B2908 und die Erstürmung des Reichstags durch Nazis

Was da heute an der Reichtagstreppe passiert ist, ist für mich unhaltbar! Nazis mit schwenkenden Fahnen - wie konnte es dazu kommen? Warum hat die Polizei nicht viel früher eingegriffen und es erst soweit kommen lassen. Diese Bilder gehen um die Welt. Das muss aufhören!

Mein Entsetzen ist ist ganz ähnlich. Aber was hießt denn „das muss aufhören“. Jetzt lassen wir doch mal die Kirche im Dorf. Mag sein, dass die Polizei hier einen taktischen Fehler gemacht hat, der es „Demonstranten“ erlaubt hat, für einige Minuten auf die Treppe des Reichstags zu gelangen und Fahnen zu schwingen. Und ja: Diese Bilder, auf denen vor unserem Reichstag (neben amerikanischen, türkischen und russischen auch) Reichs(kriegs)flaggen geschwenkt wurden, sind schwer erträglich! Aber die gleiche Polizei hat dafür gesorgt, dass der Spuk in wenigen Minuten vorbei war.

Ich hatte die gleiche Diskussion mit meinem 17-jährigen Sohn: Soll die Polizei ähnlich verfehlt reagieren wie z.B. bei G20 in Hamburg? Soll die auf eigentlich friedliche Demonstranten einknüppeln, mit Pfefferspray und/oder Wasserwerfer angreifen, damit die nach der Auflösung endlich nach Hause gehen? Was wären das für Bilder geworden - vergleichbar mit denen aus Belarus? Was hätte das für einen Solidarisierungseffekt, für einen Zulauf zu den „querdenkenden“ Egoisten, Covidioten, Nazis und Verschwörungsmythikern gesorgt, die sich in dem wahnwitzigen Irrglauben von Diktatur nur bestätigt gefunden hätten. Nein, die Polizei hat besonnen reagiert und dort, wo es notwendig war (russische Botschaft), gezeigt, dass wir eine wehrhafte Demokratie haben.

Zur Demokratie gehört, auch diejenigen und ihre Äußerungen zu ertragen, die wir eigentlich unerträglich finden …

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Welche Botschaft vermittelt es nach innen und außen, dass die Nazis von der Polizei so vorsichtig angefasst werden, während gleichzeitig bei der Gegendemo u.a. mit der Antifa die übliche Brutalität gezeigt wurde? Die Wasserwerfer standen auch dort und nicht am Reichstagsgebäude, obwohl die Nazis ihren „Sturm“ ja im Netz angekündigt hatten. Da hätte ich zumindest stabilere Gitter erwartet und nicht so ein „Huch, die rennen hier ja plötzlich auf die Treppe, das hätten wir jetzt nicht gedacht.“

Mich gruselt und ekelt es, wie diese Tamara mit ihrem Gekreische eine Menschenmenge dazu bringt, Absperrungen zu missachten und so auf das Reichstagsgebäude zu zu rennen. Es erinnert mich an „Wollt ihr den totalen Krieg?!“ Es ist erschreckend, dass es so viele Schafe gibt, die sich in der Herde so wohl fühlen, dass sie einfach alles mitmachen würden, nur um dabei zu sein. Die wollen nicht selber denken und vor allem wollen sie nicht allein sein. Lieber zu einer schlechten Gruppe gehören als allein das richtige zu tun.

Mein Eindruck (!) ist übrigens, dass die Polizei sich den Nazis immer irgendwie näher fühlt, weil ihr eine Diktatur mit strengen „Gesetzen“ lieber wäre als als dieses undefinierte autonome, linke Gegenhalten, selbst wenn damit unsere Demokratie verteidigt wird. Polizisten mögen Regeln und Befehle, klare Strukturen. Die Hierarchie bei der Polizei hat wenig mit Demokratie zu tun. Dazu kommt, dass Nazis, Polizei und Soldaten tendenziell eine Vorliebe für Springerstiefel, Tarnkleidung und Waffen teilen. Mal abgesehen davon, dass es auch einfach Polizisten gibt, die Nazis sind. Aber das ist wie gesagt, nur eine Vermutung. Vielleicht kann da jemand mit psychologischem Background mehr sagen?

