Berichterstattung über aus der Ukraine Geflüchtete

Liebes Lage-Team,

als langjährige Lage-Hörerin, die zwar regelmäßig anderer Meinung ist, aber Eure Arbeit und Analysen sehr schätzt, wollte ich gerne ein konstruktives Feedback bezüglich Eurer Berichterstattung über „persönliche Bezüge“ zu Geflüchteten aus der Ukraine in der letzten Folge dalassen.

Abgesehen davon, dass ich ein bisschen Saviourism-Vibes gespürt habe, als es um die Aufnahme von Geflüchteten durch die Mutter von einem von Euch ging, hatte ich den Eindruck, dass da ein bisschen die „Neugier“ mit Euch durchgegangen ist. Wie ihr selber im Podcast beschreibt, hat einer von Euch die Leute zu Ihren Erfahrungen, ihrer Flucht, der Bombe in ihrem Haus und ihren Plänen ausgefragt und sie haben geweint. Dieses Ausfragen von frisch Traumatisierten mag aus Sicht von Menschen mit Journalisten-Gen verständlich sein, aber das birgt sehr hohe Gefahren von Retraumatisierung. Flucht, gerade aus Kriegsgebieten, ist eine schwer traumatisierende Erfahrung. Gerade wenn Menschen privat irgendwo unterkommen, können sie sich den Fragen von ihren „Wohltäter:innen“ schwer entziehen, ohne „unhöflich“ zu sein, und vielleicht ist ihnen auch selber nicht bewusst, dass sie sich gerade dem Risiko der Retraumatisierung aussetzen. Aber egal ob mit Menschen aus Afghanistan, Irak, Ukraine oder sonstwo und unabhängig davon, ob die Flucht eine Woche oder 10 Jahre her ist: Neugieriges Ausfragen zu potentiell traumatisierenden Erfahrungen ist nicht okay! Das Interesse der fragenden Person kann nicht wichtiger sein als die psychische Gesundheit der ausgefragten Person. Gerade, wenn man sonst überhaupt keine persönliche Beziehung zu der Person hat, sollte man nicht unvorsichtig in schmerzhaften Erinnerungen rumstochern, wenn man nicht sicher sein kann, was man damit auslöst.
Völlig anders ist es natürlich, wenn Menschen von sich aus das Bedürfnis zeigen, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Sollte das aber nicht von der Person selber kommen, sollte man aber nicht die andere Person zum Objekt seiner Neugier machen.

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