Der Fall Maja T - Bundesverfassungsgericht missachtet, Rechtstaat unterlaufen,

Ich verteidige sie nicht, sondern plädiere dafür, dass Deutschland das Verfahren an sich zieht, denn dem deutschen Rechtsstaat vertraue ich. Ungarn wäre dann genötigt, seine Beweise für die Anschuldigungen der Justiz in Deutschland vorzulegen.

Erstmal gilt ja in dubio pro reo, auch für Terroristen (wobei es hier ja gar nicht um Terrorismus, sondern um Körperverletzung geht).

Weil er nicht verurteilt ist sondern angeklagt. Weil er Bundesbürger ist und nicht einfach irgendwohin verschoben werden kann. Weil die Würde des Menschen unantastbar ist.

Das ist ja der Sinn von Auslieferungsvereinbarungen.
Es macht ja Sinn, dass man sich auch an demselben Ort vor Gericht verantworten muss, an dem man angeklagt wird und das Verbrechen begangen worden ist.

Das gilt offensichtlich nur, wenn an diesem Ort auch die rechtstaatlichen Grundsätze eingehalten werden. Das war die Grundvoraussetzung für die Auslieferungsvereinbarung - und das ist aktuell in Ungarn eben nicht mehr gegeben (siehe offizielle Strafen der EU gegen Ungarn wegen rechtstaatlichen Defiziten). Könntest du bitte zumindest ein einziges Mal darauf eingehen, statt immer wieder den pauschalen Standpunkt zu wiederholen, dass man einfach ausliefern solle?!?

Der Fall hat inzwischen wohl zu viel spotlight, als dass sich Ungarn noch erlauben könnte oder wollte irgendeinen Schmuh abzuziehen.

Das kann man kaum sagen.

Orban provoziert ständig ganz offensichtlich und gezielt (ich erinnere an seine „Welttour“ zu Putin, Trump und co., nachdem Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft hatte…). Orban will gerade in LGBTQI-Sachen Exempel statuieren (z.B. durch die Schließung von Gender-Studies-Studiengängen) und ist auch sehr deutlich in seiner Unterstützung Russlands und generell „rechter“ Politik. Die Justiz in Ungarn ist nicht hinreichend unabhängig. Das alles lässt große Zweifel daran offen, dass hier ein fairer Prozess gegen einen dem linken Spektrum angehörigen Menschen aus dem LGBTQI-Spektrum stattfinden kann, trotz - oder gerade wegen - der internationalen Beobachtung.

Ich verstehe deine ganze Argumentation, @Daniel_K. Aber mir fehlt in dieser die Berücksichtigung, dass Ungarn Deutschland zwecks Auslieferung zugesichert hat ein rechtsstaatliches und diskriminierungsfreies Verfahren durchzuführen.

Deutsche Behörden haben meines Wissens vollen Zugang zu Maja, um sicherzustellen dass hier kein Unfug passiert. Bisher gibt es meines Wissens auch keine Vorwürfe Majas bezüglich einer falschen Behandlung.

Ich schrieb es früher schon einmal, solange Ungarn faire Bedingungen zusichert, sollten wir uns auch fair gegenüber Bündnispartnern verhalten. Man muss Ungarn die Chance geben Maja fair zu behandeln. Übertriebene Bedenkenkrämerei und Misstrauen ist der Tod jeder Partnerschaft.

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Sein Kind befinde sich in einer kleinen Einzelzelle. Der Hofgang sei an mehreren Tagen nicht möglich gewesen, weshalb Maja T. 24 Stunden in der Zelle blieb. T. habe keinen Zugang zu anderen Häftlingen, der Ton der Vollzugsbeamten sei „sehr militärisch“, einmal sei Maja T. auf dem Hof vergessen worden und habe zweieinhalb Stunden in der prallen Sonne gestanden. In der Zelle gebe es Bettwanzen, das Essen sei verschimmelt gewesen.
Auslieferung von Maja T. nach Ungarn: Wie der Vater um sein Kind kämpft - Panorama - SZ.de

Vor allem muss man sich auch an lokale Gesetze halten. Ich reise auch nicht mit Drogen nach Singapur. Sonst bleibe ich da halt weg.
Ich würde auch jemanden an die USA ausliefern, wenn Mordverdacht besteht.

