Covid Bewertung von Augstein

Post von Augstein

Fortgeworfen vom Staat

Eine Kolumne von Franziska Augstein

Grundrechte außer Kraft, Alte isoliert, Kinder ohne Bildung: Wie Covid-19 die Werte beschädigt, die das deutsche Gemeinwesen ausmachen.

09.01.2021, 17.59 Uhr

Lieber Philip, Lieber Ulf,

mit Entsetzen musste ich im Spiegel die COVID Bewertung von Frau Augstein lesen:
Ich empfinde als ein „an der Front tätiger“ die Darstellung als gefährliche und respektlose Polarisierung und Polemik!
Falschaussagen zu vermeintlichen Grundrechtseinschränkungen, Vorwürfe die von Euch bereits hinreichend widerlegt worden sind, reihen sich ein in Drosten Schelte und schlecht recherchierte Behauptungen zur Rolle der Schüler im Pandemiegeschehen. Und kein würdevolles Wort für die Verstorbenen! Ich wünsche mir einen sachlichen Diskurs über differierende Meinungen und bin mir bewusst, dass die Maßnahmen eine furchtbare Kehrseite der Medaille haben (neben der Rezession soziale Isolation, Zunahme an Depressionen, Eßstöhrungen, häusliche Gewalt, Bildungsmangel vorwiegend niedriger Bildungsschichten…). Mit keinem Wort würdigt sie die reelle Gefahr, anscheinend gibt es in ihrem persönlichen Umfeld keine Erkrankten oder Verstorbenen…
Ich würde mich sehr freuen Ihr würdet den Artikel mit von Euch gewohnt gutem Journalismus einordnen und kommentieren!

Vielen Grüße und ganz herzlichen Dank,

Martin

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Ich habe mich auch geärgert, aber leider gibt es eine Reihe von Intellektuellen beiderlei Geschlechts, die bei dem völlig richtigen Bemühen um Einordnung und kritische Begleitung der Politik ziemlich abgleiten. Wenn ich Sätze wie diese lese:

Die Mehrheit der Bundesbürger findet es völlig in Ordnung, dass Grundrechte über die Köpfe ihrer Abgeordneten im Bundestag hinweg außer Kraft gesetzt werden, dass also die deutsche Demokratie partiell außer Kraft gesetzt wird.

dann muss ich sagen: sachlich falsch, moralisch völlig unverantwortlich. Offensichtlich ist das Streben nach persönlicher Profilierung so stark, dass manchen Menschen ziemlich egal ist, welchen Kollateralschaden für unsere demokratische Kultur und die Akzeptanz unserer Verfassungsordnung sie anrichten. Augstein redet sogar allen Ernstes von einer „Verfassungskrise“. Wie bitte? Ist der Bundestag aufgelöst, gibt es keine Kanzlerin mehr, hat sich Bayern abgespalten?

Besonders negativ fällt in diesem Kontext zB auch Juli Zeh auf, die ich eigentlich schätze, die aber im Kontext von Corona auch immer wieder die Sau von der Gefährdung der Freiheit durchs Dorf treibt.

Ich denke in diesen Tagen muss man sehr genau hinschauen: ja, es gibt massive Einschränkung von Grundrechten. Ja, manche dieser Entscheidungen sind fragwürdig, weil sie teils zu lasch sind, beispielsweise wenn es um fehlende Beschränkungen am Arbeitsplatz geht, und teilweise übers Ziel hinaus schießen, wie das Verbot von Demonstrationen im Frühjahr. Das sind aber politische Fehlentscheidungen, über die man politisch diskutieren muss. Unsere Demokratie oder unsere freiheitliche Ordnung als solche bedrohen sie aber überhaupt nicht - schon deshalb, weil sie mit der Pandemie wieder verschwinden werden. Wirklich gefährlich für unsere demokratische Kultur sind nur die Schwurbler_innen, die heute schon das Ende der Demokratie oder des Grundgesetzes heraufbeschwören.

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Da stimme ich Dir zu!
Gerade auch bei Juli Zeh blutet mir das Herz, dabei hat sie mit „Corpus delicti“ dieses Thema schon vor einiger Zeit behandelt… und das nicht schlecht!