Laut Orbans eigener Aussage wäre auf einer Friendensmission. Dass er dabei den Eindruck erweckt, er sei in seiner Funktion als EU Ratspräsident unterwegs und damit die bisherige Positionierung der EU unterwandert ist klar sein Kalkül, aber was folgt daraus?
Für mich sind ein paar Fragen interessant:
Kann er das einfach so machen? Klar, er macht es grade, aber hat die EU da keine
Handhabe sich mehr zu distanzieren?
Sind mit dem Amt des EU Ratspräsidenten keine Vorgaben verbunden, wie man sich
aufgrund dieses Amtes verhalten darf und soll? Gibt es keine Gremien, die hier
Kontrollfunktionen haben?
Kann man ihm das Amt unter bestimmten Umständen früher wegnehmen? (Dass das
nicht wegen ein paar Besuchen geht ist klar, aber wer weiß was noch kommt.)
Warum macht er das? Geht es ihm rein um Provokazion? Will er die EU destabilisieren?
International zeigen, dass die EU ja doch nah an obengenannten Personen und damit
den politischen Systemen dran ist?
Nein. Auch deshalb nicht, weil Orban meines Wissens nach nie selbst behauptet hat, dass er die EU repräsentiert. Das hat Putin eigenmächtig so interpretiert, aber das macht es ja formaljuristisch noch nicht wahr. Orban ist das Staatsoberhaupt eines souveränen Landes, er kann sich erstmal treffen, mit wem er will.
Soweit ich weiß nicht. Rechtlich ist die Grundlage wohl Artikel 16 des EU-Vertrags, da sind keine Verhaltensnormen enthalten. Man ging wohl (optimistisch) davon aus, dass das Staatsoberhaupt eines EU-Staats an guten Beziehungen zum Rest der EU interessiert sein würde.
Die Ratspräsidentschaft kann ja erstmal keine unilateralen Entscheidungen treffen. Das Amt ist wichtig, weil es die Agenda des Rats für 6 Monate wesentlich mitgestalten kann. Entscheiden tun aber immer noch die Mitgliedsstaaten zusammen mit qualifizierter Mehrheit.
Der EU-Vertrag gibt nur ein „System der gleichberechtigten Rotation“ vor. Die Details werden vom Europäischen Rat gemäß Artikel 236 des „Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ festgelegt. Der Europäische Rat könnte also mit qualifizierter Mehrheit eine Regelung beschließen, die unter bestimmten Bedingungen einen Entzug der Ratspräsidentschaft erlaubt – Solange das Prinzip einer „gleichberechtigten Rotation“ gewahrt bleibt. Politisch realistisch ist das aber zumindest kurzfristig nicht, denke ich.
Meine Meinung: Orban hat innerhalb der EU sämtliche Sympathien längst verspielt. Das stört ihn vermutlich gar nicht so sehr, denn er ist ja ein erklärter Kritiker des gesamten Systems. Aber er muss natürlich aus unterschiedlichen Gründen (Innenpolitik, Ego, etc.) trotzdem in irgendeiner Form politische Erfolge vorweisen und auch Profil zeigen. Innerhalb der EU ist das nicht machbar, denn alles was er vorschlagen würde, würden die anderen Staaten abschmettern. Also macht er eben eine PR-Tour durch die Welt, die in der politischen Praxis wenig Auswirkungen haben wird, aber (für seinen Geschmack) tolle Bilder produziert. Und vielleicht verbilligt im Putin ja auch das Erdgas ein wenig, denn davon lässt er sich ja weiter beliefern: Ungarn schließt neue Gaslieferverträge mit Russland ab | tagesschau.de
Ich finde es traurig das es einen Viktor Orban braucht um miteinander zu sprechen.
Auch wenn er die Union nicht nach außen vertreten darf finde ich gut wenn man wieder persönlich miteinander spricht.
Hätte ich mir schon viel früher gewünscht.
Oder um es mit den Worten von Helmut Schmidt zu sagen „Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen“.
Den braucht es absolut nicht. Gespräche zwischen China, den USA und Europa gibt es ständig und zwar deutlich besser vorbereitet und weniger Publicity-Hungrig als das Orban auf die Reihe kriegt.
Und bei Putin muss man sich eben fragen, ob es etwas gibt für das man den Preis eines Gesprächs zu zahlen bereit ist. Von Putin kriegt man nichts umsonst, das hat ja auch die Instrumentalisierung des Orban-Besuchs mal wieder deutlich gemacht. An Putin und seine Repräsentanten wurde immer wieder deutlich kommuniziert, dass es natürlich wieder zu Gesprächen kommen kann, wenn Russland vom Führen eines Angriffskriegs abrückt.
Gerade Scholz und die SPD wären wahrscheinlich überglücklich, wenn Putin morgen einen einseitigen Waffenstillstand und Verhandlungsbereitschaft verkünden würde. Da würde ziemlich schnell im Kremlin das Telefon klingeln, um den Faden aufzunehmen.
Aber bisher ist es Putin und nicht die EU oder die Ukraine, die einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen haben mit dem mittlerweile offen kommunizierten Ziel, ein ganzen Land zu annektieren und diese Strategie der gewaltsamen Grenzverschiebung auch auf andere Teile Europas auszudehnen. Das ist es, was Orban am Ende des Tages unterstützt.
Tatsächlich hat Orban ja auch keinerlei konkrete Ergebnisse oder Zugeständnisse mit nach Hause gebracht. Da war die Türkei mit verschiedenen ausgehandelten Gefangenenaustauschen bisher erheblich effektiver. Vermutlich weil die tatsächlich ein echtes Interesse an der Lösung des Konflikts haben, während Orban nur einen billigen persönlichen Vorteil sucht.
Naja er hat es sich mit der EU verscherzt und sucht ja schon seit Jahren ganz bewusst die Anlehnung an die weltweite Rechte / weltweiten Autokraten. Wirklich viel „anzubieten“ hat Orban dabei nicht, außer dass er für all jene Autokraten ein Ankerpunkt in der EU ist. Jetzt hat er als Ratspräsident etwas mehr politisches / soziales Kapital was er den anderen Autokraten anbieten kann (s. Putin, der das für sich instrumentalisieren kann). Ich glaub mehr ist es gar nicht.