BDN Nachwort Rassismus

Karl Marx schrieb dazu im Kapital, dass der Kapitalismus in seiner unendlichen Gier und auf der Suche nach billigen Arbeitskräften die Nationen vermischen wird. Diese negative Motivation führe aber gleichzeitig dazu, dass die Vermischung der Völker auch als Chance der Völker begriffen werden kann, gemeinsam und international Rechte zu erkämpfen (kein wörtliches Zitat, nur aus meiner Erinnerung).
In diesem Sinne sollte man nicht über Worte reden, sondern über Taten! Die Vermischung der Völker steht für mich außer Frage in einer Zeit, wo theoretisch jeder innerhalb von wenigen Stunden den Erdball umkreisen kann. Die Geschwindigkeit mit der Migraten aufgenommen werden ist jedoch gegenwärtig nicht angepasst. Es findet zu wenig Integration statt. Das führt dazu, dass sich die Menschen überrumpelt fühlen, weil es durch den hohen Integrationsbedarf zu Ungerechtigkeiten gegenüber den „Eingeborenen“ kommt.
Wenn eine deutsche Frau mit drei Kindern jeden Tag zum Netto arbeiten geht, wo sie als Kassiererin arbeitet und sie geht jeden Tag an einer Sitzbank vorbei auf der jeden Tag drei verschleierte Migrantinnen sitzen, die nicht arbeiten gehen, dann fragt sich diese deutsche Frau, warum diese Migrantinnen nicht beim Auspacken helfen könnten. Sie stellt frustriert nach einem Jahr fest, dass die drei Frauen immer noch auf der Bank sitzen und irgendwie auch gelebt haben. Was meinen sie wohl, was diese Deutsche tut? Sie wird nicht zur Rassistin, weil sie ein grundsätzliches Verständnis für die Situation der Frauen hat. Sie gibt im Gegenteil noch den Hinweis, dass diese Wurstsorte Schweinefleisch enthält, wofür man ihr dankbar ist. Sie, die deutsche Frau, wird aber bei der nächsten Wahl die AfD wählen. Das sind die Realitäten in Deutschland!
Wenn ich eine Sprache erlernen möchte, gehe ich abends zur Volkshochschule. Warum gibt man nicht jedem Menschen sofort Arbeit? Es gibt genug haptische Arbeit, die erst einmal nur geringe Sprachkenntnisse voraussetzen.
Die größten Rassisten sind aus meiner Erfahrung die Menschen, die sich mit viel Fleiß und Ehrgeiz in Deutschland hervorragend integriert haben und selbiges auch von den anderen Migranten erwarten. Hier jedoch enttäuscht wurden.
Die Diskussionen über Wortwahl zum Rassismus finde ich unangemessen. Taten sind entscheidend, nicht Worte! Ich frage übrigens auch einen Deutschen, wo er herkommt, ob aus Sachsen oder Thüringen oder aus Hessen. Das nennt man menschliche Neugier! Das zeigt ja auch ein gewisses Interesse am Menschen selbst.
Ansonsten möchte ich Ihnen zum Buch mitteilen, dass ich beim Lesen viel gelernt habe. Dafür danke ich Ihnen.
LG Biggi1

Die Frage stelle ich mir auch durchaus.
Wie kommt es von der Abneigung gegen Ausländer über eine gewisse generalisierte Ausländerfeindlichkeit hin zum gefestigten Rassismus?

Unangenehme Erfahrungen? Latenter Populismus? Eine gesellschaftliche Prädisposition in Deutschland? Evolution, die Angst vorm Fremden? Eine Mischung aus allem?

Wahrscheinlich eine Mischung aus allem.

Wie kann man diese Ursachen frühzeitig angehen?

