Covid-19: 7-Tage-Inzidenz und Impfquote: Dreht der Zusammenhang sich um?

Hallo ihr Lieben,

die beiden unten angehängten Bilder habe ich aus RKI Daten erstellt. Das erste, vom 23. November, lief letztes Jahr in den Medien rauf und runter. Es wurde Kausalität bescheinigt; wer mehr impft, hat kleinere Fallzahlen.
Das untere Bild, mit Daten von Dienstag, habe ich noch nicht in den Nachrichten gesehen ;). Es zeigt sich eine gegensätzliche Korrelation.

Ist dies ein weitere typischer Fall von Korrelation versus Kausalität, der in der Lage schon des öfteren diskutiert wurde? Deutet die Beobachtung darauf hin, dass wir die 7-Tage-Inzidenz endgültig in die Tonne hauen sollten ;)? Und warum wird dieses Bild nirgends gezeigt und diskutiert?

Ich freue mich über Erklärungsvorschläge und eine Diskussion. Vielleicht ist die Erklärung einfach, dann gerne her damit :).

Liebe Grüße

Julian

PS: Wenn man die Übersterblichkeit auf die y-Achse plottet, bleibt es natürlich auch heute bei einer negativen Korrelation. Ich frage mich einfach, wie sich das Verhältnis von Impfquote und Inzidenz so stark drehen konnte…

Nehmen wir mal an, deine 2. Grafik (18.1.) stimmt.

Was würde das bedeuten? Dass Impfungen nicht nur, in sehr seltenen Fällen, Impfkomplikationen ergeben, sondern sogar das man durch die Impfung leichter Corona bekommen kann?
Obwohl es sich nicht um einen klassischen Tot-Impfstoffe handelt, sondern sogar um mRNA-Impfstoff, bei dem eben keine inaktiven, echten Viren gespritzt werden, sondern quasi nur eine Art Eiweiß-„Fingerprint“ des Virus?

Aber davon mal abgesehen, du stellst hier 2 Grafiken gegeneinander und suggerierst, die 2. wäre richtig und die erste falsch. Wie kommst du darauf? Wenn Fehler in den Daten der ersten Grafik wären, warum dann nicht in den Daten der 2. Grafik?
Haben wir im neuen Jahr neue Software eingeführt? Haben die Gesundheitsämter mehr Leute eingestellt? Was macht die 2. Grafik so viel besser?

Omikron hat halt zuerst im Norden begonnen, wo die Impfquote recht hoch ist. In Dänemark war Omikron ja schon früher dominant als in Deutschland. Hätte die Omikron-Welle im Osten angefangen, dann wäre der Zusammenhang gleich geblieben. Aufgrund des hohen Immunescapes von Omikron ist die Impfquote für die Inzidenz eh nicht so relevant. Die Unterschiede sieht man nur bei den Hospitalisierungen. Die ist in Ländern mit niedriger Impfquote wie den USA höher als in den Ländern mit höherer Impfquote wie Großbritannien.

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Da Geimpfte mehr Kontakte oder durch 2G(+) zumindest viel mehr Möglichkeiten (sich anzustecken) haben, könnte auch dies dafür verantwortlich sein, dass im Verhältnis zur Impfquote die Infektionszahlen in den beiden Bevölkerungsgruppen in etwa gleich sind.
Daraus zu lesen die Impfung bringt nichts oder schadet gar, ist eigentlich nicht logisch.
Eher: Obwohl Geimpfte mehr am öffentlichen Leben teilnehmen, sind die Infektionszahlen nicht höher.

Bei den Krankenhauseinweisungen, mehr noch bei den Intensivpatienten und Coronatoten sieht man dann auch „auf den ersten Blick“, dass die Geimpften verhältnismäßig weniger der Patienten ausmachen.