Es ist hier ausgiebig dargelegt worden, wie die Behörden alle Hebel in Bewegung gesetzt haben um die Auslieferung durchzuziehen, ohne die Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts berücksichtigen zu müssen (wie auch immer sie gewesen wäre).

Das macht dich nicht zu einem Verfechter des Rechtsstaats, sondern zum Fan eines Polizeistaats.

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Okay, danke für den Hinweis.

Jetzt wäre die Frage, ob das für ungarische Gefängnisse üblich ist oder das tatsächlich diskriminierend ist. Ob es ein Verstoß gegen die Abmachung mit der BRD ist müssten die zuständigen Beamte sagen. Steht dazu irgendwas im Artikel? Der ist leider hinter der Paywall.

Militärischen Ton erwarte ich im Übrigen im Gefängnis. Ist das wirklich ungewöhnlich?

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, man setze sich „gegenüber den ungarischen Behörden intensiv“ für Maja T. ein.

Mehr steht da nicht. Eine Menschenrechtlerin wird zitiert, die von vorliegenden Vorwürfen berichtet, dass es zu wenig Essen gäbe, die Gefängnisse alt und in schlechtem Zustand seien und einige Gefängnisse überfüllt seien. Bei Ausländern käme dann die Isolation und die Sprachbarriere dazu.

Ungarische Zusicherungen sind meines Erachtens einfach nicht genug, nicht im Hinblick auf das Verhalten Ungarns insgesamt. Ungarn hat sich da einfach einen sehr, sehr schlechten Ruf erarbeitet, und das über eine lange Zeit. Solche Vereinbarungen brauchen eine Vertrauensbasis und Orban hat die letzten Jahre alles getan, um jede Vertrauensbasis zu zerstören.

Grundsätzlich spricht wenig dagegen, die Fälle in Deutschland zu verhandeln. Die rechtliche Möglichkeit dazu existiert - und hier wäre ein gerechtes Urteil zu erwarten, und eine angemessene Strafe. In Ungarn erwarte ich aktuell weder das eine, noch das andere - und daran können Zusicherungen einer Regierung, die notorisch dafür ist, ihren Rechtsstaat abzubauen, nichts ändern.

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Beide Seiten trauen sich nicht. Ungarn liefert bspw. eher selten Staatsbürger nach Deutschland aus. Insoweit sind wir da in einer Sackgasse.

Nein, denn wenn Deutschland auch nicht ausliefert, was will Ungarn dann machen. So ist es keine Sackgasse, sondern eine Einbahnstraße - und das noch in die falsche Richtung.

Wir sollten uns hier generell von dem konkreten Fall Maja T. lösen, wenn es um die Situation mit Ungarn geht. Meiner Meinung nach gilt hier ganz klar:

Die EU-internen Regelungen für Auslieferungen müssen im Hinblick auf Ungarn generell ausgesetzt werden, bis Ungarn seine rechtsstaatlichen Defizite abgebaut hat. Es ist doch albern, dass Deutschland aktuell (zu Recht!) keine europäischen Haftbefehle ausstellen darf, weil die Staatsanwaltschaft (systematisch bedingt) nicht hinreichend unabhängig ist, obwohl es wenig tatsächliche Zweifel an ihrer Unabhängigkeit gibt, während in Ungarn Gerichte und Staatsanwaltschaften ganz klar sowohl systematisch als auch tatsächlich nicht unabhängig sind, selbst die CDU/CSU davon spricht, dass in Ungarn „Gerichtsurteile über Nacht per Dekret abgeändert werden können“ (was auch dazu führt, dass Richter in vorauseilendem Gehorsam im Sinne der Regierung richten!).

