Bewusste Falschinformation von Medien und deren Verpflichtung an die Demokratie

Immer mehr Medien (als Beispiel diene hier bspw. die BILD) erzeugen durch bewusste Falschmeldungen Hass und Hetze. Unter solchen Artikel, deren einzige Aufgabe es ist, für Hass zu sorgen, leidet der demokratische Diskurs enorm. (siehe Heizungsgesetz, Flüchtlingsdebatte ect)

Ich frage mich, inwiefern die Aufgabe von Journalismus nicht auch eine Pflicht sein sollte, aktuelle Themen faktengerecht und unpolitisch wiederzugeben. Dabei stellt die Nähe von Medienhäusern zur Politik ein großes Problem dar.

Sollte bewusste Falschinformation strafbar sein?
Welche Verantwortung haben dabei Journalistinnen, Konsument*innen und Medienhäuser?
Und welche Pflichten sollten aus dieser Verantwortung hervorgehen?

Wenn bewusste Falschinformation nur verwendet wird, um Hass und Hetze zu schüren, die Gesellschaft zu spalten und eigene Interessen durchzusetzen, warum ist sie dann erlaubt?

Fakt ist, der gesellschaftliche Diskurs leidet enorm unter unserer aktuellen Medienlandschaft. (Clickbait Titel hinter einer Paywall, Simplifizierung von Nachrichten damit sie in ein Tiktok passen, Diskussionsrunden in denen ein Klimawandelleugner die gleiche Plattform bekommt als eine Wissenschaftlerin)

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Viele Medien sehen ihre Rolle darin und um unpolitisch zu sein und faktentreu zu berichten, werden sie zu Mikrophonständern der Politiker. Ein „XY hat … gesagt“ ist faktisch richtig (auch wenn die Aussage an sich falsch ist) und wenn man immer mal wieder auch einen linken Politiker zu Wort kommen lässt, ist das Spektrum abgebildet.

Ich persönlich bin der Meinung, dass das nicht genug ist. Ich möchte bei jeder Meldung auch eine Einordnung haben. Ich habe meistens nicht die Zeit mir diese zu recherchieren und ohne ist eine Nachricht aus meiner Sicht wertlos.

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Kannst du mal ein Beispiel für eine bewusste Falschinformation geben?
Also etwas faktisch falsches, das unabhängig von der Weltanschaung als objektiv falsch angesehen werden kann?

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Wäre für dich Trumps angeblich geklaute Wahl nicht objektiv falsch, sondern nur von der Weltanschauung abhängig?

Ich glaube, das wichtige Wort ist „bewusste“.
Die Sache mit der „gestohlenen Wahl“ ist eindeutig eine Falschinformation, aber den Nachweis zu erbringen, dass derjenige, der das behauptet, wusste, dass es eine Falschinformation ist, ist recht schwer.

Ich kann mir z.B. gut vorstellen, dass jemand wie Donald Trump tatsächlich felsenfest davon überzeugt ist, dass ihm die Wahl gestohlen wurde. In diesem Fall wäre es schwer, von einer bewussten Falschinformation oder einer Lüge zu sprechen.

Das ist natürlich schon einer der deutlichsten Fälle, weil man schlicht auf Gerichtsurteile und zahlreiche Untersuchungen verweisen kann. Aber es ist generell schwierig, zwischen „ideologisch-verblendeter Falschinformation“ und „bewusster Falschinformation“ zu unterscheiden - und noch schwieriger, gerichtsfest einen Nachweis zu erbringen, was im Kopf des Beschuldigten wirklich vorging.

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Danke, Daniel, das sehe ich ähnlich, aber eigentlich wollte ich gerne wissen, was @Felix11 darunter versteht.

Ich hab den Beitrag von @tobi_ldn so verstanden, dass es um Medien geht, die bewusste Falschinformation verbreiten. Und da wir über strafrechtliche Relevanz sprechen, um deutsche Medien.

Die Erzählung von der geklauten Wahl in den USA würde ich als Beispiel schon akzeptieren, weil sie so haarsträubend ist, dass wenn man damit um die Ecke kommt zumindest mal Anfangsindizien vorlegen müsste, um nicht als Falschinformation gelabelt zu werden.