Das klingt mir persönlich zu viel nach einem AfD-Talking-Point.
Aus „Tradition“ nicht arbeitende Frauen gibt es auch unter Deutschen noch.
Woher weiß die deutsche Kassiererin, dass die drei verschleierten Frauen nicht drei Männer haben, die gut verdienen? Warum geht sie quasi automatisch davon aus, dass die Frauen bedürftig seien? Und denkt die deutsche Kassiererin das gleiche, wenn sie an deutschen Menschen vorbei kommt, die nicht arbeiten, sondern mit der Bierpulle in der Hand auf dem Marktplatz steht? Falls ja, warum stört sie sich mehr an den verschleierten Frauen als an den biertrinkenden Deutschen?

Der andere Punkt ist, dass die Tatsache, dass Flüchtlinge in Deutschland wesentlich schlechter in den Arbeitsmarkt integriert werden als in anderen Ländern (siehe Statistiken zu Ukraine-Flüchtlingen, und die sind schon privilegiert!), eine Schuld des Staates ist, nicht der Flüchtlinge. Eben weil wir teilweise absurde Voraussetzungen dafür stellen, wann ein Flüchtling arbeiten darf - eben mit dem Hintergedanken, dass wenn der Flüchtling erst arbeitet, seine Bleibechance erhöht wird - und das wollte die konservative Politik der letzten Jahrzehnte eben nicht (das geht sogar zurück bis zu den „Gastarbeitern“ der 50er, 60er und 70er…). Es sind unsere Gesetze, die dafür sorgen, dass Flüchtlinge hier nur schwer den Fuß auf den Boden bekommen, weil wir nicht wollen, dass sie über einen Arbeitsplatz ein Bleiberecht erwerben können. Die Hauptverantwortung dafür trägt die Union, denn die hat die längste Zeit die Regierung gestellt und sich stets gegen eine Lockerung der Bedingungen für eine Arbeitsaufnahme gestellt.

Das halte ich für eine Glorifizierung von Rassisten. Die größten Rassisten sind weit davon entfernt, wirklich integriert zu sein - aber scheinbar definieren wir „Integration“ unterschiedlich. Zentral dafür, „integriert“ zu sein, ist erst Mal, die absoluten Grundfesten unserer Gesellschaft zu akzeptieren: Und das heißt das Grundgesetz zu respektieren. Das schließt Rassisten aus, sodass Rassisten per Definition nicht „hervorragend integriert“ sein können. Du beziehst „Integration“ scheinbar nur auf die Frage, ob sie für die Gesellschaft nützlich sind oder Kosten verursachen. Das halte ich jedoch für eine fatale Sichtweise.

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Beides ist wichtig. Sprache schafft Realität, auch wenn gerade konservative Menschen immer so tun, als sei dies nicht der Fall. Absurderweise beklagen sich jedoch gerade diese Konservativen über Sprachregelungen (und führen geradezu einen Kulturkampf gegen Sprachregelungen), sodass sie scheinbar doch verstehen, dass Sprache einen Beitrag zur Realität liefert.

Ich denke, das ist nicht anders als bei anderen prägenden Eigenschaften. Wie werden leicht linke Menschen zu Hardcore-Kommunisten? Wie werden Menschen zu Hardcore-Kapitalisten? Oder zu Hardcore-Feministen?

Es gibt bestimmte Themenbereiche, mit denen Menschen sich besonders stark identifizieren, auf denen sie weite Teile ihrer Persönlichkeit aufbauen. Das können neutrale Themen sein (Sport, Hobbies, Musikszenen, Traditionen), es können aber auch politische Konzepte sein. Rassismus und Rechtsextremismus sind definitiv Bereiche, die starke Identitätsangebote liefern (darüber habe ich quasi meine Diplomarbeit damals geschrieben). Wer sich im Alltag anfangs nur leicht „ausländerskeptisch“ äußert, wird schnell „Gleichgesinnte“ finden, spätestens im Internet. Von anderen wird er hingegen eher gemieden. Und so kommt es zu gegenseitiger Bestärkung, eben der klassischen Bubble-Bildung. Und da wird dann ganz schnell aus einer generalisierten Ausländerfeindlichkeit ein gefestigter Rassismus, Rassismus ist quasi die logische Konsequenz, wenn man den Gedanken der Ausländerfeindlichkeit konsequent durchdenkt.

