Cookie-Einstellungen und "berechtigtes Interesse"

Seit Jahren habe ich die Süddeutsche abonniert, doch manchmal nutze ich auch das online-Angebot. Da ist es mir zuerst aufgefallen. Legt man bei der SZ los, so muss man zu erst die Cookie-Einstellungen akzeptieren. Man scrollt zur Sicherheit kurz drüber, alles aus – bis auf die technisch notwenigen, also Einstellungen speichern. Und damit hängt man am Fliegenfänger, denn seit einiger Zeit gibt es einen Reiter „berechtigtes Interesse“ und auf dem wird für personalisierte Werbung und Analyse das Scheunentor geöffnet. Dieses „berechtigte Interesse“ taucht auch auf vielen anderen Seiten auf, mehr oder weniger versteckt. (Google und die zugehörigen Unternehmen wären hier ein ganz eigenes Thema…) Ich habe mich im Freundes-/Bekanntenkreis umgehört. Keinem ist/war das bisher aufgefallen oder war sich über die daraus entstehenden Konsequenzen bewusst. Alle dachten, sie hätten die Cookies ausgeschalten…

Nun meine Fragen: Seit wann gibt es dieses „berechtigte Interesse“? Ist es in dieser Form zulässig oder wurde das nur noch nicht geprüft? Müsste es nicht deutlicher gekennzeichnet werden, dass man hier zulässt, was man ausgeschaltet glaubte? Wie passt das zur DSGVO?

Es würde mich freuen, wenn ich euch für dieses Thema begeistern könnte. :blush:

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Ich habe das auch entdeckt. Heise hat da eine Reihe von Artikeln veröffentlicht die sich damit beschäftigen:

Besonders entlarvend empfand ich folgenden Auszug aus Online Ad Summit: Was tun ohne Cookies? | heise online

Dass diese gerne auf die Datenweitergabe verzichten wollen, musste etwa der Werbevermarkter Stroer in Feldversuchen feststellen, wie der zuständige Manager Torsten Topaloglu bei der Online-Veranstaltung erläuterte. So hätten weiter weniger als die Hälfte der Nutzer in den ersten Versuchen ihre Zustimmung gegeben.
Nachdem der Consent-Banner aber nach und nach angepasst wurde – zum Beispiel wurde ein Schließen-Button entfernt, der das einfache Ablehnen möglich machte – erreichte Stroer schließlich Zustimmungsraten von über 80 Prozent. Allerdings kann sich Stroer hierbei kaum noch auf informierte Zustimmung berufen: Der Button zum Ablehnen der Datenweitergabe wurde im Designprozess immer weiter versteckt und die Nutzer müssen sich erst durch ein unübersichtliches Options-Menü klicken, damit sie zumindest einigen Datennutzungen widersprechen können.

Es geht schlicht darum dem Nutzer Cookies aufzudrängen um jeden Preis.
Dabei ist mir schleierhaft warum personalisierte Werbung (welche meiner Erfahrung nach echt selten ansprechend ist) besser sein sollte als Inhaltsbezogene Werbung, welche ohne lästigen Cookie Machtkampf möglich wäre. Also z.B. bezogen auf die Community Interessen oder Inhalte von Zeitungsartikeln.

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Ich finde leider generell, dass die Nutzung des Internets seit der letzten Welle an neuen „Cookie-Einstellungs-Overlays“ anstrengender geworden ist.

Diese Einstellungsdialoge sind jetzt häufig extrem manipulativ gestaltet, z.B. dadurch, dass der Button für „Nur das nötigste akzeptieren“ grau und unscheinbar dargestellt wird, der für „Alles akzeptieren“ in einer knalligen Farbe. Mir passiert es selbst manchmal, dass ich den Mauszeiger schon versehentlich auf dem falschen Button habe. Außerdem ist für „Alles akzeptieren“ meist nur ein Klick erforderlich, um nur das Nötigste zu akzeptieren, sind häufig viele Klicks erforderlich, wo man dann noch explizit Sachen abwählen muss.

Ich surfe z.B. auf dem Smartphone standardmäßig mit Firefox Klar, wo die Cookies jedes Mal beim Beenden gelöscht werden. Jedes Mal muss ich mich auf jeder Seite wieder durch diese manipulativen Cookie-Dialoge kämpfen. Finde das mittlerweile wirklich richtig nervig…

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Ich empfehle in dem Zusammenhang bei Android zumindest die App AdGuard. Die blockt viel Werbung und Cookie Fenster einfach weg.
Für den Desktop Browser gibt es noch Erweiterungen wie „I don’t care about cookies“ welche Cookie Banner blockt.

