Canabis Legalisierung gescheitert?

Kurzer Disclamer: Ich hab die LdN 400 noch nicht gehört, aber in den Kapitelüberschriften die ich sehen konnte, tauchte das Thema nicht auf, sodass ich es hier mal vorschlage. Ich bin vom Thema Canabislegalisierung und -konsum auch persönlich nicht betroffen, mir geht es hier um die politischen Folgen/Implikationen.

Ich bin gestern eher zufällig über die heute-show vom vergangenen Freitag gestolpert und was da zur Canabislegalisierung gesagt wurde, hat mich halbwegs entsetzt. (https://youtu.be/BuszjMMHUlc?feature=shared&t=752) Da die heute-show ein comedyformat ist, habe ich das gestern alles noch zu verifizieren versucht und im Wesentlichen bestätigte sich aber das dort gezeichnete Bild. Die wichtigsten Punkte in Kürze:

  • Seit dem 1. April ist die Canabislegalisierung in Kraft. D.h. der Konsum ist legal, 25g darf man mit sich rumtragen, jeder darf 3 Pflanzen zu Hause haben, der Rest des Bedarfs sollte u.a. durch die canabis clubs gedeckt werden. Wichtig ist erstmal: Jeder Erwachsene darf jetzt legal Canabis konsumieren.

  • Die „pipeline“ für die Versorgung mit legalem Canabis stockt aber ganz gewaltig. Von 280 beantragten Hanfclubs sind derzeit erst 14 genehmigt. Da 11 von 14 in Niedersachsen genehmigt wurden, sind die genehmigten Betriebe also bundesweit nicht gleichmäßig. Die einseitige Verteilung könnte daher ein Hinweis sein, dass es vom politischen Willen / Ressourcenbereitstellung des Landes abhängt, wie schnell hier die Genehmigung erfolgt. (Die Genehmigungen selbst werden zwar durch die Bezirksregierungen ausgestellt, aber gehen wir mal der Einfachheit halber davon aus, dass die sich auf „Landeslinie“ befinden). (Cannabis-Clubs warten nach Teillegalisierung auf ihre Genehmigung | tagesschau.de)

  • Die stockende Genehmigung hängt unter anderem mit komplizierten Genehmigungsverfahren zusammen. Ein Beispiel aus NRW: Jedes Vorstandsmitglied des Clubs muss ein polizeiliches Führungszeugnis und einen Auszug aus dem Gewerberegister beibringen. Außerdem müssen alle eine Präventionsschulung besucht haben, bevor der Club starten darf - genau diese sind aber in einigen Bundesländern Mangelware. Hier waren die Länder wenigstens unzureichend vorbereitet, könnten aber auch - wenn man ihnen böses unterstellen will - die Genehmigung von Canabis-clubs willentlich verzögern (Söder hatte in Bayern diese Absicht ja sogar öffentlich verlautbart). Ein Düsseldorfer Club hat auf Grund dieser Probleme beim Zulassungsverfahren, bereits aufgegeben. Die Clubs kalkulieren ja teilweise mit mitgliederfinanzierten Investitionen im sechsstelligen Bereich, haben bereits laufende Kosten durch angemietete Hallen etc. - der Start des Projekts lässt sich da halt gegebenfalls nicht beliebig lange aufschieben. (Noch nichts angebaut: Warum Cannabis Clubs in Düsseldorf in der Luft hängen)

  • Derzeit besteht im Canabismarkt also ein klares Angebotsproblem: Alle dürfe es konsumieren, aber es gibt kaum legale Bezugsquellen. Die Folge ist derzeit, dass der Schwarzmarkt das Vakuum füllt. Und zwar nicht nur durch mehr freundliche Dealer um die Ecke, sondern wohl vor allem durch organisierte Kartelle, die massiv um Marktanteile kämpfen, weil da derzeit eben richtig Geld zu machen ist. Drahtzieher sind hier mafiöse Strukturen aus den Niederlanden, die dort in großem Stil Drogen nach Europa einführen und dann auf dem Kontinent verteilen. (Stichwort ist in diesem Zusammenhang „Mocro“-Mafia. Der Begriff „Mocro“ ist nicht unproblematisch, deshalb klammer ich den hier aus. Bei Interesse selbst googeln). Laut der Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung gab es seit Juni dieses Jahres in NRW elf (!) Sprengstoffanschläge und mindestens zwei Schießereien, die auf die Ausbreitung dieser Drogenvereinigungen zurückzuführen sind. Der medial bekannteste vielleicht die Explosion in der Kölner Innenstadt vor ein paar Wochen. (Gewalt in NRW eskaliert: Was Sie über die Mocro-Mafia wissen müssen)