Liebe Lage,
unser so sehr geschütztes Demonstrationsrecht, zeigt uns hier einen gesellschaftlichen Spiegel vor die Nase und das ist gut so Es zwingt uns, uns dazu zu verhalten und dass ist wichtig:

Diese Menschen, die sich da zusammen gefunden haben eint vor allem ein völlig verdrehtes Verständnis von Demokratie.
Zu sagen, das haben irgendwelche Verrückten ihnen eingeredet, ist eine zu einfache Antwort. Zur Wahrheit gehört auch, dass in der Schule Demokratie ein Fremdwort ist. Nicht nur dass Demokratie für Schüler nicht erlebbar ist. Das Thema wird nur grob angerissen… Um zu verstehen was unsere Staatsorgane so treiben brauch es sehr viel Wissen darum. Wir brauchen ein Unterrichtsfach das Demokratie heißt. Klingt trocken, könnte aber sehr einfach an für Schüler aktuelle Themen angepasst im Unterricht diskutiert werden. Es gibt kein Thema was nicht auch für Jugendliche relevant ist. Ich habe nach 12 Jahren Schule nochmal 10 Jahre gebraucht um ein demokratisches Selbstverständnis zu bekommen, was sich nicht so leicht aus der Bahn werfen lässt.

Es ist ja so wichtig dass wir allen bei ihrer Arbeit in und an unserer Gesellschaft kritisch auf die Finger schauen.
Wenn wir aber gar nicht wissen was möglich und wahrscheinlich ist. Wem man warum vertraut und warum und wozu es einen Pressekodex gibt. Das nicht alles was in den Äther geworfen wird auch erwähnungswürdig ist. Und warum Gesetze so oft widersprüchlich sind. Warum Politiker angehalten sind so merkwürdig zu kommunizieren. Warum Merkel nichts mit dem Gesundheitsamt in Oberammergau zutun hat. Das Recht keine Gerechtigkeit garantiert. Wenn wir nicht wissen wie unsere Demokratie zum einstürzen gebracht werden könnte und was dazu nötig wäre…
Wenn solche Themen einen noch nie erreicht haben, dann ist man leicht Opfer von Menschen die einem eine einfach verständliche Erzählung bieten…

Wer unser Grundgesetz, grundsätzlich in Frage stellt und zur Verfassungsgebenden Sitzung aufruft, ohne irgendetwas besseres in der Tasche zu haben, der hat eindeutig nichts verstanden. Das sollte uns Angst machen! Die Antwort kann aber nicht nur sein: das sind die bösen wir sind die guten. Wir brauchen echte Lösungen für das Problem und ich kann mich mit den Kommentaren die man so lesen kann nicht vollständig zufrieden geben. Da muss noch mehr kommen wenn wir es ernst meinen!

Liebe Grüße euer Fan

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Ich frage mich auch, wie es sein kann, dass der Verfassungsschutz keine Hinweise für rechte Unterwanderung der Demo gesehen hat, obwohl jeder Zeitungsverlag und Radiosender von dem Aufruf zum Sturm auf Berlin und den Reichstag in rechten Netzwerken berichtet haben. Maaßen ist weg, aber so wirklich geholfen hat es dem rechten Auge scheinbar nicht.

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An dieser Stelle mal ein kleiner aber feiner funfact, den ich nicht müde werden kann zu betonen:
Da waren keine NAZIS auf den Reichstagstreppen. Das waren allenfalls NEOnazis oder Rechtsextreme. Aber auch diese Pauschalisierung ist angesichts der Heterogenität an populistischen Gesinnungen in der dort ‚protestierenden‘ Menge vermutlich wenig zielführend.

Wir sollten entweder komplett versuchen auf unsere Sprache zu achten (gendern, kein N-Wort, keine Pauschalisierungen, keine ‚Nazis‘ - außer bei mittlerweile über 90-Jährigen oder als historischer Begriff) oder aber wir machen uns lächerlich, wenn wir es nur dann tun, wenn uns sprachliche Korrektheit in den Kram passt.

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Also ich musste für mein Abitur (NRW) nicht nur in der Unter- und Mittelstufe Politikunterricht haben, sondern auch 1 Jahr Sozialwissenschaften in der Q2. In beiden diesen Fächern wurde ausführlich Demokratie, Politik und das aktuelle politische Geschehen behandelt. Gewaltenteilung, das Wahlsystem und das Grundgesetz sowie div. andere Themen wurden hier ausführlich behandelt und die Wichtigkeit des Einzelnen für die Demokratie betont. Ein „demokratisches Selbstverständnis“, wie du es nennst, lässt sich auf dieser Grundlage leicht aufbauen.
Auch das „Merkel nichts mit dem Gesundheitsamt in Oberammergau zutun hat“ ist durchaus klar.

