Bauministerin vs. Grüne: Der drohende Kampf um den EFH40 Standard

Hallo zusammen,

bisher köchelt das Thema noch relativ unbemerkt vor sich hin. Aber hier droht der nächste Koalitionsstreit. Sowohl vorletzte Woche bei Lanz, als auch bei Hart aber Fair gestern, war Bauministerin Klara Geywitz zu Gast. Angesprochen auf die hohen Baukosten und was man dagegen zu tun gedenke, hat sie mal einen rausgehauen.

Im Koalitionsvertrag steht, dass ab 2025 ein neuer Neubaustandard in kraft treten solle, nämlich der Energieeffizienzstandard EFH 40. Frau Geywitz hat in beiden Sendungen dazu klar Position bezogen und die Verschärfung (aktuell liegt er bei EFH 55) grundlegend abgelehnt. Zum einen fördere EFH 40 durch die stärkere Dämmung ein schlechteres Raumklima (Sorge vor Schimmel - erscheint mir persönlich als Nebelkerze, da in EFH 40 meist eine Lüftungsanlage eingesetzt wird), zum anderen treibe es stark den Baupreis (laut Hart aber Fair Redaktion ca. 30.000 € pro 100 m² Haus) und auch die Unterhaltskosten (zum Beispiel Wartung für die Lüftungsanlage).

Die Grünen dürften not amused darüber sein, zumal man dann darüber diskutieren müsste, ob man nicht auch die KFW Förderung für EFH 40 zurückfährt.

Mich würde es freuen mehr über das Thema zu hören, da diese Frage ja massiv mit der Energiewende und den zukünftigen Belastungen für unser Stromnetz zusammen hängt. Interessant wäre was Fachleute sagen, ob sich EFH 40 finanziell (mit/ohne Förderung) überhaupt finanziell lohnt? Eine Bierdeckel-Rechnung vor ein paar Jahren hat mich da Zweifeln lassen, aber seitdem ist viel passiert.

Auch würde mich interessieren, warum sich zu diesen sehr deutlichen Bekenntnissen einer Bundesministerin niemand öffentlich einlässt (gemeint sind damit eher Politiker, öffentlich-rechtliche Nachrichten usw.), während dieselbe Aussage aus dem Mund eines FDP-Ministers bestimmt zu aufgeregten Fäkal-Stürmen geführt hätte. Ist Frau Geywitz und unser Wohnraum-Problem vielleicht einfach zu unbedeutend für die Berichterstattung?

Die Aussage der Ministerin zum Dämmstandard und Schimmel ist natürlich falsch und grenzt schon an Fake-News. Dass sowas mittlerweile von der Ministeriumsspitze kommt, löst bei mir als Architekt fast schon Resignation aus. Jahrelange Aufklärungsarbeit war sinnlos. Jetzt geht es wieder bei Null los.

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Das könnte tatsächlich hier das Problem sein.

Das Bau-/Wohn-/Stadtentwicklungsministerium ist auch in Deutschland einfach das Ministerium, das am wenigsten öffentliche Beachtung findet (vermutlich zusammen mit dem BMZ unter Frau Schulze - und wer jetzt sagt: „Was, es gibt eine Ministerin Schulze?“ - das ist keine Schande, die Frau bzw. ihr Ministerium bekommt einfach kein mediales Rampenlicht…).

Witzigerweise ist das in den USA genau so. Das HUD (Department for Housing and Urban Development) gilt quasi als Karrierebremse, wer dort Minister wird, hat keine große Karriere vor sich…

Zum Inhalt:
Dass die SPD hier wieder beim Klimaschutz bremst kann ja leider wirklich niemanden überraschen. Und Geywitz ist auch für SPD-Verhältnisse nicht gerade progressiv, ich erinnere mich da an ihre Meinungsäußerungen zu Waffenexporten („Wenn wir’s nicht machen, macht’s halt wer anders…“) und ihr Engagement für die große Koalition.

Olaf Scholz kann sich noch so oft „Klimakanzler“ auf die Wahlplakate schreiben, es sollte jedem Wähler klar sein, dass die SPD im Hinblick auf Klimaschutz immer nur das „bare minimum“ tun wird, wie es leider schon seit Jahren zu beobachten ist.

Ich sehe in meinem Umfeld niemanden, der das Heizungsgesetz gut findet. Die Aktion hat die Grünen aus meiner Sicht politisch viel Rückhalt in der Bevölkerung gekostet. Ich vermute den Grünen fehlt die Kraft eine weitere Erhöhung der Baukosten in ein Gesetz zu gießen und Frau Geywitz vertritt hier nur die Meinung des Kabinetts.