Ich habe da inzwischen keinen Skrupel mehr was die Einnahmen der Seiten angeht. Es ist schlicht zu aufdringlich.

Generell: wenn ich auf dem Handy für eine Seite mehr als 2 mal Popup oder Banner wegklicken muss, verlasse ich die Seite und klopfe mir biblisch den Staub von den Schuhen (bzw die Cookies vom Rechner).
Sehe ich einfach nicht ein.

Hallo Ruhrpottler,

ich finde deinen Heise-Link ausgesprochen lesenswert. Was mich an dem Thema besonders ärgert ist, dass ich nur etwas ausschalten kann, von dem ich weiß, dass es da ist. Wäre ich nicht eher zufällig (vermutlich ein kurzzeitiger Fehler nach einer Systemumstellung) auf dieses „berechtigte Interesse“ gestoßen, ich würde heute noch glauben, dass ich alle Cookies (bis auf technisch notwendige) ausschalte.

Ich pushe das Thema mal nach vorne.
Gerade von einem sauberen Rechner heise.de angesurft und was da geboten wird, kann unmöglich im Sinne der DSGVO sein


Man muss sich durch ein Liste von mehreren 100 Anbietern mit dubiosen Firmennamen scrollen, um bei jedem das „Legitime Interesse“ wo es angewählt ist, dies händisch abzuwählen.
Ein Opt-Out für alle mit einem Klick wird nicht angeboten.

Das „Legitime Interesse“ findet aktuell auf immer mehr Seiten Verwendung, in einem Ausmaß das mMn nichts positives bedeutet.

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Im Screenshot ist bis auf GP One GmbH alles abgewählt. Man würde mit Klick auf „Auswahl speichern“ in diesem Beispiel also quasi alles ablehnen, was auf dem Screenshot zu sehen ist. Dass der Button „Alles akzeptieren“ hervorgehoben ist und die ganze Aufmachung nicht selbstklärend, ist allerdings natürlich manipulativ.

Generell ist das Thema schwierig, finde ich. Ich lehne auch meist ab. Als Nutzer will man hier aber irgendwie weiterhin schön seine kostenlosen Seiten besuchen, die Redaktionen etc bezahlen müssen, ist aber nicht bereit, dafür Gegenleistung (eigene Daten!) zu bringen. Es hat sich insgesamt in eine ungute Richtung entwickelt im Laufe der Jahre, ja. Und ich begrüße die rechtliche Regelung. Es wurde m.E. vom Gesetzgeber aber versäumt, hier klare Lösungen anzubieten, nur deswegen gibt es überhaupt diese Auswüchse. Von teils schwammigen Definitionen der Begriffe einmal abgesehen.

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Sorry war mein Fehler den Screenshot so ungünstig gewählt zu haben.
Die Hacken bei „Legitimes Interesse“ sind Standard alle markiert wo vorhanden, und es sind bei den mehren hundert gelisteten Firmen etwa wohl ein drittel die es enthalten.

Ist es, schon immer gewesen. Wenn ich mich ans Internet vor der großen Breitbandwelle erinnere und die unglaublich nervigen Pop-Ups, konnte surfen wirklich anstrengend sein, aber zumindest was den Schutz des Nutzers anging eher unproblematisch.
Wenn ich mir heute Seiten wie den Spiegel, Faz, Golem und auch Heise ansehe, da blinken die Browser-Addons wie uBlock oder Pivacy Badger wie ein Weihnachtsbaum.
Das wäre vergleichbar, wenn der Zeitungsausträger 50 Mann im Schlepptau hat, die durchs Grundstück streifen um meine Privatsphäre zu durchleuchten.
Das schlimmste daran, entscheidet man sich für eine bezahlten Zugang, das ändert am Tracking weitestgehnd gar nichts.
Für die LdN zahle ich gern den montl. Obolus, zum eine wegen der Inhalte, aber auch weil die Art die Seite zu betreiben absolut anständig und lobenswert ist.
Das Paradoxe, speziell oben genannte Seiten sind immer schnell dabei, wenn es um Bashing von FB & Co geht wie die ihre Nutzerdaten monetarisieren, selbst tun sie es immer aggressiver mit immer undurchsichtigeren Datenschutzeinstellungen, die einzig darauf ausgelegt sind, den Großteil an unbedarften Usern voll umfängliche tracken zu können.
Um das in einem Beispiel zu verdeutlichen, ich war bei Heise gut 6-7min damit beschäftigt, bis ich alle gesetzten Hacken deaktiviert hatten.

