Die Hamburger Bezahlkarte (SocialCard) sieht wie die weiteren Bezahlkarten (z. B. die Bezahlkarte der PayCenter GmbH in Bayern) ein Barabhebelimit von 50 € pro Leistungsempfänger vor.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Pro Asyl hatten die schutzsuchende Familie bei der Klage unterstützt. „Die Einführung einer Bezahlkarte mit erheblichen Beschränkungen missachtet die Grundrechte der Betroffen. Die Entscheidung aus Hamburg bestätigt, dass eine pauschale Bargeldobergrenze von maximal 50 Euro für Schutzsuchende nicht haltbar ist, ohne das menschenwürdige Existenzminimum zu gefährden“, sagte Lena Frerichs, Verfahrenskoordinatorin und Juristin bei der GFF. „Existenzsichernde Leistungen müssen sich an den konkreten Bedürfnissen und Umständen des Einzelfalls orientieren. Eine Mammutaufgabe für die Verwaltung – aber unabdingbar zur Wahrung der Grundrechte.“
Da ich kein Verfassungsrechtler (noch irgendein sonstiger Jurist) bin fällt mir hier eine rechtliche Beurteilung schwer. Moralisch finde ich es schwer, dass Konzept der Bezahlkarte zu verteidigen. Diese Karten werden ganz offensichtlich nicht aus sachlichen Gründen eingeführt, sondern um Menschen für ihre Migration nach Deutschland zu bestrafen, unabhängig davon, ob diese Migration rechtens ist. Das an sich ist schon verwerflich. Noch dazu sind sie der offensichtliche Einstieg in eine weitere Drangsalierung von den deutschen Empfängern staatlicher Leistungen durch ähnliche Maßnahmen.
Anstatt Menschen ständig für ihre Armut zu bestrafen sollten insbesondere „konservative“ und „liberale“ Politiker endlich mal die Bedingungen dafür schaffen, dass Menschen nicht bei dem Versuch Arbeit zu finden Steine in den Weg gelegt werden und der Bürokratieabbau nicht nur für Unternehmen sondern auch für Bürger ernsthaft betrieben wird.
Als Diplomjurist ohne sozialrechtliche Kenntnisse finde ich diese Entscheidung des Sozialgerichts sehr schlüssig. Dass das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum durch die Bargeldbegrenzung gefährdet sein könnte, hatten mehrere Forist:innen hier schon angerissen. Meiner Meinung nach könnte das angesichts des sehr geringen Betrags auch über besondere Lebenslagen (Mehrbedarfe) hinaus verallgemeinert werden. Ähnliche, aber nuanciertere Einschätzungen von Expert:innen hier: Braucht es Einzelfallentscheidungen für die Bezahlkarte? | tagesschau.de
Erwartbar war, dass die Grenze umgangen werden kann: Leistungen für Geflüchtete: Bezahlkarte ausgetrickst - taz.de
Schönes Beispiel dafür, dass Selbstorganisation und Solidarität in diesem Bereich notwendig und hilfreich sind. Leider hilft das den Betroffenen in Regionen ohne solches Netz noch wenig - ließe sich aber grundsätzlich auch mit Online-Transaktionen darstellen, vermute ich.
Ich selber bin in einem Tauschring. Dort wurde angeregt, man sollte doch zur bundesweiten Nichteinführung der Bezahlkarte mal die Bundestagsabgeordneten anschreiben. Hier mal exemplarisch eine Reaktion
Das ist schon hart rassistisch, wenn man sagt das ist schon o.k. weil wenn die zu viel Bargeld haben, dann nehmen sie es für Glückspiel her…
Diese Personen haben keinerlei Vorstellung von der Lebensrealität Geflüchteter. Dabei müssten sie wissen, wie wenig Geld es am Ende ist, und das man davon nahezu nichts „zweckentfremden“ kann…
Schon das Wording verrät direkt, aus welcher Partei bzw. welcher politischen Richtung der gute Herr kommt. Wer so vehement von „illegaler Migration“ spricht macht klar, dass er Rechts der Mitte steht. Egal, wie oft CDU/CSU versuchen, ihre Position als „die Mitte“ zu verklären.
Dass CSUler wie Theiss daher keinerlei Problem mit einer Bezahlkarte haben sollte niemanden überraschen.
REFUGIO MÜNCHEN
Ein Beispiel: Eine Klientin hat vor der Einführung der Bezahlkarte ihr Geld ganz normal auf ihr Konto bekommen. Die Kleidung für ihre Kinder hat sie billig online gekauft und in Raten gezahlt. Durch die Bezahlkarte war die Möglichkeit auf einmal weg. Die Frau hat versucht mit dem Sozialamt zu sprechen, dann mit dem Inkassounternehmen und die Mahngebühren wurden immer höher. Sie hatte das Gefühl die Probleme werden immer größer, sie wurde immer kraftloser und hilfloser. Wir konnten das dann individuell für sie lösen, aber in ihrer Therapie wurde sie durch diese gefühlte Ohnmacht erstmal wieder zurückgeworfen.
Bei solchen Dingen fehlt häufig das Verständnis, was dieser Mehraufwand für eine Kettenreaktion auslöst und die Klient*innen wieder in eine neuen Situation der Unsicherheit bringt. Wenn man das Schulessen nicht mehr bezahlen kann oder das Bargeld für die Fahrkarte im Bus fehlt, ist das purer Stress und für ohnehin belastete Menschen kann das zu viel werden.
Die Bezahlkarte ersetzt nicht das gesamte Geld, dass die Klientin davor auf Ihr Bankkonto erhalten hat. Z. B. In Bayern ist die Umsetzung so geregelt, dass ein Grundbetrag weiterhin in bar ausgezahlt wird – für Dinge wie Busfahrkarten, Schulessen oder kleine Einkäufe. Der Betrag liegt grundsätzlich bei 50 € pro Person. Da die Dame in dem Beispiel scheinbar ein oder mehrere Kinder hat erhöht sich der Betrag entsprechend.
In Bayern gab es schon immer die Möglichkeit die Überweisung von Altschulden, die vor der Einführung der Bezahlkarte entstanden sind, wie die Ratenzahlungen an Inkassounternehmen, in der Bezahlkarte freischalten zu lassen. Es ist unklar, wie die Klientin in dem Fall beim Sozialamt mitgeteilt hat, dass Sie die IBAN einmalig und begrenzt zur Schuldenbezahlung freigeschaltet haben möchte. Aber ja, die Exekutive will an dieser Stelle auch die zusätzliche Aufnahme von Schulden vermeiden.
Falls mit „Schulessen“ die Mittagsverpflegung z. B. in einer OGTS gemeint ist, dann wird dieser Betrag sowieso nach dem AsylbLG übernommen.
Ob die Ziele der Politik (verringerte Migration, weniger Auslandsüberweisungen, weniger sonstige Ausgaben wie Glücksspiel) erreicht werden ist aber fraglich und nur sehr schwer belegbar.