Bündelung von Maßnahmen ist eine Hürde für den Klimaschutz

Studie: 'neutral and negative effects of policy bundling on support for decarbonization" von Renae Marshall, Sarah E. Anderson ET AL. März 2024

Die Studie soll laut dem Katapult Magazin (N34 September) ergeben haben, dass eine Maßnahmenbündelung zu einem Rückgang der öffentlichen Unterstützung führt.
Ich finde das interessant, da in der Lage eine solche Bündelung immer gefordert wurde. Was haltet ihr davon?

Hier eine Grafik dazu aus dem Magazin:


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Das ist die Studie:

Es handelt sich um eine Befragung von 2500 Teilnehmern nur in den USA. Mir scheint äußerst fraglich, ob die Ergebnisse auf Deutschland übertragen werden können.

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Hier ist das komplette Paper:

Im Abstract heißt es:

Policy bundling thus risks decreasing public support for decarbonization policies by alienating one ideological side of the electorate without gaining support from the other side. This risk exists even when policy bundling reduces polarization.

Die Verknüpfung von Entfossilisierungspolitik mit anderen Maßnahmen, die jeweils eine der politischen Gegner:innengruppen gut, die andere schlecht findet, reduziert den Support, weil eine Seite vor den Kopf gestoßen wird, ohne die Unterstützung durch die jeweils andere Seite zu erhöhen.

Zuvor heißt es übersetzt:

Wir untersuchten die Auswirkungen der Bündelung von Dekarbonisierung mit politischen Maßnahmen, die von Liberalen (soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Umverteilung), breiten parteiübergreifenden Koalitionen (Infrastruktur) und Konservativen (Aussetzung der EPA-Vorschriften) favorisiert werden, auf die öffentliche Unterstützung und Polarisierung. Die Bündelung mit der Aussetzung der EPA-Vorschriften verringerte die Unterstützung und Polarisierung, indem sie die liberale Unterstützung reduzierte, ohne die Unterstützung der Konservativen signifikant zu erhöhen. Die Bündelung mit sozialer Gerechtigkeit verringerte die Unterstützung und erhöhte die Polarisierung, indem sie die konservative Unterstützung verringerte, ohne die liberale Unterstützung signifikant zu erhöhen. Die Bündelung mit wirtschaftlicher Umverteilung und Infrastruktur änderte weder die Unterstützung noch die Polarisierung signifikant.

Angesichts viel stärkerer ideologischer Gegensätze und ausgeprägterem Tribalismus in den USA halte ich die Studienergebnisse ebenfalls für schwerlich übertragbar. Nach Mau et al. („Triggerpunkte“) ist Deutschland schließlich eine „Dromedar“- und keine „Kamel“-Gesellschaft.

Dass eine „Maßnahmenbündelung zu einem Rückgang der öffentlichen Unterstützung führt“, halte ich zumindest selbst für die Studie für irreführend, sofern nicht erklärt wird, was denn mit Maßnahmenbündelung gemeint sein soll.

Mit der Bündelung von Maßnahmen ist ja in diesem Fall nicht gemeint, dass Maßnahmen wie der Ausbau der Windkraft, der Photovoltaik gleichzeitig mit dem Umstieg auf Wärmepumpen, Fernwärme und Elektroautos sowie der Wiedervernässung von Mooren und der Aufforstung klimaresilienter Baumarten usw. erfolgen sollen, sondern eine Kombination aus Klimaschutzmaßnahmen mit anderen politischen Maßnahmen, die anderen Zwecken dienen und überwiegend jeweils einseitig umstritten sind.

Es wurde auf zwei Hypothesen getestet, die übersetzt lauten:

H1: Die Verknüpfung der Dekarbonisierungspolitik mit einer zusätzlichen Politik, die verschiedene ideologischen Gruppen (Liberale, Gemäßigte oder Konservative) anspricht, wird die Gesamtunterstützung erhöhen, weil die Unterstützung durch diese Gruppen gestärkt wird.

H2: Die Polarisierung wird bei den gemäßigt-attraktiven und konservativ-attraktiven (liberal-attraktiven) Bündeln abnehmen (zunehmen), weil Gemäßigte und Konservative (Liberale) das Bündel mehr mögen werden als die Dekarbonisierung allein.

