CETA: viel Lärm dann nichts?

Um 2015 ging eine der größten Demonstration der zehner Jahre über das Thema Freihandelsabkommen TTIP und CETA (Spiegel)

Es wurde daraufhin nur ohne Schiedsgerichte vorläufig in Kraft gesetzt, diese Paralleljustiz soll aber nun aktuell noch kommen, bzw. sind gerade in der Abstimmung/Ratifizierung(Taz)

Was ich mich frage:

  • Wieso ist das Thema gerade so klein, obwohl es vorher so groß war (und sich nur wenig geändert hat)? Mich überrascht das. Habt ihr da Erklärungen wie das kommt?

  • Wieso sind Grüne und SPD nun dafür, obwohl sie früher vehement dagegen waren (z.B. Gastbeitrag ZeitOnline)?

  • Wie schätzt ihr die Gefahr von den Schiedsgerichten ein (für z.B die Energiewende) wie der DLF berichtet?

  • Ist die zusätzliche Interpretationserklärung, die die Bundesregierung plant eine ernstzunehmende Verbesserung/Lösung, oder nur Kosmetik?

Ich freu mich auf eure Antworten/Beiträge!

Das ist sehr einfach. Wir sind gerade extrem abhängig von Kanada und den USA bezüglich unserer Energie. Da ist es nicht klug solche Abkommen zu torpedieren.

Es ist Krieg in Europa, die Inflation hat die 10% geknackt und eine Rezession steht vor der Tür.

Da sind Handelsabkommen weiter hinten in der Liste der gefühlten Probleme

Zum Einen, wie andere schon sagten, gibt es aktuell leider drängendere Probleme.
Zum Anderen steckt die klassische Strategie dahinter, ein Thema erst mal abkühlen zu lassen und dann - idealerweise wenn andere Themen die Medien beherrschen (Fußball-WM, Krieg…) - ganz schnell Tatsachen zu schaffen.

Die SPD war dahingehend schon immer gespalten, die Grünen waren damals halt Opposition und sind nun in der Regierung. In einer Energiekrise, aus der uns Kanada heraushelfen soll. Die Zustimmung zu CETA kann durchaus auch im Rahmen des Fracking-Gas-Abkommens mit Kanada zu Stande gekommen sein. Kanada hat - dank der vermasselten Energiepolitik der Vergangenheit - einfach eine gute Verhandlungsposition gegen die deutsche Regierung und die Grünen sind leider Teil dieser Regierung.

Ich sehe die Gefahr und teile die Ansicht, dass privatwirtschaftliche Schiedsgerichte, über die Unternehmen einseitig Staaten verklagen und somit maßgeblichen Einfluss auf die Gesetzgebungsprozesse nehmen können, eine ganz schlechte Idee sind. Es ist halt eine neoliberale Idee, welche die Interessen der Wirtschaft an Profit zumindest den gesamtgesellschaftlichen Interessen und der Demokratie gleichsetzt - wenn nicht gar überordnet.

Andererseits denke ich nicht, dass es so schlimm kommen wird, wie es gerne dargestellt wird. Interessenverbände neigen natürlich - das ist ja auch ihre Aufgabe - dazu, Konsequenzen zu überzeichnen, nach dem Motto: „Der BDA sagt, dass durch die Einführung des Mindestlohnes Millionen Arbeitsplätze vernichtet werden!!!1!!elf“. Dieses Spiel spielen natürlich alle Seiten, auch Greenpeace. Man kämpft gegen ein politisches Vorhaben natürlich dadurch, dass man die denkbar negativsten Konsequenzen an die Wand malt.

Außerdem kann CETA natürlich auch wieder gekündigt werden, wobei eine Kündigungsfrist von 6 Monaten gilt und gerade die kritisierten Investitionsschutzbestimmungen für Investitionen, die bis zur Kündigung getätigt wurden, noch 20 Jahre Nachlauf haben. Kurzum: Man kommt nicht unheimlich schnell wieder raus, aber im Fall der Fälle kommt man wieder raus.

Bei der Auslegung von Gesetzestexten und Verträgen geht es neben dem reinen Wortlaut immer auch um die systematischen, historischen und teleologischen Hintergründe. Eine Interpretationserklärung ist daher keine reine Kosmetik - wenn aus dieser hervorgeht, wie der Vertragspartner (hier: Deutschland) den Sinn dieses Vertrags deutet, muss dies bei der Anwendung der vertraglichen Regelungen auch berücksichtigt werden.

Es ist daher mE in jedem Fall mehr als bloße Kosmetik, aber als wie schlagkräftig sich diese Interpretationserklärung erweisen wird, kann wohl nur die Zukunft zeigen, weil es im internationalen Recht nicht so furchtbar viele Präzedenzfälle gibt, die man hier argumentativ heranziehen könnte.

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Ohne ganz konkrete Kenntnisse der entsprechenden Formulierung im CETA-Vertrags kann niemand sagen, ob diese Schiedsgerichte ein Problem sind oder nicht. Die Interviewte im DLF-Beitrag sprach auch immer nur im Konjunktiv.

Weiß hier jemand mehr?

Schiedsgerichte Urteilen auf Basis des Vertrags, der sie geschaffen hat. Wenn der bestimmen sollte, dass die Schiedsgerichte auf Basis von den Landesgesetzen urteilen müssen, dann sollten wir eigentlich nichts befürchten. Denn Schadensersatzansprüche gibt es nur, wenn ein schuldhaftes Verhalten (hier: des Staates) einen Schaden ausgelöst hat, d.h. wenn der Staat den Schaden des Investors verschuldet hat.

Verschulden heißt m.W. hier: Der Staat hat vorsätzlich oder fahrlässig entweder gegen den Investitionsschutzvertrag oder gegen Recht und Gesetzt verstoßen. Oder liege ich da falsch?

Und laut dem Verfassungsblog darf sich das Schiedsgericht bei der Frage, ob der Staat gegen Recht und Gesetz verstoßen hat, ausschließlich auf Basis der Rechtsprechung der nationalen oder europäischen Gerichte bewerten:

„Die Prüfungskompetenz des CETA-Investitionsgerichtshofs beschränkt sich allein auf die Auslegung und Anwendung des Investitionsschutzkapitels, insbesondere die Rechtmäßigkeit nationaler oder europäischer Rechtsakte ist von der Überprüfung ausgeschlossen. Ist für die investitionsschutzrechtliche Bewertung einer hoheitlichen Maßnahme der konkrete Inhalt einer bestimmten Vorschrift des nationalen oder europäischen Rechts von Relevanz, muss der Gerichtshof sich außerdem ausschließlich auf die Auslegung der nationalen und europäischen Gerichte stützen.“

Ich weiß jedoch nicht, wie sich eine beklagte Deutsche Regierung noch zur Wehr setzen könnte, falls sich auch die zweite Instanz des Schiedsgerichts sich nicht an die vertraglichen Bestimmungen zur Schiedsgerichtsbarkeit hält.

Übrigens: Mit diesem Vertrag haben auch deutsche Unternehmen, die in Kanada investiert haben, Zugang zu einem Schiedsgericht, wenn der kanadische Staat an den Investitionen des deutschen Unternehmen einen Schaden zu verschulden hat.

Hier ein ganz informativer Artikel dazu: