Begriff 'Inflation' kann diskriminieren

Disclaimer: Ich bin keine Fachbperson. Freue mich falls eine Person mit entsprechender Ausbildung meine Behauptung widerlegt, bestätigt und/oder differenziert.

Bei dem Kapitel zum Rundfunkbeitrag in LdN217 wird mittels eines Inflationsrechners ermittelt, wie sich die Beitragshöhe seit der letzten Festsetzung im Endeffekt abgesungen sein soll. Ohne den Inhalt das Kapitels zur eigentlichen Sache in irgendeiner Weise diskreditieren zu wollen, möchte ich auf die Gefahr der Methodik in so einer Sache einfach einen Inflationsrechner zu verwenden hinweisen.

Zur Berechnung der Inflation muss definiert werden, welche Preise man vergleicht. Zum Beispiel indem man einen Warenkorb festlegt, und vergleicht wie der Preis für die Waren aus diesem Korb sich über die Zeit hinweg verändert. Optimal wäre ein Warenkorb, der die Lebensverhältnisse aller Menschen in dem Währungsgebiet repräsentiert - aber das ist natürlich vollkommen unmöglich.

Weder macht es Sinn einen Warenkorb heran zu ziehen, einer Familie die am Existenzminimum leben muss, noch ein Warenkorb in dem Jachten und Privatjets liegen. Es wird, soweit ich weiß, daher irgendein Warenkorb für einen Haushalt irgendwo in der Mitte als Berechnungsgrundlage hergenommen.

Das Problem ist, dass diese Grundlage, wenn ich das richtig verstehe, damit nicht automatisch zur Einkommensentwicklung von GeringverdienerInnen passt. Auch nicht zur Einkommensentwicklung für SupervielverdienerInnen. Letztere jedoch haben bei einer Pro Kopf Beitragszahlung aber sowieso immer Vorteile. Im Kontext einer Pro Kopf Beitragszahlung sind die am stärksten betroffenen die Menschen mit den geringsten Einkommen. Und diese Menschen behandelt man ungerecht, wenn man ihren Existenziellen Sorgen mit einem Inflationswert begegnet, der auf sie am Ende überhaupt nicht zutrifft.

Der Begriff ‚Inflation‘ ist in vielen Kontexten vermutlich völlig problemlos zu verwenden. Zum Beispiel wenn man über nationale Wirtschaftsentwicklung spricht. Jedoch sollte man imho das ganze sehr spezifisch doppelchecken, wenn man ihn verwendet, um zum Beispiel, unfreiwilligen Beitragszahlungen von Menschen in prekären Lebenssituation zu rechtfertigen.

Hallo andarted,

das ist ein interessante Anmerkung die Du machst, finde ich.
Ich habe gerade gesucht, es aber leider nicht gefunden, aber ich glaube, dass eine gängige Kritik der Inflationsdefinition ist, dass sie die Inflation für Geringverdiener.innen - zB durch die Erhöhung der Mietkosten - nicht ausreichend widerspiegelt.

D.h. die Wirkrichtung wäre eher andersrum, als die die Du bei Deiner Argumentation im Kopf hast.

Insgesamt ist das Problem natürlich super kompliziert, und am Ende vom Tag geht es glaube ich schnell nicht mehr um Inflation und Inflationsausgleich sondern die Frage, ob es smart ist, die öffentlich rechtlichen über gebühren, die von allen Bürger.innen gleichermaßen gezahlt werden zu finanzieren. → Da gibt es Pros und Cons, aber weil das von Deinem Thema weggeht verkneife ich mir das mal;)

Hallo,

trenn dich ein bißchen von dem Wort Inflation. Was Ulf darstellen wollte war der Kaufkraft-Verlust von einem Geldwert von 17,50EUR über den Zeitraum in dem keine Beitragserhöhung stattgefunden hat.

Normalerweise rechnet sich das andersrum. Man beobachtet den von dir beschriebenen Warenkorb und durch die Beobachtung der Preisentwicklung für die beinhalteten Artikel errechnet sich eine Inflation.

