Demokratie in D durch USA?

Hallo, zunächst einmal schön das ihr aus der Sommerpause wieder da seid. Etwas irritiert war ich beim hören als ihr die Behauptung aufgestellt habt, dass uns die USA nach 1945 die Demokratie gebracht haben. Es entstand bei mir der Eindruck, dass die Zeit zwischen 1918 und 1933 gänzlich in Vergessenheit geraten ist. Denn da sind wir uns doch einig, dass die Weimarer Republik eine Demokratie war, oder? Bedauerlicherweise wurde diese Demokratie verhältnismäßig schnell wieder abgewickelt. Aber es ist meines Erachtens schon so, dass wir die Demokratie für uns entdeckt haben. Die USA haben uns den Kapitalismus gebracht und ein darauf basierendes Wirtschaftswachstum (zumindest im Westen). Ich bin auf eine Rückmeldung gespannt. Liebe Grüße

Ich habe es so verstanden, dass es um die Neu-Demokratisierung nach dem Dritten Reich ging.

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Man kann (und sollte) an den USA - man beachte den Plural - vieles kritisieren, aber sicher nicht, dass sie eine Re-Demokratisierung nach '45 ermöglicht und unterstützt haben.

Im Übrigen war die Weimarer Republik demokratiegesetzlich und institutionell in vielem besser als ihr Ruf.

Zitat
" Ein demokratisches Bewusstsein bilden

Es hätte aber mehr geschehen müssen: ein Wandel in den Köpfen. In diese Richtung dachten offensichtlich die Amerikaner. Der Chef ihrer Militärregierung, General Lucius D. Clay, formulierte:

„Es ist die Politik der Vereinigten Staaten, die Demokratie in Deutschland von den Grundlagen her wieder aufzubauen. Wir sind der Ansicht, dass die Demokratie in Deutschland nur dann Wurzeln fassen kann, wenn in den kommenden Jahren demokratische Grundsätze fortgesetzt und folgerichtig angewandt werden.“

Nicht zu verwechseln mit dem Marshallplan

Zitat
" Der Marshallplan fällt historisch in die Frühphase des Interner Link: Kalten Krieges: Das Programm sollte aus US-Perspektive auch der Eindämmung des Kommunismus dienen. Durch die wirtschaftliche Schwächung sämtlicher Industriestaaten in West- und Mitteleuropa drohte aus Sicht der USA ein Machtvakuum zu entstehen, das durch kommunistische Kräfte im Osten des Kontinents für eigene Interessen genutzt werden könnte."

…und weiter…

„Nicht zuletzt diente der Wiederaufbauplan auch den eigenen Handelsbeziehungen der USA. Die wiedererstarkenden europäischen Märkte boten in den 1950er-Jahren einen Absatzmarkt für die Überproduktion der US-amerikanischen Wirtschaft.“

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Fun-Fakt: die Demokratisierung Deutschlands nach dem Krieg ging einher mit der Etablierung der FDP als „Alt-Nazi-Partei“. Die 3. Reich-Ideologie war noch lebendig, aber durch den kalten Krieg und wirtschaftlichen Aufschwung gedeckelt und später dann offensiv gewandelt mit den 68er.

Aus deiner ersten Quelle:

Demokratisches Bewusstsein hatte die Mehrheit der Deutschen bis dahin nicht entwickeln können – dennoch mussten sich die Menschen in Deutschland, zumindest im Westen, nun mit diesen Ideen auseinandersetzen. […]

Die nationalsozialistische Indoktrination wirkte bei vielen nach: ‚Du bist nichts, dein Volk ist alles‘ – gegen diesen Glauben mussten die Besatzer mit ihrem Re-Education-, also ihrem Erziehungsprogramm erst einmal anarbeiten, erklärt Magnus Brechtken vom Institut für Zeitgeschichte.

Da wurde also schon allerhand unternommen.

Deine Quelle zeigt allerdings auch, dass die Bemühungen erst sehr langsam Früchte trugen.

Im östlichen Teil der Republik hat es nach der Wiedervereinigung keine vergleichbare Re-Education gegeben. Vielleicht ein Fehler.

Geschichtlich ist noch interessant:

Das ging mir beim Hören der Lage nicht so. Ich fand, dass die Aussage klar auf die Zeit nach 1945 bezogen war. Und davor gab gab es in Deutschland nun mal eine Diktatur, deren menschenverachtende Ideologie und deren mörderische Kriege Millionen von Deutschen aktiv unterstützt haben. Und schon vor 1933 waren in Deutschland die wirklich überzeugten Demokraten nicht immer in der Mehrheit und selbst unter diesen waren revanchistisches Denken und Ressentiments gegen den Westen durchaus verbreitet. Es gab also 1945 zweifelsohne einen riesigen Bedarf an Demokratisierung in Deutschland.

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Man kann die beiden Systemwechsel nicht miteinander vergleichen. Das NS-Regime wurde nicht durch eine friedliche Revolution entmachtet, sondern militärisch durch die Alliierten besiegt.
Ich glaube, die ursprüngliche Bürgerrechtsbewegung aus der DDR brauchte da keine Schulung in Sachen Demokratie. Motto „Wir sind das Volk“.
Wie das bei den „Wir sind ein Volk“-Demonstrierenden aussah, kann ich nicht beurteilen.

Der Mauerfall war für die „Rechten“ auf jeden Fall ein Glücksfall.

Zitat
„Der Parchimer Westneonazi Christian Worch schwärmt noch heute von den „personellen Ressourcen“ in Ostdeutschland, die sich nach dem Mauerfall für die radikale Rechte im Westen ergaben.“

" Die DDR-Nazigruppen trugen eindeutige Namen: „SS-Division Walter Krüger Wolgast“, „Lichtenberger Front“ oder „Wilhelmsruher Türkenklatscher“. Trotz der antifaschistischen Staatsdoktrin der DDR hatten sich rund 200 solcher neonazistischer Gruppen entwickeln können, berichtet Bernd Wagner, ehemaliger DDR-Oberstleutnant der Kriminalpolizei. Ende der 1980er-Jahre leitete Wagner die „AG Skinhead“, ein vom Innenministerium eingerichtetes geheimes Forschungsprojekt. Wagner kam insgesamt auf 15.000 Rechtsradikale in der DDR."

Das ist wohl nicht verallgemeinerbar:

Hallo Bent,

ich glaube

  1. die „Entwicklung“ der dort beschriebenen Personen darf man nicht mit der Entwicklung der Bürgerrechtsbewegung gleichsetzen

Zitat aus dem Artikel

„Selbst wenn es keine Umfragen gibt, spricht vieles dafür, dass die meisten früheren Dissidenten und Bürgerrechtler mit der AfD und ihren Satellitenorganisationen nichts zu tun haben wollen. Doch eine Minderheit fühlt sich von den Rechten angezogen.“

  1. ich unterstelle mal die beschriebenen Personen wissen, was Demokratie ist. Ein weitverbreiteter Irrtum ist Demokratie mit gut, gerecht usw. gleichzusetzen. In der Demokratie wird „nur“ der Mehrheitswillen (der Wähler) umgesetzt. Dieser kann humanistisch, faschistisch, marxistisch…sein. Extremisten können durchaus Demokraten sein.