Ich glaub, den Nutzer als Partner zu sehen bezogen auf dieses Thema, den Weg haben viele Anbieter bereit schon lange verlassen.
Das ganze ist wie ein Spirale, wenn man Nutzer nicht durch Inhalte überzeugen kann, für die Arbeit die unbestritten geleistet wird, zu bezahlen, wird dieser auch immer nach Möglichkeiten suchen, massive Werbung & Tracking zu unterbinden.
Die Anbieter haben sich meines Erachtens immer auf die fokussiert, die sie eh nicht bekommen können und dabei den Nutzerkreis vor den Kopf gestoßen, der ihnen grundsätzlich wohlgesinnt war.

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Ich hatte gestern ein Overlay, bei dem zwar nur „technisch notwendig“ vorausgewählt war, allerdings der einzige Button den Text „alle akzeptieren“ enthielt. Die einzige Möglichkeit, dies zum umgehen bestand darin, zunächst einen Haken zu setzen, diesen dann zu entfernen, denn dann ändert sich der Button-Text auf „Auswahl speichern“.

Das häufig bemühte Argument, personalisierte Werbung sei ein Service für den Nutzer, kann ich beim besten Willen nicht glauben.

Andererseits ist das ganze Cookie-Banner-Thema auch ein wenig am Ziel vorbei, denn Cookies sind nun wirklich die am einfachsten loszuwerdende Tracking-Maßnahme.

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Jaein, wenn du damit die Nutzer meinst, die sich grundsätzlich mit den Möglichkeiten der Browser und den dazu verfügbaren Add-Ons beschäftigen, für die ist das Handling von Cookies etc. kein Thema.

Es geht aber auch um die Nutzer, die im Werkszustand des jeweiligen Browsers damit surfen und über Google als Startseite festlegen nicht hinaus kommen - meiner Erfahrung nach sind das mindestens noch 70%, eher 80%.
Der Grund für die DSGVO ist ja auch, die Rechte der Nutzer zum einen zu stärken und auch die Transparenz für den normalen Nutzer zu erhöhen.
Das was du mit deinem Beispiel beschreibst und ich mit meinen von Heise, ist alles andere als transparent.
Und die beiden stehen ja nur exemplarisch für ein Problem, dass sich immer weiter ausbreitet.
Kleiner Anbieter werden sich das von den großen abschauen in der Hoffnung, die werden das schon rechtlich geprüft haben.

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Manipulative Aufmachung steht einem „consent“ prinzipiell entgegen. Denn das kann nur erreicht werden, wenn A) eine Zustimmung aus einer Scheißegal-Haltung (ich hab doch Nichts zu verbergen, macht mit meinen Verhaltensdaten was ihr wollt…) heraus, oder B) eine aufgeklärte, informierte Zustimmung gegeben wird.

Mit aufgeklärter, informierter Zustimmung dürfte es nicht weit her, denn wer im Überwachungskapitalismus zu den Gewinnern gehören will, der muss möglichst viele Verhaltensdaten erfassen und möglichst unbeschränkt verwerten. Aufklärung ist aus dieser Perspektive geschäftsschädigend. Für Google ist es beispielsweise nützlich, wenn viele Nuzer glauben ihre Suchanfragen würden nur zum Zwecke der Suchanfragen-Service-Verbesserung verwendet (…so war es ja auch bis etwa 2004), und dass Google für Personen ohne Google-Konto kein Profil hat.

Bei dem „berechtigten Interesse“ handelt es sich typischerweise auch nicht um das Interesse des Betreibers der Website, auf der ich gerade bin, sondern um das Interesse von Dritten, an die meine Daten übermittelt werden sollen. Ich frag’ mich ob das den „Zustimmenden“ bekannt und in deren Sinne ist.