Der Inflationsrechner rechnet also zurück. Die Inflation eines bestimmten Zeitraums beruhend auf einen Warenkorb als Ausgangswert genommen und auf die GEZ umgerechnet. Also wie hätte sich die Gebühr entwickeln müssen um den selben Wert zu haben (Selbe Kaufkraft).
Vereinfacht: 1Kg Karotten konnte man 2015 für 17,50EUR kaufen. Bis 2019 hat sich Preis bei 20.-EUr fixiert. Gleiche Menge höherer Preis (dauerhaft).

Natürlich ist der Warenkorb ein Sammelsurium an Artikeln die mehr oder weniger Aussagekräftig sind, aber die Kaufkraft-Änderung ist Aussagekräftig. Sie ist nur nicht 1:1 auf nicht vorhandene Artikel zu übernehmen. Sie ist ein Richtwert!

Vermutlich wird in dem Rechner der VPI des statistischen Bundesamtes herangezogen. Dieser umfasst einen riesigen Warenkorb von ca. 650 Produkten/Diendtleistungen und wird auch alle paar Jahre neu gewichtet. Das ist so ziemlich das beste, was an den Warenproben eines Durchschnittlichen Deutschen heran kommt. Details hier: Verbraucherpreisindex (VPI) - Statistisches Bundesamt

Jedoch sollte man imho das ganze sehr spezifisch doppelchecken, wenn man ihn verwendet, um zum Beispiel, unfreiwilligen Beitragszahlungen von Menschen in prekären Lebenssituation zu rechtfertigen.

Dem stimme ich zu, allerdings wäre die wichtige Frage dann hier nicht die Erhöhung des Beitrags, sondern ob gewisse Personen den Beitrag zahlen sollten (oder aktuell überhaupt zahlen) und - grundsätzlicher - welche Mechanismen die gesellschaftliche Ungleichheit verstärken. Von @Hasenkoettel wurde z.B. die Entwicklung im Wohnungsbereich angesprochen, wo ein zunehmender, großer Teil der Wohnkosten für den Zugang zum Land aufgebracht werden muss, was sowohl traditionell (landlose) Mieter als auch (landlose) Eigenheimorientierte vor - milde ausgedrückt - „Finanzierungsschwierigkeiten“ stellt.

Die Entwicklung der Bodenpreise und folgend auch der Mieten / Eigentumspreise übersteigt den allgemeinen VPI deutlich. Insofern ist die Kritik schon nachvollziehbar das hier eine Verteuerung statt findet, die für gewisse Gruppen deutlich spürbar ist.

Der VPI beschreibt also nur einen Auschnitt der Wirklichkeit - notwendigerweise durch Auswahl des Warenkorbs. Jedoch ist nicht jede Verteuerung des Wohnraums auf eine „Geldentwertung“ (mehr Geld, gleiche Warenmenge) zurückzuführen, sodern hat auch (andere) strukturelle Ursachen. In Hinblick auf Land ist es die Zuspitzung der natürlichen Knappheit in einer Gesellschaft die immer produktiver wird.

Vielen Dank für die interessanten Beiträge. Ich persönlich fühle mich nun jedenfalls souveräner in meiner Einschätzung zu diesen Aspekt. Dass zum Beispiel die Mietpreise so einen krassen Einfluss haben hatte nich in dem Kontext nicht so sehr auf den Schirm. Mieter sind in Deutschland geradezu eine andere Klasse von Menschen, so scheint es mir, Gesetze haben auf Mieter oftmals signifikant andere Auswirkungen als auf nicht Mieter, selbst wenn sie nichts direkt mit dem Thema Miete zu tun haben scheinen.

Schönen Tag allerseits! :heart:

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Mieter sind durch Gesetz und Rechtsprechung aber auch massiv geschützt, Vermieter steuerlich deutlich besser gestellt. Hat beides so sein für und wieder.