Corona-Maßnahmen Eigenverantwortung vs. Verbote

Egal welche politische Ebene betrachtet wird, EU, BRD, die einzelnen Bundeländer, Landkreise oder Orte; überall gibt es andere Regeln, Vorgaben, Empfehlungen und Verbote.
Überall gelten andere Schwellenwerte, Ampeln und herangezogene Kennzahlen.

Das bedeutet ganz konkrett:
_ jede Organisationseinheit macht was sie für richtig hält
_ es gibt nur ein geringes standardisiertes Vorgehen
_ es kann nur schwer überprüft werden welche Maßnahme wie erfolgreich ist

Die Infizierten- und Todeszahlen lassen erschaudern. Alles Einzelschiksale die mit großem Leid und ggf. Verlust durch Tod von Angehörigen verbunden sind!
Trotzdem stellen sich mir mehrere Fragen und möchte die Forums-Meinung dazu wissen.

Frage 1:
Was ist gesamtgesellschaftlich schlimmer und verursacht mehr „Leid“?
Die Schäden einer kaputten Wirtschaft, abgehängten Schülern aus bildungsfernen Schichten, soziale Schieflagen, Zunahme von häuslicher Gewalt, enormen Schuldenbergen etc. pp. oder die zusätzlichen Corona-Toten. Denke dabei an die Aussage „Schaden vom deutschen Volk abwenden“.
Zur Vollständigkeit: In Deutschland gibt es pro Jahr zwischen 850k und 950k Sterbefälle.
Quelle: Sterbefälle in Deutschland bis 2021 | Statista

Frage 2:
Wie viel Eigenverantwortung darf verlangt werden oder geht es nur über Verbote?
Als Vernunftsmensch ist klar:
_ ich bin 30 Jahre alt, ohne Vorerkrankungen; meine Todeswahrscheinlichkeit durch Covid ist irgendwo im kleiner als 1%-Bereich.
_ meine Oma (85 Jahre, ein Bypass) ihat eine Todeswahrscheinlichkeit von 10%
_ wenn ich Oma besuche, riskiere ich ihre Ansteckung und Tod

Frage 3:
Dieser Gedanke weiter gedacht führt zu der Erkenntnis dass alles (im persönlichen Einflussbereich liegende) getan werden muss um die Gesellschaft zu schützen.
Aus welchen Gründen wird die Eigenverantwortung (permanentes Tragen eines Mundschutz, Sicherheitsabstand halten, Verzicht auf Restaurantbesuche, usw) vernachlässigt.
Ist es Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit oder was denkt ihr dazu?

Beste Grüsse
Peter

Das ist ein Scheinwiderspruch. In anderen Staaten, z.B. in Ostasien, hat man mit sehr harten und nicht frühzeitig wieder gelockerten Maßnahmen die Pandemie lokal ausgerottet und haut auf jeden lokalen Ausbruch weiterhin mit maximaler Effizienz drauf. Als Ergebnis hat sich die Wirtschaft viel schneller wieder erholt und das Alltagsleben normalisiert als bei uns, wo die Politik beim ersten zaghaften Gejammer sofort nachgegeben hat und dann bis zur absoluten Vollkatastrophe gezögert hat, bevor überhaupt wieder irgendein klitzekleines bisschen unternommen wurde.

Und was „abgehängte Schüler aus bildungsfernen Schichten“, soziale Schieflagen und häusliche Gewalt angeht, sei mir die zynische Bermerkung erlaubt, dass das vor Corona in der Politik auch niemanden interessiert hat.

Sich auf „Eigenverantwortung“ zu verlassen führt immer dazu, dass rücksichtslose Menschen sich persönliche Vorteile auf Kosten der vernünftigen verschaffen können und dies auch tun. Ob das nun irgendwelche „freiwilligen Vereinbarungen mit der Wirtschaft“ über Ziele im Umwelt- oder Arbeitsschutz sind, die niemals erfüllt werden, weil die Firmen einen Marktvorteil haben, die sich eben nicht daran halten, oder jetzt mit Corona.