  • Die Canabislegalisierung hat derzeit also erhebliche kriminelle Folgen. Diese wurden von einigen Beobachtern (und afair auch in der Lage) vorhergesagt. Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass das alles nur Wachstumsschmerzen sind, die mit der Zeit vergehen werden, insbesondere, weil als „zweite Säule“ der Legalisierung ja noch die Canabis-shops kommen sollen, die einen legalen Verkauf ermöglichen und den Kartellen dann doch wieder das Wasser abgraben.

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  • Und hier kommen wir jetzt zum zentralen Problem: Es gibt erhebliche Zweifel daran, ob das Gesetz über die Zulassung für die Canabisshops überhaupt noch kommt. Denn die Abstimmung zwischen den Ministerien stockt und es gibt noch nicht mal einen Referentenentwurf zum Gesetz. Dieser ist ja aber der Ausgangspunkt für den parlamentarischen Reigen, der dann irgendwann zum Gesetz führt. Informierte Beobachter, wie etwa Dirk Heidenblut (mdB), der für die SPD die Canabislegalisierung beobachtet, zweifeln daher, dass diese Legislaturperiode noch ein Gesetz auf den Weg gebracht wird. (Lauterbachs Versprechen von Cannabis-Geschäften wackelt: Selbst SPD-zweifelt) Und ob die nächste Bundesregierung - womöglich CDU geführt - das Gesetz auf den Weg bringt, ist mehr als fraglich.

  • Dabei sprachen die Canabisshops gerade die große Gruppe der Gelegenheitskonsumierer an, die nicht selbst gärtnern wollten und auch Hemmungen haben, sich in nem Canabisclub ganz offiziell ("als Kiffer) registrieren zu lassen. Sie schlossen halt genau die Lücke, problemlos und anonym kleinere Mengen Canabis kaufen zu können. Das geht - wenn das Gesetz nicht kommt - zukünftig dann halt weiterhin nur beim Dealer, der sich dank der jetztigen Gesetzeslage risikofrei mit 25g Canabis ganz legal in der city bewegen darf. (Der Verkauf bleibt zwar weiterhin illegal, aber wenn der Hausbesuche macht, dann war für ihn nur der Transport das gefährliche). Und die Einnahmen des Dealers fließen nicht via Steuern dem deutschen Fiskus zu, sondern gehen - salopp gesagt - im Zweifel an bombenlegende kriminelle Netzwerke.

Ergebnis/tldr:
Man hat eine große legale Nachfrage nach Canabis geschaffen, aber das Schaffen eines legalen Angebots stockt erheblich. Wenn die Einführung einer gesetzlichen Grundlage für die Canabisshops platzt, dann droht dauerhaft ein unzureichendes Angebot an legalen Canabis vorzuherrschen. Die Folge davon sind ein florierender Schwarzmarkt sowie die damit verbundene potentielle Gewaltkriminialität im Kampf um Marktanteile. Dabei war eines der zentralen Versprechen von Karl Lauterbach, dass den Drogenhändlern durch die Legalisierung das Wasser abgegraben wird. Jetzt droht eine Situation, in der dieses Versprechen dauerhaft verfehlt oder sogar pervertiert werden könnte.

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Wenn man selber anpflanzt, darf man drei gleichzeitig blühende weibliche Pflanzen pro Person im Haushalt besitzen. Stecklinge und Keime darf man soviel haben wie man will. Mit Grow-Zelt für die kalten Jahreszeiten reicht das doch aus, wenn man man nicht die ganze Zeit stoned sein will. :smiley:

Auch als Nichtkonsument: Nicht jeder hat Balkon und Garten oder auch nur einen grünen Daumen, muss mensch das nicht auch irgendwie fermentieren so wie Tabak?

Auf jeden Fall ist es schlecht, dass jetzt nur kriminelle Lieferanten zum Zuge kommen. Mit Steuern oder Abgaben auf Cannabis könnte der Staat gesundheitliche Schäden wenigstens etwas gegenfinanzieren und würde Gewalttaten entgegen wirken.

