Demo für Lützerath am 14.1. und Konsequenzen von Blockanden

Ich möchte gerne nicht länger hilflos zuschauen wie die Klimakrise eskaliert. Ich bin studierter Geoökologe und habe ein ungefähres Bild wie die Erde in 50 Jahren aussieht. Ich kann mich also in mehreren Jahrzehnten nicht hinstellen und sagen ich habe nicht gewusst was auf der Erde wegen der Biodiversitäts- und Klimakrise passieren wird. Ich höre dabei schon jetzt den Vorwurf zukünftiger Generationen, warum wir es soweit kommen lassen haben. Wir leben momentan so, als ob es die Krisen nicht gäbe.

Daher würde ich gerne am 14.1. bei der Demo in Lützerath dabei sein und möchte auch gerne mit Sitzblockaden etc. passiv eine Räumung erschweren/verhindern. Allerdings bin ich mir wegen der juristischen Konsequenzen unsicher und würde gerne erfahren, wie ich diese gering halte und was mir droht. Ich bin nicht vorbestraft und hoffe, dass es dafür keinen Eintrag ins Führungszeugnis geben wird, da ich in staatlichen Einrichtungen Jugendliche unterrichte. Würde ein Eintrag ins Führungszeugnis darauf eine Auswirkung haben?

Die Räumung wird mit der Energieversorgungssicherheit begründet. Allerdings sagen wissenschaftliche Studien, dass keine Notwendigkeit besteht die Kohle unter Lützerath abzubaggern. Die Versorgung wäre auch so bis 2030 gesichert, da noch 301 Mio. t Braunkohle ohne weitere Zerstörung von Dörfern abgebaut werden können. Zudem bricht die Regierung mit dem Abbau der Kohle unter Lützerath mit dem 1,5 Grad Ziel (auch wenn dieses Ziel insgesamt unrealistisch ist, geht es um jedes zehntel Grad, das verhindert werden kann).
** Im Abgleich mit den maximal anzunehmenden Fördermengen zeigt die vorliegende Studie, dass der Vorrat im Abbaugebiet des Hauptbetriebsplans 2020-2022 für den Tagebau Garzweiler II selbst unter konservativen Annahmen auch ohne Inanspruchnahme von Lützerath ausreichend ist, um die angebundenen Kraftwerke Neurath und Niederaußem sowie Veredelungsbetriebe bis Ende 2030 zu versorgen.** (Gasknappheit: Auswirkungen auf die Auslastung der Braunkohlekraftwerke und den Erhalt von Lützerath | Coal Transitions)
Weitere Studie: https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle/221128_EBC_Aurora_Kohleausstiegspfad_und_Emissionen_as_sent.pdf

Ist das juristisch wirklich einwandfrei die Räumung von Lützerath in wenigen Wochen mit der Energieversorgung zu rechtfertigen, wenn noch 300 Mio t. Kohle verfügbar sind?

Liebe Grüße und schöne Weihnachten
Niklas

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Mangels juristischer Expertise kann ich keine Rechtsberatung machen und hoffe das auch hier niemand eine ernsthafte Rechtsberatung anbieten wird. Das wäre schlicht unseriös.

Ich möchte nur zu diesem Punkt etwas sagen

Ich wäre vorsichtig mich dabei auf die BUND Studie oder externe Akteure zu beziehen, denn die Gesamtbilanz des Vorkommens steht nicht notwendigerweise im Widerspruch zur Entscheidung die Kohle unter Lützerath abzubaggern. Es ist schlicht so, dass möglicherweise an anderer Stelle aus logistischen Gründen nicht so effizient die Kohle abgetragen werden kann. Sei es aus Gründen der Bodenbeschaffenheit, der Entfernung zu Verarbeitungsstätten der Zugänglichkeit für schweres Gerät, bereits gelaufenen Vorarbeiten und vielen weiteren Gründen.

Das kann der BUND gar nicht im Einzelnen einschätzen. Nur mit Blick auf die Gesamtbilanz der Vorkommen eines Tagebaus daraus zu schließen an welcher Stelle abgebaut werden sollte, ist auf jeden Fall aus Sicht eines Ingenieurs völliger Unsinn und unterkomplex.

Die Gründe für den Abbau unter Lützerath dürften aus den Unterlagen hervorgehen, die RWE der Landesregierung NRW vorgelegt und diskutiert hat. Ich vermute sie werden überzeugend sein, denn sonst hätten sicher sowohl RWE als auch das Land NRW gern das Kapitel Lützerath, das ein solch großes Mobilisierungspotenzial hat, beendet.

