Naja, also das muss man schon relativieren.
Ich halte das Urteil auch - vor allem in seiner Schärfe - für zu hart, zumal der Täter in diesem Fall nicht vorbestraft war. Der Fall schildert sich aber dahingehend anders als der hier vorliegende, dass es sich um eine Fotomontage handelt. Verurteilt wurde daher auch nicht wegen Beleidigung, sondern wegen Verleumdung, weil Frau Faeser nach Ansicht des Gerichts etwas unterstellt wird und das Gericht zu der Einschätzung kommt, dass Menschen diese Fotomontage für echt halten könnten und deshalb glauben könnten, dass Frau Faeser tatsächlich diese Meinung vertritt. Ob das eine sinnvolle Einschätzung ist, darüber kann man sicherlich streiten. Dazu kommt noch, dass das Original auf dem Schild (“We remember”) ein Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus war, sodass man das “Ich hasse Meinungsfreiheit” auch in diesem Kontext betrachten muss (da sind wir dann schon sehr nah an der Verharmlosung des Holocaust).
Ein Schüler, der ein offensichtlich maßgeblich überspitztes Meme im Comic-Stil erstellt und ein politischer Journalist, der eine Fotomontage postet, die einfältige Menschen für echt halten könnten, sind jedenfalls zwei grundverschiedene Rechtslagen.
Dennoch gebe ich Recht, dass die Verurteilung zu hart war für eine Erstverurteilung, eine Geldstrafe i.H.v. 90 bis 180 Tagessätzen wäre völlig ausreichend gewesen. Es handelt sich hier allerdings nur um ein Urteil eines Amtsgerichts, Berufung wurde von beiden Seiten eingelegt (die Staatsanwaltschaft fordert eine noch höhere Strafe, 8 Monate ohne Bewährung, was mir tatsächlich absurd erscheint…). Ein Urteil eines Amtsgerichts ist aber eben erstmal nur das: Ein Urteil, wie es zehntausendfach jeden Tag in Deutschland ergeht, da wird man immer einige Ausreißer finden, Richter sind eben auch nur Menschen. Problematisch würde es erst, wenn ein solches Urteil den Zug durch die Instanzen überstehen würde, wovon ich nicht ausgehe.
In unsere Gerichte habe ich daher durchaus auch viel Vertrauen. In andere Institutionen, vor allem die Polizei und Staatsanwaltschaft, allerdings nicht, denn…
Ja, die Informationslage ist dürftig, aber ich denke, spätestens seitdem man gesehen hat, wie staatliche Organe mit pro-palästinensischen Protesten und Meinungsäußerungen (oder auch der Letzten Generation) umgegangen sind, muss man schon ganz schön blauäugig sein, um nicht wenigstens hellhörig zu werden bei solchen Aktionen wie hier.
… das sind ja auch alles Beispiele für ein fragwürdiges Verhalten von Polizei und Staatsanwaltschaften. Die Gerichte haben in vielen dieser Fälle die Aktionen der Polizeien und Staatsanwaltschaften klar für unrechtmäßig erklärt.
Etwas mehr Differenzierung zwischen “Polizei und Staatsanwaltschaft” (die gerne mal über’s Ziel hinausschießen) und “Gerichte”, die das dann wieder einfangen, wäre daher durchaus angemessen, statt allgemein “der Justiz” zu misstrauen.