Bundestagswahl-Experiment: Mehrheitsprinzip vs. Konsensieren

Ich halte kontrollierte (Labor-)Experimente für die zentralen Instrumente zum Erkenntnisgewinn. Kritischer halte ich es mit potentiell außer Kontrolle geratenden Experimenten. Ich habe mehrere Hypothesen zu den erwartbaren Folgen des vorgeschlagenen „Experiments“ aufgestellt. Nun wären Sie an der Reihe mit einer inhaltlichen Erwiderung.

Ich kenne die Autoren nicht. Ich möchte sie aber hier vor dem Vorwurf der Hybris in Schutz nehmen, dass sie für sich reklamiern würden, die optimale Berechnungsvorschrift für „Konsens“ gefunden zu haben. Genauso wenig reklamiere ich für mich, dass mein Gegenvorschlag „Mittelwert + doppelter Standardfehler“ die optimale Berechnungsvorschrift sei. Es wäre nun gerade an uns bzw. der Wissenschaften der Sozialwahltheorie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Berechnungsvorschriften miteinander zu vergleichen.

Technisches Erratum: „95% der Wähler lehnen den Kandidaten höchstens so stark ab“ wäre natürlich für die Summe aus Mittelwert + doppelte Standardabweichung und nur unter der Annahme einer Normalverteilung der Akzeptanzwerte der Fall. Das Problem bei der Konsensfindung sind aber ja gerade jene Wahloptionen die stark polarisieren (also definitiv keine normalverteilten Akzeptanzwerte haben).

Nichtsdestotrotz sollte es meinem Verständnis nach bei ein „Konsensfindungs-Wahl“ ja gerade darum gehen eine „mittel(-schlechte)“ Wahloption (10x „6“) einer stark polarisierenden Wahloption (5x „0“ und 5x „10“) zubevorzugen. Dementsprechend bleibe ich weiterhin bei dem (angepassten) Gegenvorschlag:
Summe aus Mittelwert + (doppelter) Standardabweichung.

Und nochmals: mir geht es hier nicht darum die beste Berechnungsvorschrift zu finden, sondern lediglich darum für die Komplexität der Fragestellung zu sensibilisieren.

Damit unterstellst du, dass die Gesellschaft insgesamt möglichst wenig Widerstände verspüren will.

Erstens kann „die Gesellschaft“ insgesamt nichts wollen, weil nur die einzelnen Personen, aus denen die Gesellschaft besteht, einen Willen haben können aber nicht die Gesellschaft als Kollektiv.

Nun ist es aber möglich, dass den einzelnen Menschen jeweils wichtiger ist a) ihre jeweilige Position ab und an bzw. in bestimmten Teilbereichen vollumfänglich bzw. weitgehend (vollumfänglich ist unrealistisch) verwirklicht zu sehen als b) keine Widerstände zu ihren Positionen zu verspüren. Man nimmt also in Kauf mit Entscheidungen unzufrieden zu sein/sie im Ergebnis abzulehnen in der Hoffnung, dass sich im Gegenzug auch einmal die eigene Position gegen Widerstände durchsetzen kann.

Zu meinem Demokratieverständnis gehört dazu, dass man alle Stimmen gleich wertet und eben nicht gewichtet oder mit irgendwelchen statistischen Methoden „Abweichungen“ anders behandelt. Der arithmetische Mittelwert ist weit verbreitet und behandelt alle Stimmen gleich. Alles andere halte ich deshalb für eine schlechtere Berechnungsmethode. Für die Akzeptanz der Methode ist es zudem von großem Vorteil, die Berechnung einfach zu halten.

Alternative Berechnungen, wie Sie sie anstellen kann man ja trotzdem durchführen, wenn die Rohdaten bereitgestellt werden (wie in meinem Ergebnisdokument), um bestimmten Fragestellungen auf den Grund zu gehen. Aber das sollten Analysen sein, mit denen sich nur Interessierte beschäftigen, nicht die gesamte Gesellschaft.

Noch 2 Tage bis zur Wahl, bislang sind es 34 Teilnehmende mit einer klaren Tendenz zu Grün-Rot:

Wer noch nicht teilgenommen hat, bitte teilnehmen. Wer schon hat, bitte Link weiter verbreiten:

Hier nun auch der Link zu den sich Live füllenden Ergebnissen (Quelle des obigen Screenshots):

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