Biden vs Trump 2024: Israelischer Militäreinsatz

Hallo zusammen,

ich habe mich ja schon öfter für deutliche Zeichen der westlichen Staaten gegenüber Israels Regierung geäußert. Nachdem ich kürzlich den FAZ Podcast für Deutschland gehört habe, habe ich ein gewichtiges Argument mehr.

In

erklärt der FAZ Nachrichtenchef Andreas Ross nach seiner letzten USA Reise seine Eindrücke aus dem Land und vor allem nach der Michiganvorwahl der Demokraten.

Dort kassierte Biden ungewöhnlich viel Ablehnung, vor allem wegen seiner als israelfreundlich empfundenen Haltung im aktuellen Konflikt. Ross gibt sogar (muslimische) Anhänger der Demokraten wieder, die erklären lieber jemanden wählen zu wollen, der verhindert, dass ihre palästinensischen Freunde und Familien sie in den USA nicht besuchen dürfen (Muslim Ban von Donald Trump) als jemanden, den sie als Mitverantwortlichen an der Ermorderung ihrer Freunde und Familie wahrnehmen (Joe Biden). Mittlerweile spricht man in der linken und der muslimischen Community auch von Genocide Joe.

Man muss diese Haltung nicht teilen. Ich persönlich halte das auch für zu hart. Aber bei Michigan handelt es sich um einen wichtigen Swing State und dieses Empfinden geht, nach allem was ich höre, durchs ganze Land und wird immer schlimmer. Es ist ohnehin zu erwarten, dass die Wahl sehr knapp ausgehen wird.

Der israelische Militäreinsatz kann damit ein wichtiger Faktor sein, der Donald Trump wieder an die Macht bringt. Das können wir Europäer nicht wollen und gerade deswegen müssen wir hier als westliche Welt deutlicher auftreten. Bei diesem Konflikt steht aus meiner Sicht mehr auf dem Spiel als nur der Kampf gegen Antisemitismus.

Ich habe den Podcast auch gehört und war erschrocken. Nicht so sehr über die Schärfe, mit der Biden kritisiert wurde - der Diskurs ist in weiten Teilen der USA aus meiner Sicht ziemlich irrational geworden, sondern darüber, dass jemand öffentlich erklärt, gegen seine eigenen Interessen wählen zu wollen. Eine Formulierung, die ich noch im Kopf habe (sicher nicht korrekt zitiert) ist „self-respect is more important than self-interest“. Sprich: Den Leuten ist völlig klar, dass sie als Muslime in den USA von Trump nichts Gutes zu erwarten haben. Ich weiß nicht, ob ihnen auch klar ist, ist dass Trump im Zweifelsfall nicht auch nur einen Finger dafür krümmt, damit es den Palästinensern besser geht.
Der Podcast zeigt aus meiner Sicht auch nochmal, wie gefährlich (weil extrem emotionalisierend) die leichtfertige Rede von einem Genozid ist.
Meine Einschätzung wäre: Wenn Politik sich nach solchen Emotionen ausrichtet, hat sie eh verloren. Sprich: Biden wird die Wahl nicht gewinnen, nur weil er jetzt propalästinensischen Wählern nach dem Mund redet. Das Misstrauen gegen ihn, die Demokraten und das politische System sitzt viel tiefer - auch bei Leuten, die niemals Trump wählen würden. Ich bezweifle, dass man das mit noch mehr Populismus wieder hinkriegt.

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Darüber habe ich mich auch erst gewundert. Aber dann musste ich an die Geringverdiener denken, die AfD wählen wollen weil die übrigen Parteien ihre Bedürfnisse nicht ernst genug nehmen.

Das mag uns irrational erscheinen, aber ich glaube es ist ganz normal. Wenn ich meine elementaren Interessen durch die von mir unterstützte regierende Partei nicht vertreten sehe, dann gehe ich zur „Alternative“ um den Regierenden den Finger zu zeigen, auch wenn die in Wahrheit keine Alternative ist. Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

Natürlich wird Trump die Palästinenser nicht schützen. Er hat in seiner Amtszeit sogar die Zweistaatenlösung begraben indem er entschied die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. Aber Trump spricht halt aktuell nicht darüber, so dass seine Unterstützung nicht wahrgenommen wird[1].

Mir scheint Biden hatte hier einfach schlechte Berater. Die dürften, ähnlich wie du, davon ausgegangen sein, dass wohl kaum ein Araber je auf die Idee käme einen islamophoben Rassisten wie Trump zu wählen. Demgegenüber weiß er, dass eine scharfe Kritik Israels riskant ist, denn die Mehrheit der Juden in den USA steht eher den Demokraten nah[2]. Daraus leitete er vermutlich ab, dass Juden bei zuviel Druck auf Israel wohl easy auch zu den Republikanern abwandern könnten, während Moslems ohnehin keine Alternative hätten. Nun scheint, dass er sich damit verzocken könnte und die rechtsextreme israelische Regierung sich wohl bei Trumps Wiederwahl die Hände reiben wird.