Ich habe aber in Deutschland, von keinen (großen) Medienhaus mitbekommen, dass sie diese Erzählung als Fakt verbreitet hätten.

Deshalb bezieht sich meine Frage darauf welche bewusste Falschmeldung durch deutsche Medienhäuser verbreitet wurde. In der Regel sehe ich es als das was @Daniel_K schreibt:

Ich möchte damit auch nicht das Verhalten von Bild und co. rechtfertigten, aber meiner Ansicht nach gehört die Diskussion mehr in moralische Kategorien und nicht in Strafrechtliche. (Bewusste Falschmeldung mit strafrechtlichem Hintergrund ausgeschlossen - aber dafür haben wir bereits Gesetzte und es gibt auch Urteile)

Ja gerne.
Aktuell zB die Debatte ums Bundesaufnahme Programm (BAP).
Bild berichtet „Bisher ist auch das Auswahlverfahren für das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan völlig intransparent“, (Zitat Alexander Throm, CDU) (Wie will die Union die Afghanen-Flüge stoppen? 2600 warten auf Abholung | Politik | BILD.de)
Dass Bild hier aber nicht aufgreift wie Personen fürs BAP ausgewählt werden und welche Kontrollorgane da alles mitreden, ist mMn bewusstes weglassen von wichtiger information um es so scheinen zu lassen als würden da einfach alle Menschen ins Land können. ("Afghanen-Flieger) oder nach Söder (Terroristen kommen so einfach ins land)
Auch die Bundeswehr berichtet von Intransparenz und dass Menschen ohne Visum in die Flieger kommen, wo doch genau die Bundeswehr eines von vielen Kontrollorganen ist die Visen noch in Pakistan zu kontrollieren (Desinformation über eingeflogene Afghanen | tagesschau.de) und ich epfehle dazu auch stark das Magazine Royale Video dazu (https://www.youtube.com/watch?v=CenzCZAMENU&t=1035s)

Anderes Beispiel wäre die katastrophale Berichterstattung übers Heizungsgesetz von der BILD.

Oder hier:
Kritiker bemängeln an der Aufnahme der Menschen, dass oftmals nicht geprüft werde, ob die Afghanen in ihrem Land wirklich gefährdet sind
Das ist halt einfach Falsch. Kritiker können behaupten was sie wollen, es ist falsch dass oft nicht geprüft werde ob die Menschen gefährdet sind.
BILD vermittelt so ein falsches bild und schürt unnötig Hass auf diese Menschen und Verzerrt die Weise, wie wir auf solche Flüge und das BAP blicken

Ich frage mich, ob die BILD nicht auch einen Gesamtgesellschaftliche Verantwortung tragen sollte und bei Verbreitung von nachweisbarer Desinformation oder Misinformation nicht auch dafür aufkommen sollte.

Die Berichterstattung der Bild zum Heizungsgesetz kann man in ihrer Gesamtheit schon als bewusste Falschinformation bezeichnen würde ich sagen. Da wurden Verbote thematisiert die es so nie geben sollte, es wurde Beispiele angeführt die von dem Gesetz so gar nicht betroffen wären etc.

Das Problem dürfte aber sein, dass es wohl kaum einen sinnvollen Weg geben kann der es ermöglicht z.B. ein Beispiel welches nicht zum Kontext passt als Falschinformation zu bestrafen. Die Falschinformation entsteht ja erst beim Leser indem dieser fälschlicherweise annimmt, dass dieses Beispiel tatsächlich von dem Gesetz betroffen wäre.

Medien wie die Bild arbeiten hier mit Zitaten von normalen Bürgern, Politikern und Co., mit plakativen Überschriften, zugespitzten Floskeln, Weglassen von Informationen etc. oft so, dass am Ende der Eindruck den ein Artikel vermittelt ein ganz anderer ist als das was wirklich faktisch drin steht. Wahrscheinlich würde also auch die Bild nicht von Strafen betroffen sein, weil die einfach Wissen wie man Meinung macht ohne direkt Falschinformationen.