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Das ist korrekt (und steht so auch im OP), aber der Eigenanbau begegnet halt eher den Befürfnissen der Menschen, die regelämßig konsumieren, weil da Aufwand/Ertrag/Verbrauch in irgendeinem sinnvollen Verhältnis stehen. Aber bei Gelegenheitskonsumenten, die es nur aus einer Laune heraus oder zu besonderen Anlässen konsumieren, stimmt dieses Verhältnis eben nicht, es ist ihnen schlicht zu aufwendig. Ich meine Tomaten kann halt im Prinzip auch jeder auf der Fensterbank anpflanznen, aber nur wenige machen das. Man muss sich halt minimal mit dem Thema beschäftigen (Equipment kaufen, Samen organisieren, gießen, wissen worauf man achten muss etc.)

Das trifft halt nicht den Konsumimpuls von Gelegenheitskonsumenten. Die haben vielleicht einfach mal Freitags nach Feierabend spontan das Bedürfnis Gras zu kaufen, weil sie am Wochenende was rauchen wollen - aber die wollen nicht 3 Monate im voraus anfangen, ne Pflanze zu ziehen und zu betreuen. Dieses Konsumbedürfnis (was der Gesetzgeber ja erkannt hatte) hätten die Shops befriedigen sollen, machen jetzt aber gegebenenfalls weiterhin die Dealer.

Also die legale Möglichkeit zum Anbau allein trifft halt nicht die Konsumbedürfnisse der Gelegenheitskonsumierer (die vielleicht den Großteil der Konsumenten bilden? Idk).

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Das sind Lösungen, die für Dauerkonsumenten vollkommen fein sind. Wer aber als Gelegenheitskonsument an vielleicht einem Abend im Monat mal nen Joint rauchen will, wird kaum den Aufwand betreiben mehrere Wochen mit vergleichsweise teurem Equipment was anzubauen (auch wenn es das nicht zwingend braucht) oder in Clubs beitreten, die es momentan kaum gibt und hohe monatliche Kosten haben. Bei uns in der Region bist du bei 25€ Monatsbeitrag + einmalige Aufnahmegebühr, im Jahr sind also 300€ weg und du hast noch nichts gekauft.

Es ist schlicht kein Wunder, dass diese Gruppe Leute sich ihr Material woanders kaufen muss.

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Daran, dass man eine Nachfrage durch die Legalisierung „geschaffen“ habe, würde ich mal ein großes Fragezeichen machen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es verlässliche aktuelle Zahlen zur Entwicklung des Konsums seit Freigabe gibt. Aber sowohl all die von Dir genannten Konsument:innengruppen als auch die hoch kriminelle Lieferkette existierten lange zuvor. Andere Drogen sind auch deutlich lukrativer, wenn ich mir so die Straßenpreise anschaue. Ich denke, wenn man meint, dass die OK durch die Cannabis-Legalisierung irgendwie wesentlich getragen werde, irrt man sich.
Was Gelegenheitskiffer:innen angeht: Alle, die ich kenne, besorgen sich was von anbauenden Freund:innen, deren drei Pflanzen dicke ausreichend blühen.
Die florierende OK ist meiner Meinung nach eher eine langfristige Entwicklung, die von der Globalisierung und Abbau von Grenzen in der EU sowie fehlenden Investitionen in öffentliche Institutionen (Polizei, Justiz, Prävention), Integration und öffentliche Daseinsvorsorge „profitiert“.

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Ich habe ja auch geschrieben, dass eine legale Nachfrage geschaffen wurde. Die Nachfrage war vorher auch da, aber sie war halt nicht legal. Daher habe ich auch nie behauptet, dass es einen sprunghaften Anstieg an Konsumenten durch die Legalisierung gibt. Es gibt jetzt, nachdem Canabis legal ist, einfach nicht ausreichend Möglichkeiten, um legal Canabis zu erwerben.

Dass die OK sich in Deutschland wohlfühlt, ist ja kein Geheimnis und ist bekanntermaßen ein Ergebnis aus der Politik der letzten Jahrzehnte. Dennoch gibt es den anscheinend den spürbaren Aktivitätenanstieg bei den Kartellen in Deutschland und der wird plausiblerweise mit den neuen Möglichkeiten im Canabismarkt in Verbindung gebracht. (Denn bei den anderen Drogen hat sich seit April ja nichts geändert, außer dass da die Zahlen wohl weiterhin stetig geringfügig ansteigen).