Mal eine ganz banale Frage:

Meines Wissens sind sämtliche Einwohner von Lützerath schon weggezogen und entsprechend entschädigt worden. Die Häuser dort werden also nicht weiter gepflegt und instand gehalten.
Aktuell sollen dort nur noch Teilnehmer an den Protesten die Häuser dort nutzen.

Wenn man sich jetzt durchsetzt und Lützerath wird nicht „weggebaggert“, was soll dann mit diesem Ort passieren? Wer will dort wohnen, wer saniert ggf die Häuser dort?
Oder hat das alles einen rein symbolischen Charakter?

Ja, aber auf beiden Seiten, ist mein Eindruck. Und ich verstehe nicht ganz, warum RWE da so Druck macht. Nach dem was ich mitbekommen habe (Link, ja es ist jetzt nicht völlig unabhängig), muss Lützerath nicht abgebaggert werden. Warum pusht RWE das? Warum sich noch tiefer in die Scheiße reiten, wenn man hier leichte Punkte hinsichtlich image aufpolieren sammeln kann.

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Der Punkt ist doch, dass diese Begründung eine Irreführung der Bevölkerung ist. Claudia Kemfert führt hier [1] ganz gut aus, dass es eben nicht um Versorgungssicherheit sondern um Wirtschaftlichkeit geht. Sprich: Lützerath hat einen Preis, den RWE - hätte man ihn in den Verhandlungen um das Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030 angeboten - vermutlich akzeptiert hätte. Wie viel teurer es gewesen wäre Lützerath zu erhalten weiß ich nicht und will daher auch nicht spekulieren, ob es sinnvoll wäre. Aber mit offenen Karten hätte man hier schon spielen können.

[1]

Ich danke dir, lieber Niklas, dass du diesen Themenvorschlag gemacht hast. (…)
Was ist in jenem Monat passiert? Die schwarz-grüne Landesregierung NRWs hat den Kohleausstieg für NRW auf 2030 vorgezogen. Was zunächst wie eine gute Nachricht klingt (Jippie, nicht 2038) ist letztlich rein strategisch. Es kann stark davon ausgegangen werden, dass das Ende der Braunkohleförderung ohnehin um das Jahr 2030 stattgefunden hätte, da a) Erneuerbare zunehmend günstiger werden b) der Co2 Preis zukünftig steigen wird (1). Dieser Ausstieg wurde im Oktober mit RWE zusammen unter Dach und Fach gebracht. Als Erfolg wurde gefeiert, dass 280 Millionen Tonnen Braunkohle in der Erde bleiben, bei 560 Millionen Tonnen Gesamtvorkommen bedeutet dies, aber dass eine ebenso große Menge noch als CO2 in die Atmosphäre verbrannt wird. Zugleich dürfen Kraftwerke, die Ende des Jahres abgeschaltet werden sollten bis 2024 weiter laufen. Es wird also zunächst sogar mehr Kohle verbrannt und CO2 ausgestoßen, als es planmäßig der Fall gewesen wäre. Es ist fragwürdig, ob durch den Deal mit RWE tatsächlich ein realistisches Einsparpotenzial birgt, da die Bedarfe teilweise auf sehr fragwürdigen Annahmen basieren (2). Schließlich bleibt festzuhalten, dass es letztlich quasi egal ist, ob der Kohleausstieg 2030 oder 2038 erfolgt, wenn dadurch einfach in kürzerer Zeit eine ähnliche Menge an Kohle verbrannt wird. Da RWE die geplante Abschaltung von Kraftwerken ja ins Jahr 2024 verschieben darf und somit nun in kürzerer Zeit sogar mehr Strom aus Braunkohle erzeugen darf lautet die Kritik, dass es in erster Linie darum geht, aus einem in naher Zukunft endgültig unrentablen Geschäft noch schnell so viele Gewinne abzuschöpfen wie es möglich ist.