Werbung funktioniert auch ohne Personalisierung/Targeting und damit verbundener Datenübertragung an Dritte (so wie früher halt). Das wäre für mich akzeptabel (wenn nicht zu aufdringlich). Die Mehreinnahmen der Personalisierung schöpfen eh wohl nicht die Website-Betreiber ein. Einer Option „Weiter mit 1,5 facher Werbefläche, aber ohne Verhaltensdatenübertragung an Dritte“ wäre für mich auch denkbar.

Völlig unverständlich finde ich die angeblich notwendige Datenübertragung an Dritte bei Websites, die offensichtlich ein anderes Geschäftsmodell haben (sollten), z.B. Online Shops.

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Manipulative Aufmachung steht einem „consent“ prinzipiell entgegen.

Richtig. Das Dilemma ist natürlich die derzeit bei Ablehnung folgende extrem schlechte Datenqualität, wenn man bspw dann nicht mehr weiß, wie erfolgreich Werbemaßnahmen sind (siehe unten). Und wir dürften hier nicht den Fehler machen, immer nur an Google, FB und Co zu denken. Ja, die erheben die Daten sehr oft mit, aber genutzt werden Google Ads, Facebook Ads und Co von hunderttausenden.
Ich wundere mich allerdings auch täglich über die Consent-Banner, die mMn fast überall zu kompliziert und vermutlich DSGVO-nonkonform sind.

Werbung funktioniert auch ohne Personalisierung/Targeting und damit verbundener Datenübertragung an Dritte (so wie früher halt).

Ja, klar. Aber: vermutlich geringere Einnahmen bei den Seiten, die Werbung einblenden (jedenfalls wenn man Konkurrenzseiten hat, die noch Targeting anbieten) und im Bereich der Werbetreibenden natürlich massiver Streuverlust und höhere Kosten. Es gab früher schlicht nicht so viele Seiten (und für Banner wurden utopische Preise gezahlt eine Weile lang) wie heute; heute hängen da viel mehr Shops etc dran, die auf möglichst gezielte Werbung angewiesen sind.

Völlig unverständlich finde ich die angeblich notwendige Datenübertragung an Dritte bei Websites, die offensichtlich ein anderes Geschäftsmodell haben (sollten), z.B. Online Shops.

Gerade hier finde ich es völlig nachvollziehbar. Der Onlineshop zeigt zwar auf seiner Seite idR keine Drittwerbung, aber er ist ja geradezu darauf angewiesen, Kundschaft irgendwo im Netz auf sich aufmerksam zu machen. Nun ist die Konkurrenz groß, die Marge nach Retoure etc oft niedrig, VSK-Freiheit wird auch noch erwartet etc, d.h. hier ist zielgerichtete Werbung eigentlich ein Muss. Sonst ist der Streuverlust zu groß und das Geschäftsmodell rechnet sich nicht mehr. Retargeting etc sind da also gängige Mittel, logischerweise müssen diese Anbieter aber auch auf der Seite des Shops ein Cookie setzen. Auch Google Anzeigen inkl. Google Shopping, wenn man den Erfolg von den geschalteten Anzeigen vernünftig kontrollieren will. Das ist jetzt schon eine Herausforderung bei abgelehnten Cookies, da zB der Algorithmus von Google Ads Anzeigen ja möglichst effizient ausspielen kann und hier dann die Datengrundlage stark beschnitten ist.

Nun könnte man argumentieren, ok, müssen Shops halt andere Wege finden, oder: ok, wenn es sich so nicht rechnet, müssen die den Laden halt dicht machen. Dann haben wir am Ende aber nur noch Amazon, Zalando, Otto, notebooksbilliger und ein paar weitere Shops (natürlich jetzt übertrieben dargestellt) übrig, jedenfalls eher große Marken, die irgendwie Bekanntheit haben, und keine kleineren Betriebe. Wobei, die könnten ja alle im Marketplace bei Amazon verkaufen - dann wird der Riese noch größer und bekommt noch mehr Daten seiner Kund*innen…

