haftbefehle, der absolute Großteil davon richtet sich gegen eigene Staatsbürger oder Nicht-EU-Bürger. Die Fälle, in denen Staatsbürger anderer Staaten mit einem Europäischen Haftbefehl gesucht werden, sind die absolute Ausnahme. Und natürlich äußert sich kein Staat „präventiv“, warum sollte man das Porzellan zerschlagen, wenn es noch gar keinen Fall gibt, in dem das relevant wäre?

Ich kann mir z.B. nicht vorstellen, dass Frankreich einen Staatsbürger an Ungarn ausliefern würde… aber wie gesagt, es gibt da aktuell einfach keine Fälle, zumindest keine, die mir bekannt wären.

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Man kann ja mal nach Italien schauen. Da sitzt eine Angeklagte nun im EU-Parlament, damit die Immunität sie vor der ungarischen Justiz schützt.
Und zum Thema EU: es war nicht vorgesehen, dass ein Land ausgeschlossen wird, nur, dass es selbst geht. Und jetzt wird man Ungarn nicht mehr los, solange Ungarn dagegen stimmt.

Man sollte auch kurz die Opferperspektive betrachten. Strafrecht dient nicht in erster Linie der Rache oder Sühne, aber für den sozialen Frieden ist es notwendig, dass ein Opfer bzw. dessen Angehörige wissen, dass der Täter verfolgt und bestraft wird.

Vor ein paar Jahren wurde ein Radfahrer in Berlin bei einem Unfall mit einem Porsche getötet. Der Verursacher war Saudischer Diplomat, genoss Immunität und kam ungescheren davon. Das gleiche ist 2019 in England passiert. Die Frau eines Diplomaten fuhr auf der falschen Straßenseite, rammte einen Motorradfahrer der aufgrund seiner schweren Verletzungen starb. Die US-Regierung riet der Frau zu fliehen, organisierte einen Flug und verweigert seitdem die Auslieferung obwohl bis zum Premierminister alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden.

Eine Immunität liegt im Fall Maja T. natürlich nicht vor, aber der Schmerz den die Angehörigen und Opfer fühlen, wenn ein Verbrechen ungesühnt bleibt und der Täter ungestraft davonkommt, ist ähnlich.

Niemand fordert, dass die Taten ungesühnt bleiben sollen.

Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass das Verfahren gegen Maja T. und andere Beschuldigte in Deutschland stattfindet, die ungarischen Behörden könnten hier sogar Beweise einbringen und die deutschen Behörden unterstützen. Wäre Maja T. nicht entgegen des Beschlusses des BVerfG ausgeliefert worden, wäre das genau so ein Fall gewesen, siehe dazu §7 Abs. 2 Nr. 1 StGB:

Daher: Der Prozess in Deutschland wäre rechtlich ohne Weiteres möglich gewesen (es wurde auch bereits ermittelt!), wurde aber durch die Turbo-Abschiebung gezielt verhindert. Ich kann nicht verstehen, dass die Kritik an dieser Praxis nicht ernst genommen wird.

Wenn Maja T. und ihre Verbündeten an ernsthaften Gewalttaten beteiligt waren, bin ich der Letzte, der dagegen ist, sie zu bestrafen (wie auch im Fall Lina E.). Aber eben in einem Rechtsstaat mit einem einem angemessenen, rechtsstaatlichen Verfahren und einer angemessenen Strafe. In Ungarn erwarte ich all das nicht.

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Wobei das natürlich schon ganz schön überheblich ist einem anderen Staat ein nach seinen Grundsätzen geregeltes Verfahren abzulehnen, nur weil mir das Ergebnis ggf. nicht gefällt. Und wer sich im Ausland strafbar macht, muss auch damit leben nach lokalem Recht verurteilt zu werden.

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Ich denke, wir warten ab, wie lange die Untersuchungshaft dauert und dann bewerten wir noch mal, ob das eine gute Idee war nach Ungarn auszuliefern.

Das lenkt aber vom eigentlichen Skandal ab. Auch wenn Ungarn in der U Haft alles perfekt macht und Maja nach einem kurzem Prozess von allen Anklagepunkten freigesprochen wird, bleibt es ein Skandal, wie es zur Auslieferung gekommen ist.

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Jup, und was mich am meisten schockiert ist, dass Nutzer diesen Skandal nicht sehen und auch noch mit „Law&Order“ argumentieren. Hier wurde ganz klar geltendes Recht gebrochen, die Behörden haben mMn gezielt und bewusst die Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen untergraben, indem sie eine Blitzauslieferung durchgeführt haben, obwohl zu erwarten war, dass das BVerfG sich zu der Sache äußern wird. Das ist ein riesiges Problem.

Das wird dann mit Law & Order-Argumenten zur Seite gewischt, nach dem Motto: „Gesetz ist Gesetz“ - und das passt einfach nicht. Hätte das BVerfG die Auslieferung abgesegnet, gäbe es keinen Skandal - hat es aber nicht. Das ist der Skandal - die Bewertung, ob Maja T. in Ungarn ein faires Verfahren zu erwarten hat, liegt nicht bei uns Diskutanten hier im Forum, sondern beim BVerfG - und das hat sich klar und eindeutig positioniert, wurde aber durch übermäßig schnelles Behördenhandeln aushebelt - und das darf in einem Rechtsstaat nicht passieren - und das kann und darf nicht mit Law&Order-Argumenten gerechtfertigt werden, das ist ein logischer Fehlschluss.

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Ganz im Sinne dessen, was Daniel geschrieben hat: Nein, es ist nicht „überheblich“, wenn das höchste Verfassungsgericht eines Rechtsstaats die Standards überprüft, nach denen die Bürger dieses Staates strafverfolgt werden. Und es geht auch nicht um ein „Ergebnis“ dass irgendeinen subjektiven Geschmack nicht trifft, sondern um das Verfahren, konkret um eine gerichtliche Kontrolle der Exekutive , mithin um einen Grundpfeiler des demoratischen Rechtstaats. Das einfach so beiseite zu wischen, finde ich fatal und wenn ich mich nach den Gründen frage, kann ich mich bei einigen nicht des Eindrucks erwehren, dass es vielleicht mit dem Ergebnis zu tun hat, dass gefällt.

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Es wäre schön, wenn Ulf das ein- für allemal klarstellen könnte.

Ich glaube das immer noch nicht. Eine Ankündigung ist halt nur eine Ankündigung.

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