Das Vorgehen wird zusammenfassend so beschrieben (übers.):

Wir baten die Befragten, ihre Unterstützung für vier Dekarbonisierungsmaßnahmen anzugeben, die jeweils entweder zusammen mit einer weiteren Maßnahme oder allein vorgestellt wurden. […]
Im Anschluss an die vier Fragen zur Unterstützung der Maßnahmen gaben die Teilnehmer an, wie sehr sie der Meinung sind, dass jede der Maßnahmen das wirtschaftliche Wohlergehen ihres Haushalts beeinträchtigen würde und wie wichtig ihre Ansichten zu diesen Maßnahmen für ihre Identität sind (beides wird hier nicht analysiert). Die Teilnehmer wurden nach ihrer politischen Ideologie gefragt (sehr liberal; liberal; leicht liberal; leicht konservativ; konservativ; sehr konservativ). […]
Die politischen Fragen wurden am Ende des Fragebogens gestellt, um ein Priming der Befragten zu vermeiden […].

Man hat sich für einen Fifty-fifty-Split zwischen (eher) Konservativen und (eher) Linksliberalen entschieden, die zur Auswertung in drei Gruppen (Liberal/Dem., Moderate/Ind. und Conservative/Rep.) zusammengefasst wurden.

Die Items mitsamt Verknüpfungsvarianten sind in Tabelle 1 (6. Seite des PDF) nachzulesen. Sie konnten auf einer Vier-Punkt-Skala von starker Zustimmung bis starker Ablehnung bewertet werden.

Die Verknüpfung verschiedener Politiken hat entweder die Gesamtunterstützung verringert oder keinen Effekt gehabt. „Im teilweisen Einklang mit H2 nahm die Polarisierung im konservativ-attraktiven Bündel ab. […] Im Gegensatz zu den Vorhersagen in H2 haben die Bündel wirtschaftliche Umverteilung (liberal unterstützt) und Infrastruktur (gemäßigt unterstützt) die Polarisierung nicht signifikant verändert, da sie die Unterstützung der liberalen oder konservativen Befragten nicht erhöht oder verringert haben.“ (Übers.)

Zusammenfassend heißt es (übers.):

Wir haben die Hypothese getestet, dass die Bündelung von Dekarbonisierungsmaßnahmen mit anderen Maßnahmen zu einer größeren Gesamtunterstützung durch eine breitere Wählerkoalition führen würde als die ursprünglich vorgeschlagene Dekarbonisierungspolitik allein. Stattdessen fanden wir heraus, dass die Bündelung entweder keinen Einfluss hat oder die Gesamtunterstützung für die Politik in allen vier Varianten abnimmt.

Die Beziehung zwischen Polarisierung und Unterstützung hat sich auch nicht so entwickelt, wie einige Befürworter von politischen Frameworks oft vorhersagen. […]

Entscheidend ist, dass eine geringere Polarisierung nicht zu einer höheren Gesamtunterstützung führte.

Interessant ist jetzt noch Folgendes (übers.):

Die psychologischen Auswirkungen des Negativity Bias könnten erklären, warum eine geringere Polarisierung die Unterstützung in unserer Stichprobe nicht erhöht hat. Die psychologische Forschung legt nahe, dass Menschen negative Attribute oder Verluste bei der Bewertung von Informationen stärker gewichten (Baumeister et al. 2001). In diesem Zusammenhang geht die Verlustaversion im Rahmen der Prospect-Theorie davon aus, dass Menschen erwarten, dass der Schmerz von Verlusten die Freude über entsprechende Gewinne überwiegt (Kahneman und Tversky 1979). Negativity Bias könnte zu einer geringeren Unterstützung führen, weil diejenigen, die die Politik allein unterstützt haben, ihre Unterstützung aufgrund ihrer Abneigung gegen die zusätzliche Politik verringern. Bündel von Maßnahmen, die von Personen an entgegengesetzten Enden des ideologischen Spektrums unterstützt werden, können einen Negativity Bias auslösen, insbesondere weil die Zugehörigkeit zu einem politischen Lager [bzw. Parteilichkeit für ein politisches Lager] für die soziale Identität der Personen wichtig ist (West und Iyengar 2022).

Abschließend heißt es (übers.):

Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass ein zu optimistischer Ansatz bei der Verknüpfung von Maßnahmen zu einem Rückschlag führen kann, da die Unterstützung durch einige Untergruppen der Wählerschaft verloren geht, ohne dass sie in den Zielgruppen zunimmt.