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Beide Grafiken stimmen, habe es natürlich mehrfach kontrolliert. Falls es so rüber kommt als würde ich behaupten, dass die erste falsch wäre, tur mir das leid. Das ist nicht mein Punkt.

Mir geht es darum, ob es kausale Gründe „im Hintergrund“ gibt, sogenannte Confounding Variable, die Inzidenz und Impfquote beeinflussen, was zu diesen komplett unterschiedlichen Korrelationen führt. Als Beispiel hier mal ein grandios schlechter Artikel aus Focus Online ;).

Vor allem zeigt es natürlich, dass die Maßnahmen in Sachsen wirken.
Bei den Inzidenzen oben sind Berlin, Bremen, Hamburg.
Alles Stadtstaaten. Und omikron verbreitet sich in Städten natürlich schneller. Danach kommt Brandenburg, dessen Inzidenzverhältnis sogar gesunken ist (1,31 vom Durchschnitt zu 1,43).
Danach kommt Schleswig-Holstein, die anscheinend von Dänemark her überrollt worden sind.
Ich wünsche Sachsen, dass die Pessimisten sich irren und ihm nicht das gleiche blüht mit wesentlich schlimmerem Ausgang.

Die Hospitalisierungsrate ist übrigens in Berlin vom 22.11. zum 18.01. um 20% gesunken, in Hamburg um 12%, in Bremen leider von 6,76 auf 13,82 verdoppelt. Brandenburg minus 68%, Schleswig-Holstein mit +4% recht konstant (Sachsen minus 87%, Thüringen minus 82%, Bayern minus 80%).

Eigentlich hast du selbst die Erklärung für die Unterschiedlichkeit der Grafiken schon geliefert: Korrelation ≠ Kausalität. Der Verweis auf den Artikel bei Focus online sollte dies mehr als deutlich machen – wobei nicht der Artikel an sich schlecht ist, sondern die dahinter liegende ‚Studie‘, die leider auch als solche verkauft wird. Negativbeispiele aus der medizinischen ‚Forschung‘ gibt es hierzu leider zuhauf und werden medial in aller Regel nie kritisch eingeordnet, was vermutlich auch den mangelnden Methodik- und Statistikkenntnissen geschuldet ist oder der Tatsache, dass keine Wissenschaftsjournalisten am Werk sind (oder die PR-Maschine gut funktioniert hat).

Vor kurzem geisterte eine angeblich bahnbrechende Erkenntnis durch die Medien, wonach es einen Zusammenhang zwischen EBV und der Ausbildung von Multipler Sklerose gibt. Ja, es gibt in dieser Untersuchung eine starke Korrelation; unbeantwortet bleibt die – viel interessantere und wichtigere – Frage, ob das Virus ursächlich für MS ist. Kritische Reflexion der verwendeten Methoden? Aussagen zur Limitation? Eher Fehlanzeige.

Es gibt Gruppen, in denen dieses Bild sehr häufig gezeigt und geteilt wird, allerdings ohne die notwendige Einordnung. Der Hauptgrund wurde hier schon genannt. Während Abb. 1 einen Zusammenhang bei der Deltavariante zeigt, zeigt Abb. 2 einen Zusammenhang in der Omikron-Welle. Da wir es bei Omikron mit einer vollständigen Immunescape-Variante zu tun haben, schützt die Impfung so gut wie gar nicht vor Ansteckung/Übertragung, das erklärt auch die hohen Inzidenzen in z. B. HB. Hintergrundvariable (wenn nicht sogar auch eine Störvariable) dürfte zudem die Mobilität Geimpfter sein, die sich tendenziell eher ‚sicherer‘ fühlen und dadurch mehr Kontakte haben/zulassen. Ich bin seit Tagen und Wochen verwundert über die Verwunderung über diese Tatsachen, die leider medial auch immer wieder verzerrt, zumindest aber suggestiv dargestellt, und eben nie gut eingeordnet werden. Dazu gehört die Aussage

