Bildung in Deutschland im internationalen Vergleich

Hallo,

im Moment kocht grade dieses Video in meiner „Bubble“ hoch;

Youtube-Video

Das Thema Bildungspolitik ist ja nicht neu aber ich finde den Vergleich mit Indien und anderen „Entwicklungsländern“ besonders eindringlich.
Noch schlimmer fand ich den Vergleich mit dem alten Realschul-Unterlagen.

Schon bei meinen Kindern war ich über die Unterlagen (Bücher konnte man das Zeug nicht mehr nennen) erschreckend. Das ist jetzt 8 Jahre her. Ist D international wirklich so weit abgehängt wie der Prof deutlich macht? Mein Mathe-LK liegt schon 40 Jahre zurück aber ich habe Zweifel, dass ich damals auch nur eine der indischen/chinesischen Fragen hätte beantworten können.

Vielleicht könnte die Lage ja mal mit dem Prof reden?

Nein, weil im Endeffekt diese Leute sehr gut in Mathe sein können aber dann viele andere Fähigkeiten nicht haben.

Was schon stimmt: Wenn man sich hyperfokussiert auf den Geisteswissenschaften weil man noch glaubt hier Dichter und Denker zu bilden (quod non), dann kommt das raus.

Das ganze gesellschaftlich umzubiegen wird nahezu unmöglich sein. Ich setze bei meinen Kindern auf Homeschooling für Mathe und Informatik.

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Die philosophischen Fakultäten nahezu jeder Uni werden sich freuen, diese Neuigkeit zu erfahren!

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Ich kann gerade auf die Schnelle keine Forschungsergebnisse finden, aber soweit ich mich erinnere, ist eine spätere Trennung der Kinder aufgrund von Entwicklungsprozessen im Gehirn sinnvoller. Auch Sozialkompetenz und eigenes Selbstvertrauen könnten nach zwei Jahren mehr Grundschule besser entwickelt sein.
Meine Beobachtung aus Erfahrung in der Praxis mit Grundschülern und Collègeschülern (Ich hatte 6. - 9. Klasse) ist, dass das fünfte Jahr Grundschule in Frankreich sehr sinnvoll ist, denn auch wenn es keine Aufteilung in Gymnasium und andere weiterführende Schulen gibt, bemerkt man bei den Kindern einen Reifeprozess, der sie nach der fünften Klasse, aber eben auch erst dann, geradezu nach dem Sprung auf die weiterführende Schule „lechzen“ lässt. Zwei Jahre mehr Grundschule in Deutschland wäre also vielleicht zu viel (Ja, Bauchgefühl, kein Wissen, ich weiß).
Ich denke, es ist nicht wirklich der Übergang zwischen Grundschule und weiterführender Schule. Der Knackpunkt ist die Art des Lernens, strukturell.
Wir sind zumindest zum Teil zu sehr in veralteten Konzepten hängengeblieben.
Wenn es genug Lehrer gibt, ausgestattete Schulen, differenzierte Förderung, dann ist es kein Problem, gemeinsam zu lernen. Aber eigentlich fehlt es völlig an einer breiten Fächerung der Förderung. Wo z.B. ist die Förderung von Kindern, deren Talent und Interesse in eine handwerkliche Richtung gehen?
Ich weiß, es ist schwierig. Ich habe keine Lösung. Aber die Aufteilung der Kinder à la Aschenputtel „Die Guten ist Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ ist eben auch nicht geeignet. Das sorgt u.a. dafür, dass Eltern alles dafür geben, dass ihre Kinder bloß auf das Gymnasium kommen, auch wenn es für ihr Kind vielleicht gar nicht der geeignete Weg ist.
Mehrfach habe ich von Durchlässigkeit gelesen. Wenn es die im System wirklich gäbe und nicht nur auf dem Papier, wäre uns schon viel geholfen. Bisher ist es extrem hart, diesen Weg zu gehen. Und: Finden SuS auf Real-, Gemeinschaftsschule oder wie sie alle heißen überhaupt Lernbedingungen vor, die ihre Potenziale ausschöpfen? Mir geht die Argumentation Pro-Gymnasium immer zu sehr in eine kurzsichtige, egoistische Eliteförderungs-Richtung. Jede/r, der/die sich dafür einsetzt, müsste theoretisch bereit sein, sein Kind auch auf eine Hauptschule (Gibt es die überhaupt noch?) zu schicken. Aber das sind die meisten nicht. Und es ist eben kein Zufall, dass der Prozentsatz von SuS aus bildungsfernen Familien an Gymnasien gering ist.