Wenn über die Jahre so verfolge wie weit die Bundesregierungen hinter den gesteckten Bauzielen zurückliegen beschleicht mich das Gefühl, dass das Wohnraumproblem über den Demographischen Wandel gelöst werden soll.

Für Klimaschutz zu stimmen ist halt bequemer, als Ihn durchzusetzen.

Also wenn man jetzt Umfragen glauben darf, dann ist der Stand im vergleich zur Bundestagswahl:

SPD -7 %
FDP -4,5 %
Grüne +2 %

Der Absturz der Grünen scheint nur bei Leuten stattgefunden zu haben, die sie sowieso nicht gewählt haben.

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Das sind alle Leute die auf die Springer-Propaganda reingefallen sind? Wärmepumpen funktionieren überall in Europa nur in Deutschland komischerweise nicht?

Das grundlegende Problem hier ist, dass die Grünen überhaupt nicht bauen möchten, egal wie klimafreundlich. Die wollen, dass möglichst viele Leute nach Deutschland kommen, nur haben keine Antwort, wo die wohnen sollen.

So ein Standard ist gut und schön, aber ohne Plan, wie man damit Hunderttausende Wohnungen gebaut kriegt, macht es für mich keinerlei Sinn.

Keine Ahnung. Das letzte persönliche Beispiel war ganz bitter. Samstag (06.05.23) war ich auf einer Geburtstagsfeier. Dort war einer, der gerade ein Haus saniert (bestehender Rohbau), und dessen Bekannter war Heizungsinstallateur.

Der hat also seinen Heizungsinstallateur gefragt, was er machen soll, und dessen Antwort war: „bau eine Gastherme ein. Eine sehr gute kostet Dich 2.500 € (Anmerkung: ohne Einbau, das macht er selbst). Für das Geld, was du im Vergleich zu einer Wärmepumpe und der nötigen Installation sparst, kannst du 20 Jahre heizen.“

Ich hab nur noch zurück gefragt, ob er nicht befürchtet, dass der Gaspreis steigt? Seine Antwort war: nein. :man_shrugging:t3:

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Das ist so ein Quatsch, dass du die Diskussion damit nicht vergiften solltest. Lösch es besser! Gerne kann dieser Beitrag von mir auch gelöscht werden.

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Ich wohne in Berlin und bin sehr bekannt mit den Grünen. Bei uns gibt es eigentlich keine einzige politische Partei die bauen möchte. Grüne und Linke insbesondere zeichnen sich mit viel „NIMBY!“ aus.

Da sind Sachen wie Energiestandards und Grundversiegelung glaube ich eher Ausreden weil es keine politische Mehrheiten gibt für den Bau von den notwendigen Mengen an klimafreundlichen Wohnungen.

Ich meine es ernst mit der Springer-Propaganda. Auf Geburtstagsfeiern oder wo auch immer kann man mit eine bestimmte Gruppe von (älteren weißen) Leuten nicht mehr reden weil da kommt nur raus: „Grüne schlecht! Heizhammer! Drag Queens! Vetternwirtschaft! usw.“

O.K., Leute. Wir sind hier kein Stammtisch! Bitte zurück zum Thema, und zwar auf der Sachebene. Danke!

Das kann ich nur Bestätigen.

Was soll der Blödsinn, dass in einem EFH 40 das Raumklima schlechter sein soll und es mehr Schimmel geben soll?

  • Richtig ist: Je besser ein Haus gedämmt ist, desto höher kann die Luftfeuchtigkeit sein, ohne dass es zu Kondensation kommt, da bei bei besserer Dämmung die Wand/Fensterinnentemperatur höher ist.
  • Auch bedeutet eine Lüftungsanlage, dass die Luftfeuchtigkeit geregelt wird. Das ist sogar schon bei den einfachsten „Lüftungsanlagen“ so, bei denen (ohne Wärmerückgewinnung) die Luft in einem Raum (üblicherweise Bad/Toilette) abgesaugt wird und über kleine Öffnungen in den Fenstern nachströmt.

Es ist sicher auch so, dass es viel günstiger ist, ein Haus als EFH40 zu bauen, anstatt später nachzurüsten.