Im Gegenzug für dieses (für RWE wahrscheinlich komplett schmerzfreie) Einlenken wurde der Abriss des Dorfes Lützerath vereinbart.
@Mike Das Argument, das Lützerath ja mittlerweile unbewohnt ist und das Dorf daher nicht mehr schützenswert ist, ist ein sehr gängiges. Ich glaube hier sollte zum einen beachtet werden, dass die meistens Bewohnenden der Braunkohleregion nicht gerne ihre Heimat verlassen haben. Angesichts der massiven Überlegenheit des Bergrechts, dass einen Einwand gegen eine Enteigung nahezu unmöglich erscheinen lässt haben die meisten Menschen selbstverständlich die von RWE angebotenen Umsiedelungen und Entschädigungen akzeptieren müssen. Im Falle einer Enteignung liegt die für die Enteignung gezahlte Summe meistens deutlich unter der Entschädigungssumme. Zudem stirbt so ein Dorf mit dem zunehmenden Wegzug angesichts des praktisch unausweichlichen Ende des Ortes zunehmen aus, in einem Geisterdorf will schließlich irgendwann auch niemand mehr wohnen. Das Ganze hat weniger mit Freiwilligkeit zu als mit vielen verschiedenen Arten von Druck die von allen Seiten aufgebaut werden. Am Ende lässt sich natürlich trotzdem behaupten, die Leute haben die Entschädigungen akzeptiert und den Ort freiwillig verlassen. Ob sie eine realistische Alternative hatten spielt dabei keine Rolle. Zum anderen hast du natürlich Recht: Der Ort hat einen symbolischen Charakter, wobei ich ihn nicht auf ein Symbol reduzieren würde. Er ist letztlich der letzte Ort, der den Abbaggerungen der Braunkohle im rheinischen Revier im Wege steht. Einerseits liegt unter Lützerath besonders reichlich Braunkohle, andererseits ist ein drum-herum-baggern durch RWE sehr teuer, nervig, und eventuell sogar nur schwer bis nicht durchführbar aufgrund der Abstützung der Grube. Der Ort ist somit tatsächlich in der Lage den Abbau zu beeinträchtigen. Das ist auch das Ziel der Aktivisten, da die Abbaggerung jener genannten Menge an Braunkohle praktisch unvereinbar mit geltendem Recht, nämlich dem 1,5 Grad Ziel ist.

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Genau, das sehe ich auch so. Letztendlich geht es dabei vorwiegend um das einfach verdiente Geld.

Unter Lützerath ist so viel Kohle vergraben, das wir unsere selbst gesteckten CO2 Ziele nicht mehr einhalten können, wenn wir sie verbrennen. Daher halte ich es für einen fatales Signal, den Abbau so einfach zu ermöglichen. Wichtig wäre doch ein klares Statemenet zum selbst gesteckten 1,5 Grad Ziel, mit dem Versprechen, dass alles getan (oder zumindest versucht) wird, dieses Ziel einzuhalten. Das würde doch auch einem profitorientierten Unternehmen wie RWE dazu bewegen, Geld in Zukunft mit den verglichsweise günstigen EE zu verdienen. So hat es den Anschein, dass eigentlich RWE die Spielregeln bestimmt und sie fröhlich weiter fördern können, da sie in der Lage sind, PolitikerInnen immer wieder von der Kohle zu überzeugen.

Auch das Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung kommt in ihrer Studie zum Schluss, das die Kohle unter Lützerath nicht notwendig ist und ich denke man kann erwarten, dass die ordentlich recherchiert haben. Die technischen Daten sind natürlich auch entscheidend, es ist allerdings eine Frage des Willens (und dann bei RWE eine Frage des Geldes). Unter Lützerath ist das Abbaggern leichter, dennoch ist eine Förderung der restlichen Kohle in der bestehenden Grube auch für RWE profitabel. Wäre die Förderung tatsächlich technisch nicht möglich, würde RWE mit den Daten an die Öffentlichkeit, da sie so viel einfacher die Notwendigkeit Lützerath abzubaggern vortragen könnten.

In Lützerath leben dauerhaft knapp 100 Menschen der Klimabewegung und der Ort ist zu einem deutschlandweiten Symbol der Klimabewegung geworden. da die 1,5 Grad Grenze dort real gezeichnet werden kann. Es finden dort zahlreiche Tagungen und Besichtungen statt. Seit der Besetzung waren schon viele Tausend Menschen in Lützerath. Daher würde der Ort nach der Erhaltung von Lützerath garantiert weiter mit Leben gefüllt sein.
Der Erhalt dieses wichtigen Ortes für die Klimabewegung ist auf jeden Fall auch ein symbolischer Kampf. Es wäre ein riesiger Erfolg der Klimabewegung mit Symbolcharakter, wenn der Ort vor der Profitgier des Konzerns RWE gewahrt werden kann. Das würde Hoffnung und Mut machen.
Letztendlich geht es aber mehr um die Zusage (und vor allem die entsprechende Handlung) der Politik, dass alles unternommen wird, um die Erderwärmung zu begrenzen und die fossilen Energien zu stoppen.

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Ich stelle doch gar nicht in Abrede, dass es bilanziell passt. Sicher tut es das. Aber technisch-wirtschaftlich ergibt es eben unter Umständen mehr Sinn Lützerath abzubaggern.

