Das finale Ende von Galeria-Kaufhof (Karstadt)

Hallo Lage Team,

vielleicht ist es ein Randthema, aber ich möchte es zum Anlass nehmen, um zwei allgemeinen Themen auf zu greifen.

  1. Die Bürgschaften und Beihilfen des Staates in Unternehmen ohne Zukunftsperspektive
  2. Innenstädte vs. Onlinehandel

Zu 1.
Ich verstehe einfach nicht warum der Staat (Kommunen oder Länder oder Bund) immer wieder Bürgschaften an Unternehmen gibt, wo doch eindeutig keine positive Zukunftsprognose mehr besteht.
Bei Karstadt, Hertie, Galeria ist es sogar mehrfach passiert. Bei Air Berlin, Quelle geschah es und ich könnte noch mehrere Unternehmen aufzählen. Es ist für mich unbegreiflich, warum der Staat sich immer mit Arbeitsplätzen erpressen lässt. Diese Arbeitsplätze sind Zombies, weil die Unternehmen Zombies sind.
Diese Unternehmen hatte immer nur eine positive Prognose, weil das Super Best Case Szenario genommen wurde. Denn alle anderen Szenarien waren negativ über die Jahre. Gibt es wirklich keinen Politiker der sich hinstellen und die Realität verkünden kann?

Zu 2. Der Onlinehandel hat wirklich gegen die Innenstädte gewonnen. Shopping Malls funktionieren halbwegs, aber der wirklich stationäre Einzelhandel hat doch offensichtlich verloren. Sogar die großen Ketten wie P&C kommen in Bedrängnis.
Die Gründe hierfür sind aber auch alle bekannt:

  • Erreichbarkeit/ Geringe Passantenfrequenzen
  • Mietpreise
  • Ladenpreise
  • kleineres Sortiment
  • Service bzw. Beratungsqualität
  • Rückgabe kompliziert

Dazu kommt noch das trotz der hohen Warensendungen der Onlinehandel weniger Klimaschädlich ist als der stationäre Handel. Handelsblatt

Für mich sollten deshalb die Städte dringend über die Umgestaltung der Innenstädte nachdenken, wie zum Beispiel Ladenflächen zu Wohnraum umbauen.

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Meiner Meinung nach bilden Innenstädte schon ein gewisses Herz einer Stadt. Es ist ein Ort, wo Leute sich treffen können, wo neue Leute die Stadt kennenlernen können. Ich weiß nicht, ob es so erstrebenswert ist, dass alle nur noch zu Hause sitzen und online bestellen und es zu gar keinen Begnungen mehr kommt. Ich finde es z.B. in amerikanischen Städten sehr ungünstig, dass es dort keine Fußgängerzonen gibt. Und Innenstädte sind ja nicht nur Geschäfte, die Probleme haben sich über Wasser zu halten, sondern auch Cafes, Bars und Restaurants, wo sich Leute treffen. Und diese profitieren ja auch davon, dass Leute die aus anderen Gründen in die Innenstadt gehen, am Ende trotzdem dort einen Cafe trinken.

Man kann viel an den Innenstädten kritisieren: Dass sie alle nur grau zugepflasterte Wege sind, die überall gleich aussehen, dass es quasi keine Sitzgelegenheiten gibt. Das sie nicht wirklich mit der Zeit gehen. Und ob es wirklich ein Kaufhof braucht ist denke ich auch fraglich. Aber ich denke wir sollten Innenstädte nicht einfach aussterben lassen. Und ich glaube auch nicht, dass die sich von alleine „heilen“ können, wenn die einmal tod sind, dann sind sie tod. Vielleicht kann man ja in den Kaufhof Gebäuden eine indoor Minigolf Anlage packen oder einen Escape-Room oder ein interessantes Museum.

Worauf ich hinaus will ist, wenn wir über eine Umgestaltung nachdenken, sollte es nicht in der Form sein Ladenfläche zu Wohnraum, sondern wie schaffen wir es, dass Innenstädte ein Raum der Begegnung werden können.

Eine kleine Anmerkung zur Klimaschädlichkeit des Onlinehandels: Der online Handel verleitet zu deutlich mehr Konsum, als der lokale Handel, was wiederum negativ ins Gewicht fällt.

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Mal so ein Beispiel: in unserer nächstgrößeren Stadt (rund 20.000 Einwohner) gibt es eine wirklich schöne Fussgängerzone. 2 kleinere Plätze mit Eisdielen und cafe‘s dabei, ein kleiner Brunnen, kostenfreie Parkplätze rund um diese Fussgängerzone.
Aktuell rund 30% Leerstand, zunehmend.