Medienkompetenz wird zudem immer wichtiger. In fast allen Fächern sprachen wir während meiner Schulzeit (Abitur 2017) über Medienkompetenz und Quellenbewertung - meiner Meinung nach liegt das Problem eher in der Schwierigkeit vieler, dies konsequent im Alltag anzuwenden. Auch verlässliche Presseorgane machen Fehler (klar) oder präsentieren keine Quellen (nicht so verständlich), was grade im Internet die Differenzierung für viele sicher erschwert.

Dazu kommt sicher auch die Tendenz von Nicht-Expert:innen, sich mit geringer Fachkenntnis bereits als belehrt in diesem Thema zu verstehen. Das zeigt sich alle 4 Jahre eher unproblematisch mit 80 Millionen Bundestrainer:innen, führt aber auch zu solchen Auswüchsen, wie sich nach 2 Stunden „Internetrecherche“ sich bereits als Virolog:in/Politikwissenschaftler:in/Wirtschaftsexpert:in zu fühlen. In der Psychologie ist dies lange bekannt…

Abschließend: das Problem nur in der Schulbildung zu suchen und lösen zu wollen kann nicht die Lösung sein. Auch Erwachsene müssen Medienbildung erhalten. Wie? Keine Ahnung.

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Das wäre prinzipiell doch Sache der Politik solche Projekte mit Geldern zu fördern. So fordert die Ammadeus Antonio Stiftung im Kontext ihrer Kritik am Netzwerksdurchsetzungsgesetz (NetzDG):

„Dazu gehört die Stärkung einer digitalen Zivilgesellschaft ebenso wie die Investition in digitale Bildung und Online Streetwork sowie eine Verankerung von Inhalten zur digitalen demokratischen Bildung in Schul- und Erwachsenenbildung.“

Quelle: Amadeu Antonio Stiftung erneuert Kritik an NetzDG – Amadeu Antonio Stiftung

Verstehe deinen Punkt. Möchte aber doch nochmal für meinen Gedankengang werben. Ich war in Niedersachsen in der Schule und es freut mich zuhören, dass es dir anders ergangen ist. Aber mal eine Frage: Wie viele würden nach der Schule den Einbürgerungstest bestehen?
Meine Nichte 25. Schrieb mir der Rechtsstaat würde nicht mehr funktionieren, als die Berliner Versammlunhsbehörde die Querdenkendemo verbot. Und dass das Grundgesetz schon wieder außer Kraft gesetzt würde.
Wenn man diese Begriffe nur als Vokabel lernt und dass das wichtig sei für die Demokratie aber nicht wirklich versteht was sie bedeuten also mit Praxisbezug, dann sind das nur leere Worte die einem etwas völlig falsches suggerieren. Ich habe ihr dann erklärt, dass ein Richter das Recht in einem Rechtsstaat spricht, was zu ihrem erstaunen dann nach 2h passierte…
Schön wäre doch wenn man Demokratie in der Schule erfahrbar machen könnte. Wenn Jugendliche und Kinder, mitentscheiden dürften, um ihre Positionen kämpfen und dem besseren Agument stattgeben. Warum ist die Schule so unglaublich undemokratisch organisiert? Es mag einzelne Schulen geben die da besser abschneiden, aber das sind eher Ausnahmen.

Auf der Querdenken Demo haben die meißten Menschen demokratische Grundprinzipien missverstanden oder erleben sie als subjektiv ungerecht. Die Hauptakteure des Anticoronamaßnahmennetzwerkes propagieren mittlerweile einen Systemwechsel. Dabei gibt es zwei Erzählungen die auf Nährboden treffen: unser jetziges Herrschaftssystem sei offensichtlich ungerecht und führe zu Leid und Kummer (Ungerechtigkeiten aufzählen ist ziemlich einfach und kann jeder) … dem folgt ein mega kompliziertes Konstrukt aus Verschwörungen, die die Ungerechtigkeiten erklären. Beides eint die Vorstellung Demokratie müsse die Inkarnation der Gerechtigkeit sein, nur das sie entweder nicht funktioniere (Grundgesetze außer Kraft, etc…) oder aber bloß reiner Schein sei. Die traurige Wahrheit ist doch dass Demokratie aber eben Machtmisbrauch bloß auf ein Minimum senkt und nicht verhindern kann und dass Gerechtigkeit Verhandlungssache sein muss um möglichst objektiv gerecht zu werden und das es schlussendlich darauf ankommt welche Menschen unsere Demokratie gestalten. Demokratie ist ein gesellschaftliches Konstrukt. Es funktioniert nur wenn wir alle mitmachen und verstehen wo für!
Fangen wir doch bitte möglichst früh damit an…