Wo zieht man die Grenze wo ein Artikel über eine Meinung (Kritiker bemängeln…) als Fehlinformation gelten muss und wo nicht. Würden wir mit gleicher Strenge auf allen Seiten argumentieren dürften auch Aussagen wie „die Pendlerpauschale belohnt weites Pendeln“ als Falschinformation bestrafen müssen, weil die Pendlerpauschale eben nicht das Pendeln belohnt, sondern lediglich die Finanziellen Folgen des Pendelns abmildert.

Wie würde eine Presselandschaft aussehen in der jede Aussage die man zitiert umfangreich eingeordnet werden muss. Wäre ein Interview überhaupt noch möglich ohne einen Begleitartikel?

Gesamtgesellschaftliche Verantwortung sollte die Bild zeigen, tut sie aber nicht. Damit muss man wohl leben und es wäre die Aufgabe der Gesellschaft als Ganzes hier zu korrigieren.

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Wie man das gleiche Thema verschieden gestalten kann, zeigte die SZ-App schön:
Oben die Schlagzeile der SZ, unten die der dpa (zum Vergrößern anklicken):

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Ich würde mich wirklich freuen, wenn es einmal ein Konkurrenzblatt zur BILD geben würde, d.h. eines, das eine ähnlich Zielgruppe anspricht, aber weltanschaulich etwas anders (vorzugsweise natürlich „linker“ :wink: ) aufgestellt wäre - UND SEINE LESER ERNST NIMMT, anstatt darin nur Stimmvieh zu sehen, das man mit billigen Mitteln dazu bringen kann, sich die Ansichten des Verlegers anzueignen.

Dass eine SZ-App als Gegenbeispiel zur B. angeführt wurde, zeigt ja nur, wo das Problem liegt. Es gibt eben (sehr viele) Menschen, die nicht willens - oder wegen fehlender Bildung oder mangels intellektuellem Vermögen auch nicht fähig sind, anspruchsvollere Medienprodukte zu konsumieren. Eigentlich ist es gut, dass diese Leute wenigstens ein Informationsangebot wie BILD annehmen und dafür sogar bereit sind, Geld auszugeben.
Nicht gut ist die fehlende Wahlmöglichkeit. Ich denke, dass viele Journalisten es nicht mögen, wenn sie sehr komplexe Sachverhalte auf einen kurzen Text mit einfachen Wörtern reduzieren müssen. Da wird das Thema fast zwangsläufig zu verkürzt dargestellt. Aber dann lieber gar keine Information?
Übrigens dürften die meisten Journalisten auch nicht aus der Zielgruppe der B.-Leser stammen, auch die B.-Journalisten nicht. Zeitung für Leute zu machen, die vielleicht nicht die ganz großen intellektuellen Leuchten sind ist uninteressant und wenig ruhmreich. Natürlich könnte man es auch anders sehen, und den Zwang, sich knapp, präzise und mit einfachen Worten auszudrücken, als Herausforderung sehen. Passiert aber nicht, außer vielleicht bei bei Kindersachbuch-Autoren.

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Naja, wie in der Schule: auch diese Menschen muss man mitnehmen.

Aus eigener journalistischer und pädagogischer Erfahrung: die größte Herausforderung ist es, komplexe Sachverhalte einfach und verständlich zu erklären. Das halte ich für eine deutlich anspruchsvollere intellektuelle Leistung als auf einer theoretisch-abstrakten Ebene mit möglichst vielen Fremdwörtern um sich zu werfen.

Und offenbar können Bild-Journalisten einfach und verständlich schreiben - inhaltliche Korrektheit mal außen vor. :wink:

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Wir können ja mal versuchen eine Tageszeitung „Spiegelbild“ zu veröffentlichen und die Artikel der Bild des Vortags aufzuarbeiten. Natürlich dürfen die Fotos nicht fehlen, wäre es sinnvoller vollbedeckte Frauen abzubilden oder nackte Männer wenn man das Gegenteil darstellen möchte?