Soll heißen, so eine Innenstadt entwickelt sich nicht von selbst, da braucht es Konzepte, Menschen wie ein Stadtmarketing die sich aktiv kümmern, und Vermieter von Ladenlokalen die mitspielen.
Wenn man dann die richtige Mischung aus Shopping und Entertainment/Gastronomie hinbekommt, funktioniert es.
Aber kein Selbstläufer

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Dafür bräuchte ich ehrlich gesagt einen Nachweis, um das zu glauben.
Ich persönlich kann das kaum einschätzen - ich gehe nur auf Online-Shops, wenn ich etwas kaufen will (also gezielt) und ich gehe auch nur in Kaufhäuser, wenn ich eine spezifische Anschaffung tätigen will. Aber von dem, was ich von anderen, konsumfreudigeren Menschen mitbekomme, scheint es beides gleichermaßen zu geben: Leute, die ständig in Kaufhäusern „bummeln gehen“ und dabei sinnlose Impulskäufe tätigen - und Leute, die das gleiche Online tun. Inwiefern das eine stärker zum Kauf verleiten soll als das andere entzieht sich meiner Vorstellungskraft, aber wie gesagt, ich kann mich in dieses Mindset („Einkaufen um des Einkaufens Willen“) ohnehin nicht hineinversetzen…

Ich denke beides sollte in eine Planung Einzug finden.
Es sollte in der Tat mehr günstige, kommunale Räumlichkeiten für Bürgerinitiativen, Vereine und co. geben, aber wenn wirklich der Großteil des Handels in der Innenstadt durch den Online-Handel obsolet wird, werden trotzdem noch viele ehemalige Verkaufsflächen für Wohnzwecke übrig bleiben.

Lebenswerte Innenstädte bieten eine gute Kombination aus Gastronomie, Unterhaltung, Lebensmitteleinzelhandel und auch einzelne Geschäfte. Meine Idealvorstellung der Innenstadt war noch nie dieser Kommerz-Mist zwischen Kaufhof, Karstadt, H&M und all den anderen Kommerztempeln. Daher würde ich es auch nicht vermissen, wenn dieser Teil der Innenstadt aussterben würde und durch Dinge ersetzt würde, die „Begegnung“ abseits von „Kommerz“ ermöglichen.

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In kleinen Städten geschieht das schon vermehrt, in Großstädten dürfte das meist kaum praktikabel sein.

Ich würde zumindest nur ungern in einer Wohnung auf 120 qm mit der Fensterfläche eines 25 qm Appartments wohnen.
Es mag sicherlich auch Fälle geben wo die Gestaltung der Fläche besser ist aber die meisten Läden die ich da im Kopf habe sehen in unserer Fußgängerzone so aus, da oft das was früher mal Innenhof war mit Laden- und Lagerflächen zugebaut wurde oder das ganze Gebäude gleich rein als Kaufhaus gebaut wurde.
Hier müsste also erstmal auch ein Rückbau der Innenhöfe stattfinden und damit wäre die Wohnfläche wohl dann doch ziemlich teuer und höchstens Interessant, wenn es gar keine anderen Nutzer mehr gibt.

Ich denke auch, dass es eine Chance ist.
Wer sich Kurorte anschaut, gibt es dort immer ein Bürgerzentrum, wo man Schach spielen kann, sich Gruppen einmieten können, man einfach mal etwas entspannen, abschalten und mit Fremden ins Gespräch kommen kann. Zweiter Punkt ist der Klimawandel. Städte erhitzen sich wesentlich mehr als das Umland, weil die Häuser die Wärme speichern. Wir brauchen Bäume in den Städten und Grünflächen. Graue Innenstädte sind heutzutage der Graus für jeden Stadtplaner.
Und Wohnungen kann man ab dem ersten Stock immer einrichten. Da haben sie im Mittelalter keine so schlechte Idee gehabt. An der Straße Geschäfte und Cafés und darüber wohnen die Leute.

Muss ich gestehen, hab dazu keine Zahlen gerade und auch nicht die Resourcen, um das zu nachzuweisen. Ich kann anektoditische Evidenz bieten, von Leuten, die aktuell alle 3 Tage Packete geliefert bekommen und vorher vielleicht alle 2 Monate mal in die Stadt gefahren sind, aber das ist natürlich kein Beweis für einen generellen Trend. Das internet vereinfacht das Kaufen halt drastisch, das heißt Sachen die man sich nach etwas längerem überlegen nicht gekauft hätten, werden heute direkt mit einem Klick gekauft. Aber du hast Recht da ein Fragezeichen hinter zu setzen. Ich denke nur, wenn man Onlinehandel vs. Einzelhandel in Studien vergleicht, sollte man Konsumverhalten als Faktor mit betrachten.

Man braucht halt genügend „Geschäfte“ (Orte, wo sich leute aufhalten wollen), um eine Innenstadt am Leben zu halten. Wenn am Ende noch Fläche übrig bleibt, kann man da natürlich Wohnraum draus machen, aber es sollte nicht die Priorität sein. Die Sache ist noch, dass Kaufhof/Karstadt häufig einen der besten Spots in der Stadt hat, das heißt, da sollte man vermutlich nicht nur Wohnungen reinpacken, sondern was, das die Leute in die Stadt zieht. Vielleicht kann man die oberen Stockwerke in Wohnungen umwandeln.