Das denke ich mir auch immer, wenn ich die Leopoldstraße entlang laufe und die Paketboten (meistens mit Migrationshintergrund) mit den Paketen abmühen sehe und die anderen sitzen in den Cafés und schauen ihnen dabei zu.
Ist immer leicht, sich ein Urteil zu bilden ohne den Hintergrund zu kennen. Vielleicht arbeiten die am Nachmittag? Vielleicht sind sie mit einem Ölscheich verheiratet und wissen gar nicht wohin mit ihrem vielen Geld?
Habe mal zwei Jahre Doppelschicht gearbeitet und dann eine Woche frei gehabt. Was meinst du, was mir in den freien Wochen an Neid entgegenschlug, Wie hart das erarbeitet war, sieht ja keiner.

Vielen Dank, das war sehr kompakt und verständlich erklärt.

Stoße bei Diskussionen im Bekanntenkreis auch oft auf Menschen, die von einzelnen negativen Beispielen aus dem direkten Umfeld auf die ganze Bevölkerungsgrupoe schließen.
Aber auch durch sehr einseitige Reality TV Sendungen die dortigen Sachverhalte als quasi dokumentarisch annehmen und ihre Vorurteile daraus speisen („war ja im Fernsehen“).
Also die ersten Ansätze scheinen durchaus banal zu sein auf dem Weg zum Rassismus

Hallo Daniel,
die Kassiererin weiß es, weil alle in einem kleinen Dorf wohnen.
Zu Punkt 2:
Das stimmt. Ich wurde so erzogen, dass Mann und Frau einen Beitrag zur Gesellschaft leisten müssen, sofern keine geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen dagegen sprechen. Kinder, Küche und Kirche alleine sind was für altmodische Lebensgemeinschaften.

Hallo Mike,
das wäre zu schön, wenn ich das aus dem Fernsehen hätte. Wir selbst haben Ukrainer zuhause aufgenommen und ich habe wirklich alles getan, um die behördlichen Dinge mit ihnen zusammen schnell zu regeln. Nach zwei Monaten hätten alle in Arbeit sein können. Tatsächlich zog sich die Arbeitserlaubnis so lange hin, dass ein Jahr verging.

War nur ein Beispiel aus meinem Umfeld.

Ich erlebe beides.

Am Montag hatte ich zwei junge Männer aus Nigeria spontan in der Beratung. Einer der beiden, sprach auch recht gut Deutsch, wollte eine Umschulung zum Elektroniker machen.
Wir sind die einzelnen Schritte durchgegangen, ich hab ihm alles nötige fürs JobCenter mitgegeben, und am Donnerstag saß er wieder mit einem Bildungsgutschein des Jobcenters vor mir und startet im März in seine Umschulungsvorbereitung. Kann auch ganz schnell gehen, wenn alle konstruktiv mitspielen.

Hatte aber auch viele qualifizierte Ukrainer (Programmierer, Pfkegekräfte, Lehrerinnen) beraten, die seit Monaten auf einen Deutschkurs warten und vorher nicht arbeiten durften, weil die Betriebe es ohne Deutschkenntnisse nicht anbieten.

Es gab auch die syrische Ärztin, die in der Heimat Assistenzärztin in der Chirurgie war, der man aber von Amts wegen nur eine Stelle als Aushilfe bei Netto anbieten wollte oder konnte. Dabei sprach sie besser deutsch als viele praktizierende Ärzte, die ich in deutschen Kliniken erlebt habe.

Es gibt da viele unnötige Hürden, die eher mit Bürokratie als Rassismus zu tun haben.
Diesen Menschen aber pauschal vorzuwerfen, sie wollten nicht arbeiten und nur unser Sozialsystem ausnutzen, das ist schon Rassismus.

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Ich find den Beitrag fürs Lage-Forum mehr als befremdlich.

Ja, stimmt. Ich werde den Thread schließen.