Außerdem geht es hier ja auch nicht um den reinen Straßenwert pro Gramm. Der Supermarkt verkauft ja auch noch Tomaten, obwohl Avocados viel teurer sind. Von Gras kann man viel größere Mengen absetzen und das ist jetzt viel risikofreier möglich, weil die Dealer mit dem Zeug jetzt relativ sicher unterwegs sind. Also das Argument bzw. dein Gefühl, dass die OK seine Aktivitäten nicht ausweiten würde, weil der Handel mit anderen Drogen lukrativer ist, halte ich für nicht stichhaltig. Zudem schließt es sich ja auch auch überhaupt nicht aus, dass die Kartelle sich jetzt mehr in Deutschland involvieren weil sich die Marktbedingungen geändert haben UND Deutschland ein ganz guter Platz zum operieren ist.

Zuletzt haben sich - dem Interview mit einem Drogendealer von WDR-Westpol zu Folge welches bei der heute-show eingespielt wurde - sowohl die Straßenpreise als auch die Nachfrage für/nach Canabis seit der Legalisierung erhöht. Von daher dein Wissen über Straßenpreise in allen Ehren, aber da gibt es auch gegenteilige Berichte zu.

Alles in allem bleibe ich daher dabei, dass ein Scheitern des Gesetzes eine Gefahr darstellt, weil einfach zu wenig legales Angebot geschaffen wird. Damit gibt der Staat einfach unnötig Kontrolle (und potentiell auch Steuergelder) aus der Hand und wird seinem Versprechen, Drogenhandel einzuschränken, nicht gerecht werden können.

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Ich kann mich an einen Podcast erinnern, ich denke es war im Deutschlandfunk, aber ich finde ihn nicht mehr. Dort sprach ein Polizeivertreter, der mit den Mocrovorfällen betraut sei über die Motivion der OK. Danach wolle man das Chaos um die Cannabislegalisierung nutzen, um darüber einen Kundenstamm für härtere Produkte aufzubauen.

Also du hast Recht, es geht nicht um das schnelle Geld mit Cannabis. Aber es geht um Marktanteile und Kundenbindung für die profitablen Produkte.

Ich bin einigermaßen verwirrt über die Überraschung darüber welche Probleme es mit der Legalisierung gibt. Das Szenario, wie es jetzt eingetreten ist, haben Kritiker doch immer wieder vorhergesagt.

Es bringt wenig den Besitz zu legalisieren ohne zuvor die Infrastruktur zu schaffen. Nun haben wir den Salat, aber immerhin konnte die SPD in persona Herr Lauterbach endlich mal einen Erfolg vermeiden.

Vielleicht sollte man nun auf ein Watermark Verfahren umstellen. Eine staatliche Behörde gibt eine unbedenkliche Chemikalie heraus, die die zertifizierten Anbauclubs bereit gestellt bekommen. Die muss ins getrocknete Cannabis eingemischt werden. 1-2 Tropfen oder ein paar Milligramm Feststoff in einem Kilogramm Cannabis wären durchaus ausreichend. Die Verwendung und Mengen des Markers müssen protokolliert und bei Bedarf gegenüber dem Zoll nachgewiesen werden. Das machen Apotheken bei Eigenmischungen auch so.

Wer kontrolliert wird muss die Herkunft angeben. Ist das Cannabis aus einem Club, wird es stichprobenartig im Labor analysiert. Die Analysemethoden (bspw. HPLC mit oder ohne MS) sind günstig und gut automatisierbar.

Kommt es aus Eigenanbau müssen die Pflanzen nachgewiesen werden.

So könnte man zumindest Dealerware von legaler Ware unterscheiden und würde die Mafiastrukturen nicht noch fördern.

Danke für die ausführliche Antwort und das Nachliefern. Ob die Nachfrage gestiegen ist, war ja der größte Teil meiner Einwände. Verlässliche Zahlen sind das nicht, aber setzen wir mal voraus, dass das stimmt.
Jetzt wüsste ich gern noch, nach welchem Mechanismus die Legalisierung die Nachfrage auf dem Schwarzmarkt spürbar erhöht. Ich find das einfach unplausibel, wenn eine alternative Versorgung geschaffen wird, die zumindest einen Teil der Nachfrage befriedigt.
Steigende Gesamtnachfrage, weil das zuvor geringe strafrechtliche Risiko jetzt weg ist (ist es das bei Beschaffung auf dem Schwarzmarkt eigentlich?)?