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Der Prof bezieht sich ja auf Mathe bzw. MINT-Fähigkeiten und verzweifelt an dem, was auf den Unis ankommt.
Ich fürchte aber bei den Schulabgängern sieht es mit den anderen Fähigkeiten auch nicht besser aus. Zumindest was ich an Rechtschreibung im INet sehe lässt mich oft schaudern.

Vielleicht sind unsere Anforderungen an das, was Schulen leisten sollen, falsch? Verlagert das Elternhaus Teile seiner Erziehungsaufgaben in Schule (und Kindergarten) - worunter dann der Bildungsauftrag (womit ich die Vermittlung von Wissen meine) leidet?

Dabei weiß man aus den Bildungswegen zweier der profiliertesten „Dichter und Denker“ doch recht genau, dass Goethe Rechtsanwalt und Schiller Regimentsarzt in der Herzoglich Württembergischen Armee war.

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Das ist zum einen mehrheitlich so gewollt und zum Teil wirtschaftlich notwendig.

Einen Alleinverdiener, der seiner Familie eine Immobilie, ein Auto und zwei Jahresurlaube bestellen könnte, findet man heute nur noch im obersten Dezil der abhängig Beschäftigten.

Hintergrundinfo:
Ich habe 2002 in Bayern mit Mathe und Erdkunde Leistungskurs Abitur gemacht und danach (2003 – 2009) Maschinenbau in Baden-Württemberg studiert. Meine Kinder sind noch nicht in der Schule, daher habe ich kein aktuelles Wissen, wie es um unser Bildungssystem bestellt ist.

Ich denke die Frage hat zwei Aspekte. Das absolute Bildungsniveau selbst und die Frage was man sich für seine Bildung leisten kann.

Absolutes Bildungsniveau

Beim absoluten (messbaren) Bildungsniveau würde ich sagen es kommt auf das Bundesland an.

Es ist ja bekannt, dass wir 16 verschiedene Bildungssysteme mit unterschiedlichen Niveaus haben, aber erst im Studium ist mir ersichtlich geworden, wie extrem die Unterschiede sind.

Höhere Mathematik 1 & 2 an der Universität (entspricht ungefähr dem Niveau von dem JEE Test aus dem Video) war für mich Wiederholung des Schulstoffs. Knackig wurde es erst mit HM3 und Technischer Mechanik 2.

Meine Kommilitonen aus Württemberg mussten schon kämpfen und die beiden aus Hessen und NRW haben gar nichts gerafft und mussten abbrechen.

Relatives Bildungsniveau

In Deutschland findet sich in der Peripherie eines nahezu jedem Orts ein Mittelständler, der in seinem Spezialgebiet globaler Markführer ist. Dort kann man sich auch ohne Hochschulabschluss ein auskömmliches Leben verdienen.

In Indien gibt es zum einen keinen Mittelstand und zum anderen ein gesellschaftlich hemmendes Kastenwesen. Nur die Besten der Besten haben somit überhaupt eine kleine Chance durch Bildung einen sozialen Aufstieg zu erfahren.

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Das ist mit dem Video auch ein Stück weit gewollt. Deutsche Realschulaufgaben von vor 50 Jahren mit heutigen Aufnahmeprüfungen der indischen MINT-Eliteunis zu vergleichen, ohne die ganzen Faktoren drumherum zu betrachten, ist viel zu kurz gegriffen.

