Der Begriff "Konservativ" darf nicht von den Rechten gekapert werden

Erhard Eppler hat in Deutschland die Unterscheidung in struktur- und wertkonservativ bekannt gemacht. Die beiden Ergänzungen des Begriffs „konservativ“ beleuchten m. E. schon ohne viele Erklärungen, dass jeder Pol nur auf Kosten des anderen erhältlich ist. Wenn das gesellschaftliche Ziel die solidarische Gesellschaft ist, muss die Struktur immer wieder nachjustiert werden. Festgefahrene Strukturen dagegen führen irgendwann zu Schäden am ursprünglichen Wert.
Gerade gute grüne Politik ist nach diesen Verständnis eine zutiefst (wert-)konservative. Deshalb: lasst die Rechten nicht auch diese Vokabel kapern!

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Die Union hat den leider schon längst für sich gekapert.
Auch die Kirchen weisen seit Jahren darauf hin, dass die Bewahrung der Schöpfung zutiefst konservativ wäre.
Kümmert eine christlich demokratische und eine christlich soziale Union herzlich wenig.

Wenn Konservative nicht wollen, dass Rechte den Begriff „Konservativ“ kapern, dann müssen sie sich in Programm, Rhetorik und Handlungen eben klar von den Rechten abgrenzen und zwar auch, wenn sie dafür gesellschaftlich Gegenwind kriegen – ja, dabei geht mein Blick in Richtung Söder und Merz und ihrer Parteigenossen.

Ich identifiziere mich persönlich eher als „progressiv“ (wenn ich gezwungen wäre, meine politische Identität auf einen einzigen Begriff zu verkürzen) und sehe das entsprechend nicht als meine Aufgabe.

„Konservativ“ ist für mich inzwischen sowas wie die Begriffe „Mitte“ und „Sozialdemokratie“: bis zur Unkenntlichkeit von jedem konkreten politischen Inhalt entleert und darum für jeden verfügbar, der sich so ein wenig Legitimität verschaffen will. Wer nicht will das der Begriff „Konservativ“ für die Normalisierung rechtsextremer Politik verwendet wird, der muss sich die Arbeit machen und mal wieder definieren, was ein "„konservatives“ politisches Programm im Jahr 2024 eigentlich beinhaltet.

Mit „Bewahrung der Schöpfung“ wird man da meiner Ansicht nach nicht weit kommen. Denn für Umweltschutz und Nachhaltigkeit muss man nichts „bewahren“, man muss verändern: unser Konsumverhalten, unsere Wirtschaft, etc. Natürlich sind auch „konservative“ Menschen in der Lage, dabei mitzugehen. Aber meiner Ansicht nach weniger aus ihrem Bedürfnis heraus, dass möglichst alles so bleibt wie es ist.

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Treffer: wir müssen uns und unsere Strukturen und Gesetze weiterentwickeln, um eine lebenswerte Umwelt zu behalten. Das ist in positiven Sinn konservativ und damit ein Argumentationsfaden, mit dem rechtes Denken angegriffen werden kann.

Ich stimme zu, dass es dringend eine vernünftige konservative Partei in Deutschland braucht, auch wenn ich diese selbst wahrscheinlich nicht wählen würde.
Den alten Volksparteien CDU/CSU und SPD fällt es aktuell schwer, sich von ihren gewohnten Rollen zu lösen, bei denen sie sich der Treue ihrer StammwählerInnen ziemlich sicher sein konnten.
Meiner Meinung nach brauchen diese Parteien eine neue Geschichte, eine Erzählung darüber, wie das Land ihrer Meinung nach sein sollte, die man ihnen auch abnimmt.
Die einzige Partei, die es aktuell schafft, eine gute Geschichte zu erzählen (und bitte nicht falsch verstehen: ich mein „gut“ im Sinne von „für die Rezipienten verständlich“ und „verfänglich“) ist die AfD. Inhaltlich ist es natürlich Schrott, aber die Erzählung der angeblichen Eliten, die eine Schreckensherrschaft über die schweigende Mehrheit hält, funktioniert leider. Die Freien Wähler und BWS gehen in die selbe Richtung. Die Grünen haben noch ihre Geschichte der klimaneutralen Gesellschaft, und ich denke man nimmt ihnen auch ab, dass sie dafür stehen, aber sie können bisher diese Geschichte in keine konkrete Zukunftsvorstellung verwandeln.