Aber zurück zur Ernsthaftigkeit: Als onlineprodukt könnte das vermutlich sogar wirklich funktionieren. Wie wäre es im Wiki-Format? Dann könnte man immer nachschlagen was die Hintergründe sind oder welche gegenstandpunkte es gibt wenn man mal wieder jemandem begegnet der eine Diskussion mit ungefilterter BILDung provoziert.

Viele wollen doch gar nicht inhaltlich korrekt informiert werden.

Bei den Boulevardmagazinen beim Bäcker stehen teils auf den Titelseiten gegensätzliche Schlagzeilen, obwohl die Blätter aus dem gleichen Konzern kommen. So kann sich jeder das aussuchen was man lieber hat…ist Promi XY jetzt im Eheglück Oder kurz vor der Trennung. Inhaltlich steht in beiden quasi nichts drin, aber das weiß man quasi vorher.

Wenn man glaubt der Bildzeitungsleser wäre an der Wahrheit interessiert, dann überschätzt man die meisten davon.

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Schreibt man was die Menschen hören sollen oder was sie hören wollen?

Letzteres verkauft sich besser

Bei den Boulevardblättern fährt man daher gleich mehrgleisig.

Bei der Bild schafft man den Spagat zwischen Meinung machen und den Absatz ankurbeln indem man das schreibt was die Leute hören wollen in dem Stil den die Leute wollen.

Auch journalistisch anspruchsvoll :grimacing:

(und ähnlich

)

Deinen Vorschlag einer Gegen-Bild finde ich sehr einleuchtend, @Sabine2 . Und ja, es ist schwierig, komplexe Inhalte herunterzubrechen, aber absolut notwendig (wie schon Karl Popper und Hans Albert vor Jahrzehnten konstatiert und vorgelebt haben). Es ist eine Gratwanderung, denn natürlich ist es dann schwieriger, Sachverhalte trotzdem differenziert darzustellen.

Neben den Kinder-Sachbüchern gibt es ja auch die Texte in Leichter Sprache – hier hat man allerdings ziemlich willkürlich Kriterien festgemacht, die z.T. sprachwissenschaftlich noch gar nicht validiert wurden, sondern die eher intuitiv festgelegt wurden, nach meiner Beobachtung teilweise nach Regeln, die im Sprachwandel der letzten Jahrzehnte Einzug gehalten haben – von denen wir aber eigentlich gar nicht wissen, ob sie die Sprache tatsächlich „leichter“ machen (Genitiv-Dativ-Thema) für kognitiv Eingeschränkte. Auf jeden Fall ist die Leichte Sprache, anders als oft behauptet, für Nichtmuttersprachler*innen wohl aus mehreren Gründen nicht sinnvoll. Und diese sollten wir auch berücksichtigen.

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Interessante Diskussion, auch ich halte (z.T. auch gezielte) Falschinformationen für ein riesiges, zunehmendes Problem.
Ich sehe das Problem aber eher nicht in der deutschen Presselandschaft, da diese durch Medien- und Presserecht meiner Ansicht nach ausreichend reguliert ist.

https://www.jaehne-guenther.de/ueberblick-medienrecht-und-aeusserungsrecht/

Beispiele, wie von @der_Matti zu den unterschiedlichen Überschriften zu den Flügen aus Afghanistan muss man aushalten, und keine dieser Überschriften ist falsch.

Problematisch sehe ich eher falsche „Berichterstattung“ in sozialen Medien und die Ohnmacht des Staates, dagegen vorzugehen. Ich schrieb nach Silvester schon von der Freiberger (jetzt) AfD- Bundestagsabgeordneten, die durch Migranten verursachte kriegsähnliche Zustände auf dem Freiberger Markt beklagte, was die Polizei (die vor Ort war) mehrfach in Zeitungen deutlich zurückgewiesen hat.
Leider gibt es viele Menschen, die glauben Meldungen auf Instagramm und Co sind auch Nachrichten.
Hier müsste man glaube ich ansetzen, wünschenswert wäre für mich, auch an derartige Plattformen dem Presserecht ähnliche Maßstäbe anzulegen.