Cum-Ex-Justizskandal- wie arbeiten Richter sich ein?

Hallo ans Lage der Nation-Forum,

ich habe gerade den Artikel Richter führte Geheimakten gegen Privatbankier bei der SZ gelesen, bei dem es darum geht, dass hier ein Richter eine umfangreiche „Privatakte“ zu einem vom ihm verhandelten Fall angelegt hat, in der er auch bereits Argumente für eine Verurteilung gesucht hat, bevor es überhaupt eine Anklage gab. Deswegen wurde er als Vorsitzender Richter von dem Fall abberufen.

Dabei habe ich mich gefragt, wie sich ein Richter normalerweise auf eine Verhandlung vorbereitet? Welche Quellen kann oder sollte man als Richter in einem Verfahren heranziehen? Sind das nur die vorgelegten Akten oder auch externe Quellen? Und gibt es dazu irgendwelche Vorschriften?

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Erstmal ein kurzer Artikel über den Fall ohne Paywall

Grundsätzlich reden wir hier über die strafrechtliche Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals, nicht über die steuerverwaltungsrechtliche oder gar zivilrechtliche. Je nach Bereich (Straf- Verwaltungs- oder Zivilrecht) haben Richter jeweils andere Befugnisse. Wir reden hier über das Strafrecht, daher richten sich die Befugnisse und Pflichten nach der Strafprozessordnung (StPO).

Grundsätzlich gilt für den Strafprozess, dass die Ermittlung von Beweismitteln vor Anklage Aufgabe der Staatsanwaltschaft, nicht des im späteren Prozess entscheidenden Richters. Der Richter darf im Prozess dann auch nur für die Dinge Verurteilungen aussprechen, die von der Staatsanwaltschaft angeklagt wurden (§ 155 Abs. 1 StPO: „Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen.“). Es dürfen daher weder zusätzliche Taten, noch zusätzliche Personen verurteilt werden. Für eingriffsintensive Maßnahmen im Ermittlungsstadium (Hausdurchsuchungen, Untersuchungshaft), die eine richterliche Überprüfung benötigen, gibt es eigens Ermittlungsrichter.

Im vorliegenden Fall wurde Anklage bereits erhoben. Der Strafrichter darf - nein, muss sogar - nun auch selbst Beweise erheben bzw. erheben lassen (§ 155 Abs. 2 StPO), wenn er dies für notwendig hält (sog. „Untersuchungsgrundsatz“, dh. im Strafrecht ist der Staat verpflichtet, den Sachverhalt wahrheitsgemäß zu ermitteln, im Gegensatz zum Zivilprozess, wo jede Seite ihre Argumente vorbringen muss und nicht vorgebrachte Argumente auch dann nicht berücksichtigt werden dürfen, wenn dem Richter klar ist, dass diese Argumente vorliegen und zu einer anderen Entscheidung führen würden…).

Insofern ist es grundsätzlich eher unproblematisch, wenn ein Richter nach Anklage selbst Ermittlungen anstellt. Er muss nur höllisch aufpassen, dass man ihm keinen Verfolgungseifer unterstellen kann (oder umgekehrt einen Eifer, entlastende Beweise zu finden). Im vorliegenden Fall hat der Richter sich Unterlagen aus einem anderen Prozess beschaffen lassen - und zwar scheinbar heimlich. Er hat das nicht aktenkundig gemacht und weder der Verteidigung, noch seinen Kollegialrichtern (also den anderen Richtern in der zuständigen Kammer) mitgeteilt.

Das Problem ist hier u.a., dass das Urteil im Strafprozess nur auf den in der Verhandlung vorgebrachten Beweisen beruhen darf (§ 261 StPO: „aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpft“). Wenn hier bereits eine „Privatakte“ erzeugt wurde und Beweismittel bewusst nicht der mündlichen Verhandlung zugeführt wurden, ist es sehr fraglich, wie der sogenannte Unmittelbarkeitsgrundsatz erfüllt werden soll. Es wirkt viel mehr so, als plane der Richter, sein Urteil auf gerade nicht in die Verhandlung eingebrachten Beweisen stützen zu wollen.

Daher ist in diesem Fall meines Erachtens relativ unstrittig, dass der Richter wegen Befangenheit ausgetauscht werden musste. Denn dafür braucht es keinen Beweis der Befangenheit, alleine der Eindruck, dass der Richter befangen sein könnte, genügt. Und dieser Eindruck besteht hier in jedem Fall.

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Leider ziehen sich die Verfahren und nach letzten Berichten könnte man sogar den Eindruck bekommen, dass die Justiz hier bei einer Effizienten und tiefgreifenden Aufklärung und Ahndung behindert werden soll.

So könnte man interpretieren, dass die bisherige Staatsanwältin Borohilker ein Teil der Fälle entzogen werden sollen.

Quelle: Cum-Ex-Skandal: Streit über heimliche Entmachtung der Staatsanwältin | tagesschau.de

Hier würde mich die Einschätzung aus Sicht eines Richters interessieren.
Ist es besser die Arbeit zu verteilen, oder ist hier die Expertise höher einzuschätzen?

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In der SZ gab es gestern einen Artikel dazu

„Ich habe die Uhr auf null gestellt“, sagte Limbach am Montag der SZ. „Die vielfältige Kritik hat mich nachdenklich gemacht.“[…] Seine größte Sorge sei es gewesen, „dass Verfahren verjähren und es deshalb nicht zu Anklagen kommt und dass das Geld, das dem Staat zusteht, nicht eingezogen“ werde.

Nun gebe es ein Schwarz-rot-grünes Trio aus Peter Biesenbach, Norbert Walter-Borjans und Gerhard Schick (letzterer hat den Verein Finanzwende gegründet und 60.000 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt)
Im Moment sind es knapp unter 75.000
Statt Frau Brorhilker Fälle wegzunehmen, empfehlen sie, die Staatsanwälte von 32 auf 50 aufzustocken.

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Leider hinter der Paywall. Hier ein DPA Artikel der in der FAZ veröffentlicht wurde. Ich denke der Inhalt ist ähnlich.

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