Corona im Rettungsdienst

Hallo zusammen,

Ich arbeite seit kurzem im Rettungsdienst als Rettungssanitäter und wollte hier die Gelegenheit nutzen zu erzählen, wie teilweise erschreckend sich die Arbeit geändert hat. Im Gegensatz zu den Verhältnissen im Pflegeheimen wird darüber leider kaum berichtet.

Kurz eine Darstellung vom Alltag: In meinem Einsatzgebiet habe ich etwa 4-5 Einsätze pro Schicht. Damit treffe ich einige Patienten (oft Vorerkrankt also fraglich Risikoguppe), Pflegepersonal in Krankenhäusern und Heimen und natürlich Angehörige. Damit sind wir ganz schöne Drecksschleudern was Viren angeht und das an den kritischsten Stellen.

Um uns und die Patienten zu schützen gibt es selbstverständlich Vorschriften die aber auch Folgen auf die Qualität unserer Arbeit haben.

  • Persönliche Schutzausrüstung: bei nur einem Verdacht auf eine Infektion, heißt Fieber reicht, tragen wir Kittel, Handschuhe Schutzbrille, Visier und FFP2… Das anzuziehen dauert aber immer einige Minuten und kann hinderlich sein bei der Arbeit. 10 Minuten Hilfsfrist wird so immer schwieriger einzuhalte. Aber es gibt auch die Einsätze ohne Verdacht oder Zeit die Ausrüstung anzuziehen. Bei einer Reanimation vor einigen Tagen hatten wir z.B. Nicht die Zeit die volle Montur anzuziehen. Das eine Infektionsgefahr bei Herzdruckmassage über eine halbe Stunde besteht, ist wohl offensichtlich. Von den Transporten bei denen erst im Nachhinein die Infektionsgefahr festgestellt wird, garnicht zu sprechen.

-Aufbereitungs Zeit: Nach jedem Verdacht auf Infektionsfahrt wird das gesamte Auto desinfiziert. Durch diese aufwendige Aufbereitung, hat sich die Zeit in der die Einsatzmittel nicht zur Verfügung stehen in unserem Unternehmen fast vervierfacht zum letzten Jahr.

-Tests und Impfung : Bei uns finden kaum Tests statt. Viele Testen sich aus eigener Tasche. Nachvollziehen kann ich das nicht, gerade wegen der vielen kritischen Kontakte im Alltag. In unserem Landkreis arbeiten zwar sehr viele neben dem Rettungsdienst auch in den Impfzenten mit, geimpft wurde aber noch keiner.

-Transport? : Im Gegensatz zu vor der Krise empfehlen wir den meisten sich vom Hausarzt behandeln zu lassen. In die Klinik kommt nur, wer wirklich muss. Dort ist die Gefahr, dass man sich Ansteckt, einfach sehr hoch; die Kliniken sind überlastet und der Patient wird dort auch keinen Spaß haben. So kommt es vor, dass man in einer Schicht sogar alle daheim lässt und manche Krankenhäuser abgemeldet sind, also für uns nicht anfahrbar sind.

-Personal: Falls dann einmal auf einer Wache, wo nunmal 3 Autos trotz Entzerrung der Rettungsmittel stehen, Corona die Runde machen sollte und die ganzen Besatzungen in Quarantäne müssten, zweifel ich stark an, dass alle Fahrzeuge richtig besetzt werden können. Bei uns gab es da zum Glück noch keine Größeren Ausfälle(Da unser Personal aber jung und ungetestet ist, ist es auch möglich das viel Symptomfrei verschleppt würde).

-Kleidung: Im Sinne der Hygiene wäre es sinnvoll regelmäßig die Klamotten zu wechseln, gerade nach Infektionsfahrten. Logistisch ist das jedoch nicht immer möglich, da die Wäsche nicht rechtzeitig zurück kommt. So soll es schon so weit gekommen sein, dass nach den Feiertagen Leute aufgefordert wurden in Privatkleidung zu arbeiten. Ein absolutes No-Go. Belegen kann ich das nicht, sorry…

Das alles ist allerdings nur meine Erfahrung aus einem Unternehmen in einem Landkreis und der Gerüchteküche auf den Wachen. Der Rettungsdienst hat lokal sehr große Unterschiede, obwohl ich denke, dass das meiste was ich beschrieben habe, überall so ist, würde mich eine Rückmeldung freuen, wie es bei andern so läuft. In den Medien wird darüber fast garnicht berichtet, obwohl es ein sehr wichtiger Arbeitsplatz ist.

Bleibt gesund!

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Danke für deinen ausführlichen Beitrag! Ich finde das nicht zuletzt deswegen sehr spannend, weil ich selbst im Rettungsdienst meinen Zivildienst geleistet habe und mich daher ganz gut hineinfühlen kann, auch wenn es natürlich inzwischen einige Jahre her ist.

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