Was die OK angeht: Ist es durch die Legalisierung eigentlich für die Behörden schwieriger, Dealer zu ermitteln, weil einfache, vielleicht teilweise auch zufällige Funde und Spuren über die harmlosen Kiffer:innen, die jetzt nicht mehr verfolgt werden können, fehlen?

Mein Punkt ist eigentlich, solange wir keine genaueren Untersuchungen haben, dass die Zusammenhänge und das wirkliche Geschehen naturgemäß etwas im Dunkeln liegen. Berichte aus der Welt der Kriminalität sind einfach so häufig anekdotisch und subjektiv gefärbt und kommen von Quellen, deren Entsprechung in anderen Bereichen man nicht gerade fachliche Autorität einräumen würde. Dazu kommen dann noch der teilweise sensationsheischende mediale Umgang mit Kriminalität die selektive Berichterstattung und Wahrnehmung.

Soll also nicht heißen, dass ich die vorab skizzierten Kritikpunkte an der Art der Legalisierung nicht für valide begründet halte und jede Einzelheit der Reform unterstütze.

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Das ist auch in Holland so, Coffeeshops dürfen Cannabis an Einheimische verkaufen, es gibt aber keinen legalen Weg für die Coffeeshops es zu erwerben. " Ein grundlegendes Problem der Duldungspolitik bleibt ungelöst: Die achterdeurproblematiek , das Problem der Hintertür. Die Polizei könnte leicht jeden Coffeeshop ruinieren, wenn sie am Lieferanteneingang die Drogenkuriere abfangen würde, denn der Anbau und die Einfuhr von Drogen sind nach wie vor illegal und werden mit bis zu vier Jahren Haft geahndet."

Nein, denn ein Blick ins Gesetz bringt:

(1) Es ist verboten, 1. Cannabis zu besitzen, 2. Cannabis anzubauen, 3. Cannabis herzustellen, […] 11. sich Cannabis zu verschaffen oder 12. Cannabis zu erwerben oder entgegenzunehmen.

(3) Vom Verbot nach Absatz 1 ausgenommen sind für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, 1. der Umgang mit Cannabis zu wissenschaftlichen Zwecken nach Absatz 4, 2. der Besitz von Cannabis nach § 3, 3. der private Eigenanbau von Cannabis nach § 9 und 4. der gemeinschaftliche Eigenanbau, die Weitergabe und Entgegennahme von Cannabis in Anbauvereinigungen nach den §§ 11 bis 23, 25, 26 und 29.

Der Kauf und Verkauf auf dem Schwarzmarkt ist also weiter verboten. Und auch strafbewehrt. Wer sich Cannabis auf dem Schwarzmarkt verschafft, wird laut Gesetz mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 3 Jahre (!) bestraft.

Unwahrscheinlich, weil wie gesagt diese harmlosen Kiffer weiterhin strafrechtlich verfolgt werden können, wenn sie sich auf dem Schwarzmarkt versorgen. Das wird für die Polizei vielleicht marginal schwieriger, weil sie nicht automatisch bei jedem Drogenfund davon ausgehen können, dass dieses Cannabis auf kriminelle Weise erworben wurde. Aber viele Polizisten haben ja die Legalisierung von Besitz explizit unterstützt, weil sie nicht jeden normalen Kiffer verfolgen wollten, nur weil der mit ein wenig Hasch in der Hose rumläuft.

Wenn die Polizei wirklich Druck auf jemanden ausüben möchte, weil sie sich davon Ermittlungsergebnisse gegenüber einem Dealer erhoffen, dann kann sie das auch weiterhin ohne Probleme.

Davon abgesehen sind die Straßendealer, die man mit solchen Zeugenaussagen vielleicht verknacken kann aber für die Lebendigkeit des Schwarzmarkes völlig irrelevant. Die können ersetzt werden. Wer den Schwarzmarkt kriminalistisch eindämmen möchte, der muss an die Verteilernetze ran, wo die großen Mengen verschoben werden. Und das scheint der Polizei weder bei Cannabis, noch bei Koks (das ja noch komplett illegal ist) derzeit zu gelingen.