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Da wir hier anscheinend Menschen aus der Baubranche im Forum haben, kann jemand sagen wieviel Energie ein EFH 40 Haus realistisch gegenüber EFH 55 einspart? Freunde haben vor ein paar Jahren ein EFH 40 Haus gebaut. Die rieten mir davon ab. Lohnt sich nicht. Man mache trotzdem nach dem Duschen das Fenster auf oder lüfte regelmäßig durch, wodurch die Energierückgewinn der Lüftungsanlage umgangen wird.

Wie teuer müssten Wärmeträger (bzw. Strom für die WP) werden, damit ein typisches EFH 40 Haus binnen 80 Jahren (oder 100 Jahren) die 45.000 € für ein 150m2 Haus durch die 15% bessere Energieeffizienz wieder einspielt?

Spannender Vergleich. Das war mir gar nicht so bewusst. Ich finde es trotzdem bedenklich, dass medial jeder strittige Punkt genutzt wird um die FDP von Links in Verruf zu bringen (oft berechtigt, manchmal fragwürdig, wie Lindners Kredit oder Döpfners Privat-Engagement). Selbiges passiert auch bei den Grünen (Habecks Heizungsentwurf, Baerbocks CV) von der politisch eher konservativen Seite. Aber die SPD mogelt sich stets so durch und wird (meinem subjektiven Eindruck nach) medial mit Samthandschuhen angefasst (Geywitz, Lauterbach).

Zum einen weiß ich nicht, ob das wahr ist (Lauterbach wurde gerade von der Springerpresse und der Union massiv angegriffen, Scholz wurde mE zwar nicht genug kritisiert, aber definitiv auch nicht mit Samthandschuhen angefasst, gleiches galt für Giffey, Anne Spiegel wurde mE eher zu hart als zu sanft angegangen…), aber wenn wir davon ausgehen, dass es wahr ist, mag es daran liegen, dass die SPD die Partei ist, die mit allen anderen demokratischen Parteien (zumindest auf Landesebene, aber größtenteils auch auf Bundesebene) zusammenarbeitet und es sich daher keine Partei zu sehr mit ihr verbauen möchte. Aber wie gesagt, es gab auch genug SPD-Skandale, die absolut „out of proportion“ geblasen wurden…

Wir reden hier letztlich über eine relativ kleine, fragwürdige politische Entscheidung, die in einer Talkshow kommuniziert wurde. Das ist schon fast schwer als Skandal zu bezeichnen, sondern schlicht als eine Fehlentscheidung, die eventuell korrigiert werden sollte.

Die Bezeichnung 40 oder 55 bezieht sich auf den Primärenergiebedarf. Alleine durch die Wahl des Heizungssystems bzw. Energieträgers reduzierst du den Primärenergiebedarf (z.B. Wärmepumpe). Die Anrechnung von PV-Strom ist im aktuellen GEG auch möglich, wodurch du den Primärenergiebedarf weiter senkst.

Also theoretisch kannst du den Primärenergieverbrauch des gleichen Gebäudes durch die Wahl des Heizsystems und PV von 55 auf 40 bringen.

Jedoch stellt der EFH Standard auch höhere Anforderungen an die thermische Gebäudehülle, sprich Dämmstandard aller Außenbauteile.

Grundsätzlich darf man diese Standards nicht als Garantie für einen Energieverbrauch oder Kosten sehen. Es dient primär in einem vereinfachten, standardisierten Verfahren dazu, Gebäude zu vergleichen.

Also ich habe mir die Aussagen von Frau Geywitz bei Lanz und „Hart aber fair“ angehört. Sie sagt ja grundsätzlich viel bedenkenswertes. Die Aussage, dass die Mehrdämmung von EFH 55 auf 40 (also eher 2-4cm) zu mehr Schimmel führt, sollte ihr schleunigst ein Ingenieur aus ihrem Ministerium ausreden.
Das ist ein Mythos, der nicht tot zu kriegen ist und leider immer noch Leute davon abhält, energetisch zu sanieren.

Frau Geywitz befürwortet auch, dass eine Gebäudeklasse E eingeführt werden kann. E für einfach mit reduzierten Standards, damit es billiger wird.

Politisch ist das für mich mal wieder typisch SPD. SPD wollte mal die Verhältnisse der Arbeiterklasse verbessern. Auch die Wohnverhältnisse. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Einkommens- und Vermögensverhälnisse dazu führen, dass für viele modernes, zeitgemäßes Wohnen (kein Luxus) nicht mehr möglich ist. Der SPD heute fällt nur noch ein, dass man dann halt die Wohnverhältnisse den Einkommensverhältnissen anpassen muss. Wohnungen für Arme halt.

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