Soll Europa dieses Spiel wirklich mitspielen, obwohl wir uns damit selbst in den Fuß schießen?

[1] https://www.nytimes.com/2024/03/01/us/politics/donald-trump-israel-gaza.html
[2] https://www.pewresearch.org/religion/2021/05/11/u-s-jews-political-views/

Biden kritisiert ja Israel schon für einen US-Präsidenten vergleichsweise scharf. Bei den „liberal“ (aka linken) Juden in den USA droht wohl auch weniger, dass sie Trump wählen, als dass sie gar nicht wählen. Das dürfte eh sein Hauptproblem werden, auch wenn man sich andere Wählergruppen anschaut (siehe etwa die Primaries in North Carolina).
Es kann natürlich sein, dass das nun der berühmte Tropfen wird, der das Fass… aber dann wäre anders gesehen ja das Fass schon vorher reichlich voll.

Konkret ist ja die Frage, was Biden deiner Meinung nach mit besseren Beratern tun sollte.
Und was meinst Du damit ob Europa „dieses Spiel“ mitspielen will?

Klar, die Wechselwähler werden nicht die Hauptgruppe sein. Viel mehr werden aus Protest Biden nicht wählen und damit quasi Trump in den Sattel helfen. Da stimme ich dir zu. Im Einzelfall wird es aber bestimmt auch Protest-Wechselwähler geben.

In irgendeiner Meldung hatte ich kürzlich etwas über eine perfide Taktik der Republikaner gelesen. Um das Lager der Demokraten weiter zu spalten will man wohl Anzeigen im öffentlichen Raum schalten in denen Trump sich bei Biden für seine grenzenlose Unterstützung Israels bedankt. Das wird dann brandgefährlich, denn damit wird auch noch ein Paktieren von Trump und Biden suggeriert.

Israel Konsequenzen mitteilen. Beispielsweise könnte man die Botschaft in Jerusalem, ein Trump Projekt, dass die Zweistaatenlösung beerdigen sollte, wieder schließen. Oder die USA könnte eine UN Resolution anstoßen, in der Israel zur Achtung internationalen Rechts aufgerufen wird, statt sie stets zu blockieren. Er könnte auch Ankündigen die Zusammenarbeit im Bereich der Geheimdienste einschränken oder gemeinsame wirtschaftliche Projekte nicht weiter zu fördern. Jede tatsächliche Handlung macht schon mehr Eindruck auf die israelische Regierung als ein erhobener Finger, auf den dann aber doch grenzenlose Unterstützung folgt. Und wenn er nur aus Protest israelisches Botschaftspersonal ausweist.

Mit dem Spiel meine ich die Tendenz Europas vor ausdrücklicher Kritik Israels samt Folgen zurückzuschrecken, weil man vor Vorwürfen Israel zu diskriminieren oder die israelische Sicherheit zu gefährden, Angst hat. Damit spielt man aber den Rechtsextremen Headlinern in den USA, Israel, aber auch im arabischen Raum oder in Russland in die Karten. Israel kann weiter an der Schaffung eines Israels vom Jordan bis zum Meer arbeiten (habe ich tatsächlich kürzlich auf einer israelfreundlichen Kundgebung gesehen und ist damit kein Alleinstellungsmerkmal von Antisemiten), während rechte Populisten wie Trump von Krisen profitieren. Und die arabische Welt, ebenso wie Russland oder China können mit dem Finger auf die ach so moralische westliche Welt zeigen, die aber wegschaut wenn sie selbst Völkerrecht verletzt. Alle diese Seiten profitieren von der Situation wie sie ist und alle sind schlecht für Europa.

Ganz abgesehen davon, ob ich die von dir vorgeschlagenen Schritte richtig fände, bezweifle ich doch arg, dass sie irgendjemanden, in dessen Kopf derzeit Phantasmen wie „Genocide Joe“ rumwandern dazu motivieren würden, dennoch Biden zu wählen. Ich weiß auch nicht, ob ich mir einen US-Präsidenten wünsche, der sich demonstrativ gegen Israel stellt, um eine Wahl zu gewinnen.

Kannst du das begründen? Ich gebe zu, ich habe auch schon Protest gewählt, nachdem die von mir präferierte Partei sich in einem für mich wichtigen Politikfeld (Umgang mit Kindern während Corona), völlig anders entschied als ich das für richtig hielt.

Ich bin mir 100%ig sicher, hätte die Partei noch vor der Wahl ihre Position geändert, hätte ich ihr meine Stimme gegeben. So habe ich meinen Protest erst per Email zur Kenntnis gegeben und später dann meine Stimme zugunsten einer Kleinpartei verweigert.