Theoretisch ist denkbar, dass allein die Diskussion um die Legalisierung durch einen Publicity-Effekt zu einem erhöhten Konsum führt: Du hörst viel mehr über Cannabis, also bekommst du Lust darauf. Das ist das Grundprinzip jeder Werbung. So ein Effekt sollte aber relativ schnell auch wieder verschwinden.

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Polizeiliche Führungszeugnisse aller Vorstandsmitglieder, Gewerbezentralregistereinträge, Lageplan und Lageort des Clubs mit Flurnummer, ein Sicherheitskonzept für die Halle, in der Cannabis angebaut werden soll, Jugendschutzkonzept, Nachweise für die Überwachungskameras, Nachweise über Sicherheitstüren der Stufe 4, Nachweise über den sicheren Transport für Cannabis, Abluftanlagen, Haftpflichtversicherung und und und. Insgesamt, so schätzt er es, umfasst sein Antrag rund 120 Seiten. Alles musste er Schritt für Schritt hochladen, immer wieder sei dabei die Seite zusammengebrochen.

„Und dann lese ich in den Nachrichten, dass das nicht gültig sein soll? Noch bevor das LGL mir Feedback auf den Antrag gibt? Unfassbar ist das.“ Dass sein Antrag unvollständig sein soll, kann er nicht nachvollziehen, zumal man ihm zufolge auf der Internetseite gar nicht zum nächsten Schritt kommt, ohne die entsprechenden Dokumente hochzuladen. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, unser Anwalt hat alles gecheckt, das ist wasserdicht“, ist er sich sicher.

Manche Länder wollen nicht, dass die Cannabisclubs kommen, und suchen Wege, es den Menschen so schwer wie möglich zu machen. Nachdem die Clubs nicht kommen, weil man es de facto unmöglich gemacht hat, kann man dann argumentieren, dass es ja keine legale Möglichkeit des Bezugs gibt und das Gesetz als Ganzes für gescheitert erklären und in der nächsten Legislaturperiode wieder abwickeln.

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Ja das mit den verlässlichen Zahlen wird noch dauern fürchte ich. Die erste offizielle Evaluationsrunde des Gesetzes ist iirc im Oktober 2025. Bis dahin wird alles irgendwie anekdotisch und small sample size bleiben. Deshalb bleibt jede Argumentation eine die auf möglichst plausiblen Annahmen beruhen muss. Am Ende bleibt aber dass ein geplantes und versprochenes Gesetz mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht kommen könnte. Und zwar nicht, weil es angesichts irgendwelcher Daten nicht mehr sinnvoll erscheint, sondern weil es (und auch das ist ja nur ne Annahme an Hand von Medienberichten) entweder zu große politische Friktionen oder juristische Vorbehalte gibt.

Verstehe ich auch den Einwand, aber ich kann (als Nicht-Konsument) nur darüber spekulieren, wo der berichtete Nachfrageanstieg herkommt. Der vom @ped genannte publicity effekt erscheint mir nicht unpöausibel. Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass es jetzt einfach mehr Gelegenheiten zum konsumieren gibt, weil du als Verbraucher das Zeug permanent dabei hast: Früher hast du das in deiner Wohnung versteckt und vielleicht nur dort mit deinen Freunden konsumiert. Jetzt hast du es vielleicht in deinem Tabaketui ständig dabei oder nimmst es zumindest mit in die Stadt wenn du dich dort mit deinen Freunden triffst - weil du es auch da jetzt konsumieren kannst. Früher hast du also bei nem Abend auf der Piste nur gesoffen und nen Döner gegessen, jetzt kannst du alldieweil noch was rauchen.
Wie gesagt, auch das nur ne Annahme, die aber finde ich nicht unplausibel ist. Die Gelegenheit zum konsumieren ist jetzt einfach viel häufiger da und das führt ggf. zu einem gestiegenen Konsum und zwar ohne, dass der betreffende zwingend darauf folgert, dass er deshalb jetzt zum Eigenanbau schreitet.

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@Noergel Es war total interessant, die Sicht hier von Nichtkonsument:innen zu sehen. Ich meine das total Ernst :slight_smile: Wenn du dir Sorgen um den gegenwärtigen Stand der Legalisierung hast … ich kann dich direkt beruhigen. Das Gesetz ist extrem weird aber wir Kiffende arrangieren uns damit eben.