Aber um meinen eigenen Punkt hier mal zu untergraben, kann man Innenstädte überhaupt retten? Gibt es irgendeine Stadt in Deutschland oder Europa, an der man sich ein Beispiel nehmen könnte, wo die Innenstadt so transformiert wurde, dass sie Leute anzieht, sodass sie sich gerne dort aufhalten? Und ich rede jetzt nicht von Städten mit toller Architektur, weil das ist schlecht auf andere Städte anwendbar. Oder ist es so, dass eigentlich alle Innenstädte zum sterben verdammt sind, weil niemand ein Konzept hat, das funktioniert?

Ich zitiere mal aus diesem Spiegel-Artikel:

Die Frage ist doch generell:
Warum sollten Menschen in ihrer Freizeit in die Innenstädte gehen?
Wenn die Antwort darauf nur „zum Einkaufen“ lautet, läuft doch eh schon was falsch. Das hat für mich dann nichts mit „Gemeinschaft“ zu tun, sondern rein mit einer Konsumgesellschaft. „Zusammen mit tausend anderen Konsumenten durch die Konsumtempel zu bummeln“ ist jedenfalls nicht meine Idealvorstellung von Gemeinschaft, daher ist der Einzelhandel auch nichts, was für Innenstädte mMn wichtig ist.

Was wir in Innenstädten brauchen ist all das, was die Zivilgesellschaft ausmacht, dazu eben Ausgeh- und Unterhaltungsmöglichkeiten (auch eine Form von Konsum, aber zumindest eine, die man tatsächlich „zusammen“ und nicht „nebeneinander“ praktiziert, bei denen sich auch Kontakte zwischen vormals Fremden ergeben können). Und das Ganze sollte natürlich in einem guten Ambiente und Flair eingebettet sein, also die Innenstadt sollte nicht wie ein Ghetto aussehen. That’s all. Da braucht es mMn kein Geheimrezept und weniger Einzelhandel in den Innenstädten ist dafür sogar förderlich.

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Ggf sollten die Geschäfte in Innenstädten den Vorteil ausspielen, den sie gegenüber dem onlinehandel haben: die individuelle und unmittelbare Beratung zum Produkt. Das kompetent und freundlich, wäre ein Anreiz

Ist leider in dem letzten 10 bis 20 Jahren völlig abgestürzt meiner Meinung nach. Höchstens noch in kleineren Spezialgeschäften. Häufig wurde ich sogar falsch beraten nachdem ich es selbst online nachgeprüft hatte ausgiebig. Innenstädte werden meiner Meinung nach erst wieder attraktiver, wenn sie weniger Shopping anbieten. Viele in meinem Umfeld wie ich meiden wegen verkaufsoffener Sonntage und dem Shoppingwahn die Innenstädte.

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Das ist halt nur für das Obere-Mittelklasse und Luxus-Segment rentabel - und dort wird es ja auch noch praktiziert. Ob diese Läden (Designer-Läden, Juweliere usw.) aber Innenstädte wirklich aufwerten würde ich auch bezweifeln.

Sehe ich ähnlich, ich meide generell überfüllte Innenstädte (vor allem z.B. während der Weihnachtsmarktzeit, aber auch sonst) und kann auch nicht nachvollziehen, warum Leute das attraktiv finden. Wenn ich ständig „Schaufensterbummler-und-Rentner-Slalom“ laufen muss, weil ich sonst nur in Schneckengeschwindigkeit durch die Stadt komme, ist das für mich ein Grund, die Innenstadt weiträumig zu umgehen…

Von daher ist mir immer noch nicht wirklich klar, wie eine attraktive Innenstadt aussehen soll. Aus Sicht der Wirtschaft ist es eben die Innenstadt der 80er und 90er, voll mit Warenhäusern, aus Sicht der Konservativen vermutlich eine Altstadt mit möglichst vielen möglichst unveränderten Altbauten (und ohne Obdachlose oder Solaranlagen), aus Sicht des Progressiven eine Stadt voller Freizeit-Angebote und Orte der Zivilgesellschaft (das ist mein Standpunkt) und vermutlich gibt’s noch andere Sichtweisen.

Insofern müsste man erstmal klären, worauf wir als Gesellschaft uns einigen können, wenn es um die Gestaltung der Innenstädte geht. Welchen gemeinsamen Nenner hier Liberale, Grüne, Konservative und Progressive überhaupt finden können. Möglicherweise gibt es hier auch kein „One size fits all“, möglicherweise sieht die ideale Innenstadt für München ganz anders aus als die ideale Innenstadt für Hamburg, Berlin oder Köln… möglicherweise ist es gerade in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet sogar sinnvoll, eine Innenstadt eher „kommerziell“ auszulegen und andere Innenstädte eher „historisch“ und wieder andere eher „kulturell“. Daher gibt es möglicherweise gar kein Idealrezept für „die Innenstädte“

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