CCC ersteigert militärische Geräte mit biometrischen Daten von Afghanen

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Auf ebay werden digitale Geräte versteigert, die die NATO in Afghanistan eingesetzt hat, um die dortige Bevölkerung zu katalogisieren. Sie enthalten biometrische Daten wie Fingerabdrücke, Irisscans, Gesichtsscans. Anhand dieser Daten ist es wohl auch möglich, ehemalige Ortskräfte in Afghanistan eindeutig zu identifizieren. Dies bringt die zurückgelassenen Ortskräfte in ernsthafte Gefahr, sollten die Geräte oder die Daten der Geräte in die Hände der Taliban gelangen.
Dazu kommt, dass die Daten UNVERSCHLÜSSELT vorliegen. Sie sind lediglich mit einem öffentlich zugänglichen Passwort geschützt, das für alle Geräte das selbe ist.

Ich halte dies für einen unglaublichen Skandal, der in den Medien aus meiner Sicht viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat und wäre dankbar, wenn ihr darüber berichten und es für die Hörer*innen des Podcasts einordnen könntet.

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ARD Radiofeature · ARD Audiothek

Hier ist der Podcast zu dem Thema von der ARD

Was soll der Skandal sein? Ich denke, die Taliban haben sie selbst verkauft. Irgendwie muessen sie an Geld kommen, denn Geld regiert die Welt und die USA haben das Geld der Taliban entgegen den Versprechen von Doha noch nicht freigegeben. (…)
Sie haben lediglich einige praktische Probleme. Und die werden noch groesser, wenn sie Frauen nicht studieren lassen. Gleichberechtigung heisst naemlich vor allem Wohlstand. Fragt die Weltbank.

https://wbl.worldbank.org/en/wbl

Ich denke, dass der von @Herr_Lohse angesprochene Skandal nicht darin besteht, dass die Taliban böses tun.

Der Skandal besteht darin, dass die NATO hier ein System mit Daten, die sehr wahrscheinlich Menschenleben gefährden können, gar nicht geschützt hat und sich nun zeigt, dass mangelnder Datenschutz töten kann. Ich vermute auch, dass ein derartiges System in Deutschland niemals mit derartig laxen Sicherheitsvorkehrungen ausgerollt worden wäre. Ich finde zum einen den mangelnden Datenschutz skandalös, zum, wie ignorant man hier eigentlich beim Nation Building vorgegangen ist und wie man Dinge getan hat, bei denen man „zu Hause“ zumindest zweimal darüber nachgedacht hätte.

Es ist nun davon auszugehen, dass einige Taliban-Kommandeure bereits über derartige Geräte verfügen und damit nach Gutdünken Leute scannen und diese drangsalieren, falls der Scanner „Ping“ macht.

Wahrscheinlich liegen auch Daten von AfghanInnen, die irgendwann in den vergangenen 20 Jahren einmal gescannt wurden (z.B. für Verwaltungszwecke und um Betrug und Korruption bei Hilfsleistungen vorzubeugen) vor. Wer also in den letzten 20 Jahren in Afghanistan einmal Fingerabdrücke abgegeben oder ein paar Sekunden in einen Scanner geguckt hat, muss nun damit rechnen, dass er von den Taliban bei einer Kontrolle, bei der Immatrikulation, bei der Einstellung als Staatsbediensteter, beim Beantragen eines Stromanschlusses, im Krankenhaus, beim Beantragen einer Baugenehmigung oder, weil der lokale Kommandeur mich nicht mag, gescannt wird und dann drangsaliert oder im lokalen Schnellverfahren eifrig verurteilt wird.

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Das ist der Kern der Kritik.

Also abgesehen davon, dass eine derartig ausufernde Katalogisierung der Bevölkerung in einem westlichen Land grundsätzlich kaum ohne massiven Widerstand möglich wäre. Hier kann man zwar nachvollziehen, dass in einem Kriegs-Szenario der Datenschutz zurücktritt, aber kritisch betrachten sollte man es dennoch.

Das größte Problem ist aber das offensichtliche Messen mit zweierlei Maß. Die Daten von „Erste-Welt-Menschen“ würden auf jeden Fall mindestens stark geschützt, wenn man sie denn überhaupt erheben darf, während die Daten von Afghanen offensichtlich keinen Schutz verdienen bzw. der Schutz zu teuer und umständlich wäre.

Der traurige Witz an der Sache ist:
Das Argument, warum wir uns in westlichen Gesellschaften immer so stark gegen den Überwachungsstaat wehren, ist doch: „Was, wenn diese Daten mal den Falschen in die Hände fallen, wenn es wieder eine Diktatur gibt, die diese Daten dann zur Unterdrückung nutzt?“. Aber gerade dieses Argument, welches in Afghanistan stärker als in jedem westlichen Land wiegen sollte, weil die Wahrscheinlichkeit einer neuen Diktatur in Afghanistan zu jeder Zeit so viel wahrscheinlicher war als z.B. in Deutschland, wurde in Afghanistan völlig ignoriert, es wurden Null Vorkehrungen getroffen.

Das ist einfach ein klassisches Messen mit zweierlei Maß, der Afghane verdient einfach nicht so viel Schutz wie der Europäer oder Amerikaner… Und wir sollten uns nicht einbilden, dass solche Dinge in anderen Ländern, in denen die NATO in Zukunft Nation Building betreiben will, nicht ankommen würden. Dort werden etwaige Helfer in der Bevölkerung in Zukunft - mit Recht - noch kritischer gegenüber der NATO sein, weil sie befürchten müssen, dass sie das gleiche Schicksal trifft wie die afghanischen Ortskräfte. Denn niemand möchte ein „nützlicher Idiot“ sein, der erst benutzt und dann im Stich gelassen wird… oder wie im vorliegenden Fall erst benutzt und dann aktiv gefährdet wird.

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