Es gibt hier leider halt viele Akteure, und ja, Datenschutz ist ein Recht und wichtig. Aber irgendwie fehlt mir da trotzdem bei der Diskussion oft der Blick fürs Ganze und was das alles eigentlich für Auswirkungen hat - und wie man das alternativ gestalten kann, um kleine Angebote im Netz zu halten. Wir denken da oft nur an Journalismus, aber es betrifft ja eben sehr viele Webseiten. Nun haben sich die Anbieter auch jahrelang ausgeruht, es ging ja auch so, d.h. auch aus der Werbeindustrie muss etwas kommen; dort wird darüber auch heiß diskutiert. Also, nicht falsch verstehen, ich will nicht die Industrie in Schutz nehmen, ich will auch nicht Shopbetreibern einen Freifahrtsschein ausstellen - so wie es jahrelang lief, konnte es sicher nicht weitergehen. Aber wie gesagt, ich glaube der Blick aufs Ganze hilft, auch immer mit der Überlegung: Was haben Maßnahmen an anderer Stelle für Auswirkung, und wie können da entsprechend vielleicht dann Lösungen und Ideen aussehen.

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Mein subjektiver Eindruck ist ein andere, zumindest ist mir noch kein klassischer Shop so negativ aufgefallen wie die oben aufgeführten.
Bei den Shops ist der Aufbau überwiegend gut nachvollziehbar und es ist ein Opt-In, nicht wie bei genannten Beispielen ein mühsamer und aufwendiger Opt-Out.
Das spiegelt aber auch nur meine persönliche Erfahrung wieder, kann nicht ausschließen dass da auch schon Anbieter auf die Masche mit aufgesprungen sind.

Meiner Einschätzung nach lebt Großteil der Shop ja auch immer noch von den Verkäufen aus den Shops, wenn nun die Käufer ausbleiben weil sie sich gegängelt fühlen, entfällt das eigentliche Kerngeschäft - das könnten vorher abgegriffen Daten wohl nicht kompensieren.

Was du beschreibst, ist mir auch schon aufgefallen. Wenn man die „berechtigten Interessen“ einfach gutgläubig absegnet, ist man schon in die Falle getappt. Insgesamt wird nach meiner Einschätzung viel Schindluder mit den Cookie-Fenstern getrieben, statt einfach zu akzeptieren, dass das Tracing tatsächlich überhand genommen hat und man sich nach anderen Finanzierungsmodellen umschauen muss.

Das Google-Phänomen, dass du angesprochen hast, möchte ich noch um ein ganz konkretes Beispiel ergänzen: Dort sind die Einstellungen tatsächlich so gut versteckt, dass ich es bis heute nicht geschafft habe, mich auf Youtube ohne Zustimmung zur Cookie-Verwendung zu bewegen (gerne mal im anonoymen Fenster ohne Anmeldung ausprobieren). Ich habe den Eindruck, es gibt dort nicht mal einen Opt-Out („Cookies ablehnen“ manuell festlegen) obwohl Google ja verpflichtet wäre, einen Opt-In („Cookies ablehnen“ als Standard gesetzt) anzubieten (!). Das kann man nicht anders als als Pervertierung der Vorschriften bezeichnen, denn sie werden hier buchstäblich ins Gegenteil verkehrt.

Mal ein Versuch das große Bild zu zeichnen: Es gibt wenige große Player (Werbevermarkter), die sich bei dem Spiel eine goldene Nase verdienen (Winner-takes-it-all) und die passende Softwaretechnik liefern (inkl Consent-Banner). Es gibt hunderttausende Betreiber von online Angeboten, die mitmachen, weil sie sich dazu gezwungen fühlen oder es nicht besser wissen, oder weil es so komfortabel ist oder weil es ja alternativlos ist… Das System läuft umso besser, je besser die Datenqualität ist.
Dann gibt es noch Millionen von Nutzern, die in diesem Spiel einerseits ihre (Verhalten-) Daten liefern sollen und anderseits am Ende möglichst viele auf ihr Verhalten/Bedürfnisse zugeschnittene Produkte/Services kaufen sollen. Dafür werden individuelle Schattenprofile der Nutzer angelegt und mit Algorithmen (, die möglicherweise von Erkenntnissen der Verhaltenspsychologie inspiriert sind) ausgeverwertet. Aufklärung der Nutzer über Art und Umfang des Datenhandels gefährdet das Spiel.
Dieses Bild des Überwachungskapitalismus ist klarer und detaillierter gezeichnet von Shoshana Zuboff (Link zum Deutschlandfunk)

Nach dem Bild ist aus Perspektive der Profiteure die DS-GVO ein Ärgernis (entsprechend stark wurde versucht dagegen zu lobbyieren, (Filmdoku „im Rausch der Daten“, Link zu Wikipedia)) und die manipulative Aufmachung der Consent Banner im Geschäftsinteresse.

Denke ich auch. Ich habe nichts gegen Targeting an sich - Geschäftsmodelle, bei denen ein aufgeklärter Nutzer bewusst mit seinen Verhaltensdaten bezahlt (Einvernehmlichkeit, echter consent) kann ja gerne geben. Aber bitte nicht zwangsweise für Alle und hinterrücks und alternativlos.

Ich verstehe, dass ein gewisses Targeting bzw. Zielsicherheit wichtig ist um effizient Werbung einsetzen zu können. Ich würde aber mir da ein Content-basiertes Targeting wünschen und kein Nutzer-basiertes Targeting.
Also jede Webseite hat ja gewisse Inhalte und damit auch ein gewisses Publikum, dass sich mit der Zeit aus der Interaktion auch ohne Tracking herausbildet (welche Waren, Zeitungsartikel, Inhalte etc. werden besonders häufig aufgerufen, was für Rückmeldungen kommen rein etc).
Daraus bildet sich ja z.T. explizit, z.T. implizit ein Interessensraum ab.
Anhand dessen kann ich inhaltlich ähnliche, weiterführende Werbung schalten.

Das wäre für mich ansprechender als von dem Online-Shop auf dem ich vor paar Tagen war durchs ganze Internet „verfolgt“ zu werden. Hätte ich Interesse etwas da zu kaufen hätte ich es getan.

Klar, ich weiß.
Was einem nahezu alle Seiten hier allerdings an „Optionen“ bieten, ist für den Laien ganz und gar nicht leichter zu handhaben. In diesem Thread sind genug Beispiele von Cookie-Bannern, wo auch wir, die wir hier das Thema diskutieren, lange brauchen, um zu verstehen, wie man überhaupt darum herum kommt, die Cookies zu akzeptieren.

Einen Einblick in dieses System gibt dieser Blogbeitrag von Mike Kuketz vom 28.10.2020.

Mal eine Vision skizziert: Ich stelle mir vor, jeder Internetbrowser würde in drei Versionen ausgeliefert

  • Fastlane version: Voller Funktionsumfang, keine nervigen Banner, immer die niedrigsten Preise. Bei der Installation muss lediglich bestätigt werden, dass unbeschränkter Datenerhebung, -Verarbeitung, -Speicherung und zweckungebundener Weitergabe zugestimmt wird. Bei jedem Browserstart wird man daran erinnert, aber dann gehts los…

  • Deciders version: So wie heute etwa, viele Banner und die Möglichkeit zu eigenen Entscheidungen, welche Buttons man klicken will…

  • Private version: Grundeinstellung = „Prinzipiell keine Zustimmung für irgendeine Datenerhebung, -Verarbeitung, -Weitergabe, welche nicht für die offensichtliche Basisfunktion der Website zwingend erforderlich ist. Prinzipiell keine Zustimmung zu Daten-Zweckentfremdung“. Dezente Hinweisbanner poppen auf, wenn eine Funktion wegen der restriktiven Einstellung nicht angeboten wird. Wenn ich draufklicke, sehe ich nachvollziehbares Argument, in welcher Weise die Funktion mit welchen Datenflüssen zweckgebunden sein soll. Ich kann mich jetzt entscheiden, ob ich das für nachvollziehbar und akzeptabel halte:

    1. Falls beides, kann ich punktuelle Zustimmung erteilen.
    2. Falls nachvollziehbar aber nicht akzeptabel, muss ich wohl auf die Funktion verzichten*.
    3. Falls nicht nachvollziehbar kann ich das Argument an meinen Datenschutzbeauftragten senden (wenn bei dem dann vermehrt Meldungen zum gleichen Thema eingehen, kann er sich das dann anschauen).

*) Beispiel: Online Shop Warenkorb: „Kostenlose Rücksendung können wir Ihnen nicht anbieten, denn es erfordert wegen Mischkalkulation eine Einnahme aus zweckungebundener Datenweitergabe - an unsere 19 unten aufgeführten Partnern - welche ihre Netzwerk-User-ID, Geräte-ID, Chronik der betrachteten Artikel und Chronik sämtlicher Interaktionen umfasst.“

Ich denke, echten consent kann es nicht ohne Transparenz und Ehrlichkeit geben!