Erschreckend finde ich vor allem die Reaktion des NRW-Schulministeriums. Das gibt laut Frankfurter Rundschau lediglich zu bedenken, dass ein Vergleich zwischen JEE und dem deutschen Rahmenlehrplan unangemessen sei, da beim JEE in vielen Bereichen Kenntnisse abgeprüft würden, die [in Deutschland, Anm.] erst in einem Hochschulstudium vermittelt würden. Das heißt im Grunde, weil Indien hohe Ansprüche an Schüler stellt, sollten wir unser Schulsystem nicht vergleichen.

Ich würde mir einen stärkeren Fokus im deutschen Schulsystem auf MINT Fächer wünschen. Ob man unbedingt viel umfangreichere Fähigkeiten (Beweise, Abstraktion, …) ausbilden muss, da bin ich mir gar nicht sicher. Aber man sollte viel mehr Wert darauf legen, dass Schüler verstehen, warum wichtig ist, was sie da lernen und was man damit tolles machen kann.

Ich bin immer wieder erschüttert, wenn ich mitbekomme, wie schwer es Mitbürgern fällt

  • Größenordnungen richtig einzuschätzen. Ein Student erklärte mir bei einer Datenauswertung kürzlich völlig selbstbewusst, dass nur alle 5 Millionen Sekunden mal jmd. bei uns anrufe. Das wären etwa alle 4 Jahre. Ähm, nein – bitte nochmal rechnen
  • Zahlenreihen zu verstehen, Stichwort Entwicklung von Potenzreihen oder Exponentialfunktionen und was diese bedeuten. Da hätte uns mehr Verständnis in der Bevölkerung 2020–2022 den Arsch hätte retten können. Und auch für die ganze Rententhematik wäre dieses Thema unheimlich wichtig.
  • mithilfe von einfacher Statistik und oder Stochastik Potenziale und Risiken abzuschätzen und Erwartungswerten gegenüberzustellen. Sind AKW eine Hochrisikotechnologie, wenn statistisch etliche mehr Menschen bei einem Marathon tödlich verunglücken?
  • ein Verständnis für optimale Strategien bei begrenzten Ressourcen zu entwickeln. Ist es wirklich clever, wenn jeder Privatmensch sich eine kleine PV-Anlage aufs Dach montieren lässt? Vor allem, wenn in gleicher Zeit und mit gleichem personellen Aufwand doppelt soviel kW auf Bürogebäuden oder Mehrfamilienhäuser realisiert werden könnten.

Das sind alles Fähigkeiten, für die man kein Einstein sein muss. Tatsächlich könnten wir damit als Gesellschaft aber viel bessere Entscheidungen treffen.

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Das sind auch alles Fähigkeiten, die sehr wenig zu tun haben mit dieser Art von harter Mathematik.

Ein Freund von mir, der solche Leute betreute, sagte mir: Die können sehr gut „Number Crunchen“, aber brauchen durchaus mehr Führung und Richtung als die lokalen Kommilitonen.

Diese Zahlen-basierte Mathematik sieht wohl geil aus aber braucht man eigentlich gar nicht für die Abstraktion und Logik, die man haben möchte. Da reicht auch die Mathematik, die es in der Schule gibt, mit dazu ordentlichen Beweisen (diese werden oft nicht mehr gefragt weil „zu schwierig“).

Mich würde ja interessieren, ob in den 70er tatsächlich Beweise verlangt wurden, so wie es in dem Video oben in dem Buch zu sehen ist.
Es könnte ja auch sein, dass in der Aufgabe steht „beweise, dass …“ aber nur gemeint ist „zeige, dass …“. Dann würde nämlich eine einfach Rechnung mMn ausreichen. Die Lösung wird ja leider nicht gezeigt. Kann ja jemand etwas Verlässliches zu sagen oder kennt das Buch?

Beim Spiegel-Archiv gibt es einen mMn ganz hervorragenden Artikel aus dem Jahre 1974 zu dem Thema Schulmathematik. Da kann man u.A. sehr schön sehen, was für Widerstände kommen können, wenn man den Mathematik-Unterricht fordernder macht:

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