Mir war die deutliche Ablehnung eines falschen Wegs wichtiger als zu verhindern, dass die AfD 0,0001% mehr Stimmanteile bekommt weil meine Stimme der 5% Hürde zum Opfer fiel.

Und ehrlich gesagt muss man, denke ich, kein hoffnungsloser Fall sein, um sich mehr Druck von Joe Biden auf Netanjahu zu wünschen. „Genocide Joe“ ist doch nur ein möglichst lautes Label für ein empfundenes Problem.

Klar kann ich meine Skepsis begründen: Ich finde „Genocide Joe“ eine ziemlich krasse Aussage, etwa auf einem Level mit sowas wie „Lügenpresse“ oder „Systemknecht“. Das zeugt aus meiner Sicht für eine sehr starke und emotional aufgeladene Ablehnung bzw. für Ressentiment. Dagegen kann es zwar prinzipiell helfen, das Vertrauen in Politik durch entsprechende Maßnahmen und Kommunikation wieder herzustellen, aber ich das ist erstens m. E. ein sehr langwieriger Prozess und zweitens glaube ich nicht, dass die von Dir vorgeschlagenen Maßnahmen dafür ausreichend wären.

Das sind aus meiner Sicht zwei sehr verschiedene Dinge. Das eine ist ein rationaler, realpolitischer Wunsch, das zweite ist - sprechen wir es nochmal aus: Dem US-Präsidenten zu unterstellen, er würde einen Völkermord gutheißen, propagieren oder unterstützen - ist eine komplett irrationale, emotionsgetriebene und affektive Zuschreibung. Über die leichtfertige Verwendung des Begriffs Gennozid haben wir ja schon mal diskutiert. Ich finde das nicht nur einfach „laut“.

War auch mein Gedanke. Wir können uns gut daran erinnern. Ausgeschlossen, dass jemand, dem Palästina am Herzen liegt, sich nicht daran erinnern kann.
Es geht also nicht darum, Trump zu wählen, sondern Druck auf Biden aufzubauen oder das, was soziale Netzwerke einem eingetrichtert haben, nachzuplappern.

Ich fürchte es ist mehr als Nachplappern. Wenn ein intellektuelles Schwergewicht wie Judith Butler (und das meine ich ausdrücklich nicht ironisch!) ernsthaft sagt, das Abschlachten von Frauen und Kindern in israelischen Kibuzzim am 7. Oktober sei „weder terroristisch noch antisemitisch“, sondern ein „bewaffneter Aufstand“ und fordert, darüber zu debattieren(!) ob das „die richtige Strategie“ sei, kriegt man einen Eindruck davon, wie lost Teile des (potenziellen) Biden-Elaktorats bei diesem Thema sind.

Ich denke, es ist nicht zielführend eine jüdische Aktivistin, die JVP und BDS unterstützt in einen Topf zu werfen mit Muslimen, die auf der Straße sich dafür aussprechen, Trump zu wählen, weil ihnen die Biden-Politik zu israel-freundlich sei.
Dass es bei ihr mehr als Nachplappern ist, ist logisch.

Edit: habe auch auf die Schnelle keine Aufrufe von ihr gefunden, Trump zu wählen.
Worum es mir geht: wer in ein Mikrofon sagt, er unterstütze Trump wegen Bidens Israel-Politik ist unglaubwürdig oder uninformiert.

Der einzige „Topf“, in den ich Leute „geworfen“ habe, wenn du so willst, ist der Topf von Menschen, die 2020 Biden gewählt haben und es dieses Jahr wegen seiner Nahostpolitik nicht mehr tun werden. Und genau das ist ja der Kontext meiner Äußerung in diesem Thread gewesen: es ging um Menschen, die wegen ihrer sagen wir mal sehr dezidierten Haltung zum Krieg zwischen Hamas und Israel 2024 nicht Biden wählen wollen. Dazu wurde die Frage aufgeworfen, ob diese Leute durch bestimmte politische Maßnahmen dazu motiviert werden könnten, Biden doch zu wählen. Nun weiß ich nichts über Butlers persönliche Wahlentscheidung (weder 2020 noch 2024), aber ich habe sie stellvertretend angeführt als prominente Vertreterin einer gerade Universitäten und in der Linken in den USA stark verbreiteten Haltung, die ich als so „stark“ (im Sinne von emotional und unveränderbar) halte, dass ich das bezweifle. Darüber hinaus habe ich mich weder über Gemeinsamkeiten zwischen Butler und dem in dem Podcast interviewten Muslim aus Michigan geäußert, noch habe ich je behauptet, dass Butler vorhabe oder gar dazu aufrufe, Trump zu wählen. Insofern habe ich dich vermutlich missverstanden. Ich dachte, du beziehst „nachplappern“ auf bestimmte propalästinensische Narrative und nicht ausschließlich auf die Unterstützung Trumps. My bad.

In der aktuellen Lage wird Bidens Dilemma sehr gut beschrieben. Hörempfehlung