Damit ist auch klar, was eine mögliche Störvariable ist, nämlich die Fähigkeit der Impfung, Viruslast und Ansteckung zu reduzieren. Gedankenexperiment: Würde die Impfung gegen SARS-CoV-2 zu einer sterilen Immunität führen, würde das Virus also aufgrund der Impfung nicht mehr zirkulieren, sondern käme vollständig zum Stillstand, dann gäbe es einen vollständig perfekten Zusammenhang zwischen diesen Variablen. Eine weitere Konfundierung ergibt sich aus der Tatsache der verwendeten Tests und deren Anzahl, jene werden nämlich selektiv bzw. anlassbezogen durchgeführt. Entscheidend ist also u. a. auch die Positivrate.
Was hier als ‚Inzidenz‘ dargestellt ist, ist mittlerweile ja ohnehin nur noch eine ‚Meldeinzidenz‘ (was es auch immer schon war), da etwa die Dunkelziffer viel höher liegen dürfte. Das heißt m. E. auch, dass die Meldeinzidenz schon seit längerer Zeit kein geeigneter Faktor für die Beurteilung der Lage mehr sein kann, weshalb ich nicht verstehe, warum wir immer noch von „Inzidenz“ sprechen, da diese Größe epidemiologisch klar definiert ist. Das Problem wird noch viruelenter, wenn wir die PCRs priorisieren und generell eine geringere/beschränkte Testkapazität haben. Juristisch ist es überaus problematisch, wenn Freiheitseinschränkungen an dem Fakt hängen, ob ich einen positiven PCR-Nachweis bekomme („Genesenenstatus“ bzw. Status 2G+ bei doppelter Impfung und natürlicher Boosterung durch Infektion), sollte ich bspw. nicht im medizinischen Bereich arbeiten und daher kein PCR-Test für mich vorgesehen ist.

Persönliche Vorhersage: Da es in einigen Bundesländern, etwa Sachsen, Bayern und Thüringen, sehr strenge Maßnahmen, Kontaktbeschränkungen etc. aufgrund der Delta-Welle gab, ist die Meldeinzidenz trotz geringer Impfquote sehr stark gesunken. Da Omikron sich in diesen BL noch nicht vollständig durchgesetzt hat, spürt man dies auch nicht in den Meldezahlen. Das wird aber bald passieren, da die Impfquote etwa in Sachsen überschaubar ist. Daher werden die Hospitalisierungen sicherlich wieder zunehmen, sobald Omikron sich durchgesetzt hat. Da kommt es ganz gelegen, dass der MP inzwischen offenbar einen etwas lockeren Kurs fährt… Und der ewige Corona-Kreislauf beginnt von vorn.

Fazit: Da sehr viele Variablen das (aktuelle) Infektionsgeschehen beeinflussen (z. B. auch der AfD-Wähleranteil), ist die Korrelation zwischen 7d-Inzidenz und Impfquote großer Murks und sollte dringend unterlassen werden.

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Man sollte sich wegen der derzeit sinkenden Covid Patienten auf den Intensivstationen auch nicht zu sehr in Sicherheit wiegen. Die Inzidenz ist bisher besonders hoch in Bundesländern, die eine hohe Impfquote haben. Dazu kommt, dass die Inzidenz bisher besonders hoch in den jungen Jahrgängen ist. Bei den über 60 jährigen haben wir noch nicht die Höchstinzidenz der Delta Welle erreicht (Stand KW2). Und höherere Inzidenz sind ohnehin bei Omikron möglich, da die Impfungen in den letzten Monaten gut vorangekommen sind und Omikron stärker Geimpfte infiziert.

Die Zahl der Omikron Patienten auf den Intensivstationen wird bereits steigen, aber die wird noch durch die abnehmende Zahl der Delta Patienten überlagert. Interessant wäre eine Unterscheidung nach Delta und Omikron Patienten um die Lage besser einschätzen zu können.