Sehr interessant. Ich finde den Gedanken, dass Klima- und Umweltschutz (KUS) eigentlich ein kern-(wert-)konservatives Thema ist, ganz treffend. Zugleich stimmt aber auch die Bemerkung von @ped, dass es insofern nichts mit Konservatismus zu tun hat, als dass die Mittel, KUS in der heutigen Zeit zu betreiben, keine konservativen nach dem heutigen Verständnis sind – hier braucht es progressive Maßnahmen, die mit den Forderungen der Union nichts zu tun haben. Das ist aber nicht dem Ziel des KUS selbst angelegt, sondern das haben wir uns durch die neoliberale Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte eingebrockt.

Schaut man sich aber kulturelle Entwicklungen der letzten Jhd. an, sieht man, dass US stets ein konservatives Thema war – exemplarisch seien der Biedermeier oder ausgewählte Strömungen innerhalb der Romantik genannt. Irgendwie ging den Konservativen diese Erzählung aber verloren, als sie sich ab dem frühen 20. Jhd. unter der Akkumulation größeren gesellschaftlichen Wohlstands immer mehr an Wirtschaftsinteressen orientiert haben. Die Idee, KUS nun also auf der christlich angehauchten Erzählung der „Bewahrung der Schöpfung“ von konservativer Seite aus wiederzubeleben, ist jedoch nicht fernliegend.

Nun hat die Union in der Vergangenheit sich ja häufig mal auf die „Bewahrung der Schöpfung“ berufen. Dazu würde ich aber zwei Bemerkungen machen:

  1. Man muss der Union unterstellen, dass sie diese Motivation nicht aus genuiner Überzeugung wieder ausgebuddelt haben, sondern es unter die Kategorie fällt: Wir sehen uns einer derartig starken gesellschaftlichen Überzeugung konfrontiert, dass es für uns schädlich wäre, uns dagegen zu stemmen – deswegen firmieren wir das Thema nun konservativ um. So hat sich die Union ja auch erst dann an den Mindestlohn gehängt, als es wirklich niemanden mehr gab, der dessen Sinnhaftigkeit im Grundsatz bestritten hat.
  2. Ich zweifele daran, dass es der Union mit dem Narrativ der „Bewahrung der Schöpfung“ momentan wirklich ernst ist (Überraschung). Dieses Narrativ scheint aus der zweiten Reihe der Union einmal alle Jubilare angeführt zu werden – Prominent hat es Norbert Röttgen in der Diskurs der Union gebracht; dass er nun (leider?) keine nennenswerte Rolle mehr spielt, ist bezeichnend. Es wird nicht meinungsstark von führenden Unionsvertretern nach vorne getragen.

Die Union muss diesen Diskurs mE verstärkt führen. Denn wenn den vermeintlich „Konservativen“ der AfD in Sachen KUS der Raum gelassen wird, wird das irreführende Gegennarrativ aufgebaut, wer konservativ ist, habe mit KUS nicht viel am Hut. Die derzeitige Union springt voll auf diesen Zug auf, s.o., und verschenkt damit das ihrem konservativen Grundansatz eigentlich innewohnende Potenzial, ihre Stammwählerschaft für ein Thema zu mobilisieren, das alle etwas angeht, momentan aber vor allem von links-progressiver Seite vorangetragen wird.

Ich würde an der Stelle sagen, es ist noch schlimmer. Die Grünen schaffen es nicht nur eine positiv besetzte Zukunftsvorstellung zu transportieren, sie schaffen es noch nichtmal das negative Zerrbild einer klimaneutralen Gesellschaft, das von vielen Stellen gegen sie in Stellung gebracht wird, wirkungsvoll zu entkräftenn