Das ist meiner Meinung nach ein Fehlschluss. Das abbaggern von Lützerath ist RWE nun bereits wiederholt verbindlich versprochen wurden. Gäbe es nun doch ein Verbot muss RWE mit Sicherheit aus Steuergeld entschädigt werden. Schließlich entsteht ihnen ein erheblicher finanzieller Mehraufwand durch eine nachträgliche politische Entscheidung.

Eine ernsthafte Rechtsberatung wird sicherlich niemand anbieten, aber die grundsätzlichen Fragen kann man schon beantworten.

Eine Eintragung in das polizeiliche Führungszeugnis erfolgt bei einer Verurteilung ab 90 Tagen Geldstrafe oder entsprechend mindestens drei Monaten Haftstrafe. Für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wird i.d.R. das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis erforderlich, dies unterscheidet sich aber nur darin, dass bestimmte Straftaten auch bei geringerer Strafhöhe aufgeführt werden, dies betrifft aber nur z.B. Sexualstraftaten, sodass hier keine größere Gefahr im Rahmen einer Demonstration ersichtlich ist.

Die Teilnahme an friedlichen Sitzblockaden wird in aller Regel bei einer nicht vorbestraften Person nicht zu einer Verurteilung in entsprechender Höhe führen, aber garantieren kann man das natürlich nicht. Die Gefahr ist zudem immer, dass so eine Situation schnell eskalieren kann - plötzlich wehrt sich jemand gegen das „weggetragen werden“, die Polizei reagiert darauf ruppig, das wiederum findet man nicht gut und mischt sich ein, im schlimmsten Fall kommt es zu einem Gerangel… und schon kann es ganz schnell zu unschönen juristischen Konsequenzen wegen Widerstandshandlungen kommen. Wenn man daher beruflich auf ein „sauberes“ Führungszeugnis angewiesen ist sollte man sich zumindest bewusst sein, dass man in solche Situationen geraten könnte. Theoretisch gibt die Polizei i.d.R. genug Möglichkeiten, die Sitzblockade selbst aufzulösen und so strafrechtlichen Konsequenzen zu entgehen, aber der Druck ist in so einer Gruppendynamik natürlich auch groß…

Ich würde die Gefahren insgesamt als sehr niedrig ansehen, also es ist eher unwahrscheinlich, dass wegen der Teilnahme bei einer Sitzblockade überhaupt ein Strafverfahren eingeleitet wird und wenn doch, dass dieses nicht gegen Auflagen eingestellt oder mit einer sehr geringen Strafe enden wird. Aber „sehr niedrig“ ist halt immer noch viel, wenn es um die eigene berufliche Zukunft geht.

Also wenn du darauf anspielst, hier eine Rechtfertigung für etwaige Straftaten zu konstruieren, würde ich davor warnen. Grundsätzlich hat die Regierung einen großen Ermessensspielraum, wie sie den CO2-Ausstoß senken will, um das in diversen internationalen Verträgen zugesicherte 1,5°-Ziel zu erreichen. Aus Sicht der Umweltschutzverbände geht der Kohleabbau natürlich gar nicht, aber eine Ermessensreduktion auf Null würde ich hier auch noch nicht annehmen. Und selbst wenn der Staat hier gegen internationale Verträge verstoßen würde, könnte man zwar im Hinblick auf die Verwerflichkeit bei der Nötigung damit argumentieren (wobei Zweifelhaft ist, ob die Gerichte der Argumentation folgen würden), aber spätestens bei Widerstandsdelikten und Hausfriedensbruch gäbe es hier keine Rechtfertigungsmöglichkeiten. Also mit einem rechtfertigenden / entschuldigenden / übergesetzlichen Notstand zu argumentieren ist wenig erfolgversprechend.

Juristisch gesehen sind die Aktionsformen des zivilen Ungehorsams im Hinblick auf Lützerath daher in jedem Fall nicht unproblematisch. Man muss bei derartigem zivilen Ungehorsam bereit sein, die juristischen und damit verbunden auch beruflichen Konsequenzen zu tragen.

Wobei man auch sagen muss, dass es dir niemand übel nehmen wird, wenn du die Aktionen abbrichst, bevor es zu juristischen Konsequenzen kommt. Im Rahmen des Hochschulstreiks 2009 haben auch Leute, die zuvor mit das Audimax besetzt haben, nach der Ankündigung der Univerwaltung, dass sie das Audimax räumen lassen werden, die Aktion beendet - mit der klaren Ansage, dass sie nach dem Studium verbeamtet werden möchten und sich da kein Strafverfahren leisten können. Wer als Aktivist dafür kein Verständnis hat, sollte seine Prioritäten überdenken. Niemand sollte erwarten, dass andere für „die Sache“ ihre berufliche Zukunft opfern.

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@Daniel_K Vielen Dank!