Die Forderung muss daher sein: So lange die EU noch Gelder für Ungarn wegen Mängeln der Rechtsstaatlichkeit einfriert, so lange müssen auch etwaige Auslieferungsregeln ausgesetzt werden - völlig unabhängig von den konkreten Fällen. Wir können nicht an einer Stelle sagen, dass der ungarische Rechtsstaat so beschädigt ist, dass wir als EU deshalb die Gelder kürzen, weil wir nicht riskieren wollen, dass die Gelder in korrupten Kanälen versinken, aber gleichzeitig Menschen in dieses korrupte System überstellen. Es ist wieder ein Fall, wo der Schutz von „Geld“ scheinbar höher gewichtet wird als der Schutz von „Menschen(rechten)“ - und das geht einfach gar nicht.

Daher bleibt meine Position: Ein generelles Nein zu Auslieferungen an Staaten, gegenüber denen ein Vertragsverletzungsverfahren wegen rechtsstaatlichen Mängeln im Raum steht.

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Deutschland darf seit 2019 keine eu-haftbefehle ausstellen und bisher kenne ich keine Ambitionen daran etwas zu ändern. Eben weil wir ein strukturelles Problem in der Justiz haben, muss das doch Aufruf für umgehendes Handeln sein.
Weisungsbefugnis ist so offensichtlich falsch aber sie scheint liebgewonnenen

Exakt, deshalb schrieb ich, dass Deutschland aktuell (zu Recht!) keine europäischen Haftbefehle ausstellen darf. Und so lange Deutschland den Makel an Rechtsstaatlichkeit nicht behebt, also die Weisungsbefugnis gegenüber den Staatsanwaltschaften nicht abschafft, ist das auch richtig so. Ich fordere nur, dass Ungarn genau so behandelt wird.

Dass es keine Ambitionen gäbe, das zu ändern, sehe ich nicht so. Der Richterbund fordert die Abschaffung schon länger, lediglich der aktuelle FDP-Justizminister ist leider dagegen, weil er glaubt, dass die EU auch eine transparentere, besser geregelte Weisungsbefugnis akzeptieren würde, was durchaus sein kann. Die große Kritik an der gegenwärtigen Weisungsbefugnis ist eben, dass sie so gar nicht reguliert ist, daher theoretisch völlig willkürlich genutzt werden könnte. Ich bin auch für eine völlige Abschaffung der Weisungsbefugnis, da ich mir zum einen nicht sicher bin, ob eine höhere Transparenz der EU ausreicht und ich es zum anderen auch einfach falsch finde, dass die Exekutive der Judikative Weisungsgebunden sein soll (bzw. ich es falsch finde, die Staatsanwaltschaft als Exekutive zu definieren, um eine Weisungsbefugtheit ohne Verletzung der Gewaltentrennung zu rechtfertigen).

Aber wie gesagt, all das ändert ja nichts an der Frage nach dem Umgang mit Ungarn, im Gegenteil, gerade weil die EU Deutschland hier so klare Grenzen setzt ist es umso unverständlicher, dass das im Hinblick auf Ungarn anders sein soll.

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Kannst du bitte noch einmal ausführen warum das so ist? Ich meine, wir arbeiten in so vielen Gremien und Runden Ungarn zusammen, aber hier soll man sich jetzt nicht vertrauen können?

Was sollte passieren wenn Ungarn einen Mindeststandard zusichert, wir Kanäle zwischen Häftlingen offen halten und intervenieren falls Ungarn sich nicht daran hält? In einer letzten Stufe könnte sogar eine Rückforderung der Häftlinge vereinbart werden.

Ich halte deine grundlegende Antihaltung für nachvollziehbar, aber isolierend.

Kannst du erklären warum das so ist? Und wie verhalten sich andere EU Staaten? Haben die die Überstellung von Verdächtigen auch ausgesetzt oder sind wir hier wieder in relativ isolierter Mission unterwegs?