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Frage 1 - Ich finde die Frage unglücklich gestellt, denn es werden (mal wieder) „nur“ die Coronatoten den Schäden durch Einschränkungen gegenübergestellt. Wenn da schon etwas gegenübergestellt werden soll, sollte man wenigstens die Langzeitschäden der Krankheit mit einbeziehen, wenn nicht gar die psychologischen Folgen von Krankenhausaufenthalt, Quarantäne oder den Schuldgefühlen/-zuweisungen, jemanden angesteckt zu haben. Da man das genauso wenig überblicken/pauschalisieren kann, wie die Auswirkungen der Einschränkungen geht die Frage am Ende im Kreis bzw. ins Leere.

Frage 2: Grundsätzlich halte ich die Mehrheit meiner Mitmenschen für ausreichend verantwortungsbewusst, um mit einem derartigen Virus umzugehen. Allerdings befinden wir uns in einem sehr kapitalistisch orientierten System. Sprich: Die meisten würden gerne von zu Hause arbeiten oder ihre Kinder selbst betreuen, sind aber andererseits von ihrem Job abhängig oder die Kinder eben schulpflichtig und können das nicht frei entscheiden. Da gibt es viele Einflüsse/Zwänge, die dem verantwortungsbewussten Handeln entgegenstehen.

Frage 3: Man kann sich auch ohne verantwortungsloses/fahrlässiges Handeln anstecken oder das Virus weitertragen beim Einkaufen, bei der Arbeit, im ÖPNV… es ist weder Bequemlichkeit noch Gleichgültigkeit, sondern die entgegenstehenden Zwänge. (S. Frage 2)

Das gilt natürlich nicht für alle Menschen. Es gibt garantiert auch einige, die die Infektionszahlen durch Fehlverhalten aufgrund von Fehleinschätzung des Risikos hochtreiben und auch solche, denen die Einschränkungen schlicht zu viel Angst machen, um sie gewissenhaft umzusetzen. Aber ich halte diese Gruppe für deutlich kleiner.

Aus meiner Sicht müssen wir verhindern, dass Menschen an Corona sterben. Ich selbst erlebe auch die Einschränkungen, war von Kurzarbeit betroffen, meine Kinder haben auch Nachteile wegen den Einschränkungen in der Schule, etc. Aber alles finde ich nicht so schlimm wie dass ein geliebter Onkel von mir an Corona gestorben ist, der noch ziemlich rüstig war. Und wenn als nächstes meine Mutter dran ist?

Schweden hat vor allem auf Eigenverantwortung gesetzt und da sieht es gar nicht gut aus. Auch bei unserem „Lockdown Light“ wurde ja zusätzlich an die Eigenverantwortung apelliert, die Kontakte darüber hinaus zu beschränken und es hat nicht den gewünschten Effekt gebracht. Ich fürchte, es geht nur über Verbote.

Aus meiner Sicht hat das zwei Gründe:

  1. Die Menschen begreifen erst die Bedrohung durch Corona, wenn sie persönlich betroffen sind.

  2. Einige fragwürdige Entscheidungen der Politik tragen nicht gerade dazu bei, dass man die Regeln einsieht. Ich ärgere mich sehr, dass man beim Lockdown Light die Arbeitgeber nicht in die Pflicht genommen hat, die Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken (wo es möglich ist). So wurde munter weiter im Großraumbüro gearbeitet. Und das obwohl statistisch der Arbeitsbereich zu den häufigsten Infektionsorten gehört. Und warum in den Schulen weiter der Sportunterricht stattfand oder die Ballettschulen offen blieben (alles natürlich ohne Maske) verstehe ich auch nicht.

Viele Grüße,
Marty

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Ich halte das für eine Einengnung der Diskussion, die wissenschaftlich nicht gedeckt ist. Es wird ein scheinbarer Widerspruch zwischen Zielen aufgebaut, die real nicht existieren. Guter Infektionsschutz sorgt für eine gute Wirtschaft. Genauso ist instrumentell guter Umweltschutz ist ebenso gut für die Wirtschaft und ein niedrigeres Tempolimit sorgt (in vielen Fällen) für flüssigeren Verkehr.

Es stimmt ja das manche Gruppen deutlich mehr abverlangt wird, durch (wirksame) Maßnahmen. Aber das heißt auch - je eher diese Maßnahmen ergriffen werden, desto mehr hilft es ihnen. Auch muss man natürlich die Folgen einbeziehen - manchmal kann es dann weniger intensive Eingriffe geben. Aber keine Regeln werden das Leid wohl deutlich vergrößern.