Ich persönlich bin zufrieden. Ich hatte früher schon Interaktionen mit der Polizei und zwei gegen Auflage eingestellte Verfahren. Ich bin einfach nur happy, weil ich nicht mehr bei Türklingeln innerlich wegen einer möglichen Hausdurchung zusammenzucken muss. Und ich habe es genossen, im Sommer draußen ohne Sorgen konsumieren zu können. Das hat es direkt auch sehr viel sozialer gemacht.

Was die heute show da sendet ist falsch. Es gibt eine legale Bezugsquelle für THC-haltiges Cannabis, das man in Mengen von 5-100g erwerben kann. Da es kein Btm mehr ist, genügt ein einfaches Privatrezept, und mit dem kann man pharmazeutische Blüten zu extrem konkurrenzfähigen Preisen kaufen. Die Strukturen gab es ja schon seit 2017, aber seit April sind die Preise stark gefallen, es gibt mehr und mehr Apotheken, und um mich herum nutzen eigentlich fast alle diese Möglichkeit zur Überbrückung bis zum ersten Grow. Von den Clubs redet niemand mehr. Ich weiß auch nicht, wo die den Dealer aufgegabelt haben. Ich höre immer mehr Anekdoten von Dealern, die jetzt aktiveres Kundenmanagement betreiten und Preise etwas reduzieren, und ihr Geschäft aufgeben müssen.

Ich habe ein paar Stimmen dazu gelesen, die die Versorgung mit Medizinalcannabis eher nicht so toll finden. Persönlich bin ich der Meinung, dass die Apotheke genau der Ort dafür ist. Wenn man die Abgabe von Medizinalcannabis (vielleicht mit Mengen- und Stärkenbegrenzung) rezeptfrei stellen würde, hätte man eine legale Abgabestellen mit bereits vorhanden Strukturen für Qualitätskontrolle, Jugendschutz, Besteuerung, etc. Mir gefällt es als Medikament in den Apotheken ganz gut, das schützt es vor Genusssteuern, ich mag die günstigen Preise gerade sehr.

Auch das ganze Wirrwarr mit den Abstandsregeln, das hat sich auch sehr schnell eingepegelt. Es hält sich niemand dran, und stört auch keinen, sofern man normal höflich ist und den Leuten nicht ins Gesicht qualmt.

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Vorweg: Ich konsumiere weder Cannabis noch Alkohol oder sonstiges.

Bei Apotheken sehe ich den Nachteil, dass die Öffnungszeiten oft sehr bescheiden sind und dort gut ausgebildetes Personal nötig ist.

Schnapsläden wie in Schweden (sowohl für Cannabis als auch Alkohol) fände ich ganz gut. Mensch muss kein Apotheky sein, um ein Ausweisdokument zu kontrollieren.

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Das sehe ich anders bzw. es ist mir letztendlich gar nicht so wichtig darüber groß nachzudenken, weil ich selbst ja keinen großen Einfluss auf die Gesetzesgestaltung dazu habe. Ich hatte nur den Eindruck, dass die Zielgruppe hier eher nicht so kifft und wollte nur etwas Erfahrungswerte einstreuen, damit sich hier keiner auf Basis von falschen Informationen Sorgen machen muss.

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Ja vielen Dank auch dafür! Ich hatte das mit den Apotheken in der Form auch nicht auf dem Schirm. Auch wenn ich persönlich das Privatrezept da noch als unnötige Hürde betrachte.
In meiner Wunschvorstellung hätte eine Legalisierung in Deutschland ohnehin keine Canabisclubs beinhaltet, sondern den Heimanbau und rezeptfreie Abgabe über Apotheken (damit hätte man stets ein Auge auf Qualität und Steuern gehabt). Dass Apotheken da jetzt nur so nen Halbschritt gehen (Abgabe ja, aber nicht ohne Rezept) finde ich unnötig. Wenn die shops nicht mehr kommen, wäre ja eine rezeptfreie Abgabe in Apotheken vielleicht noch ein sinnvoller Schritt.

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Zu medizinischem Cannabis findet sich hier wenigstens der Hinweis, dass die Importe im 50% gestiegen seien, nämlich von 8 auf 12 Tonnen.

Ist leider hinter der Bezahlschranke verschwunden, bevor ich es hier teilen konnte.