Attacke auf ARD und ZDF

Der ÖRR kann nicht alle relevanten Interessengebiete abdecken, also kann kann man es gleich sein lassen. Das ist aber nicht wirklich ein Argument, oder?
Ich gebe Ihnen ja recht, dass es nicht Teile im Unterhaltungsprogramm der Öffentlichen gibt, die nicht auch in den privaten Sender laufen oder laufen könnten. Andererseits wollen und sollen die Öffentlichen ein Vollprogramm anbieten. Da gehören Spielshows oder Inga Lindström eben dazu.
Beim Fußball liegt die Sache wieder anders. Was passiert, wenn die Öffentlichen aus der Berichterstattung aussteigen, zeigt sich an der Champions-League. Die findet im praktisch nur noch im Bezahlfernsehen statt und für 17 Euro bekommen Sie kein Sky-Abo (und inzwischen brauchen Sie ja mehrere Abos, wenn sie alles sehen wollen). Eine ähnliche Entwicklung wäre für Welt- oder Europameisterschaften durchaus denkbar. Die Übertragungsrechte für die „Heim-EM“ 2024 liegen bei der Telekom. Diese hat sich gestern mit ARD und ZDF auf eine Sub-Lizenzierung für eine größere Zahl an Spielen geeinigt, weil die Sender ihrerseits Rechte für die EM 2021 und die WM 2022 anbieten konnten und eine Monopolisierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht im Interesse der Telekom liegt. Was passiert, wenn ein solcher Deal nicht mehr funktioniert. Dann gibt es die WM/EM oder Olympische Spiele nur noch für einen besonderen Obulus. Oder Sie müssen einen Telekom-Anschluss buchen, wenn sie das sehen wollen. Nebenbei ein schönes Vehikel zur Begründung einer marktbeherrschenden Stellung bei Glasfaseranschlüssen. Also, ganz so einfach ist das nicht.

Der ganze Beitrag ist ein einziger Strohmann. Argumentiere doch gegen die Argumente hier und nicht gegen irgendein von dir ausgedachtes Horrorszenario.

Niemand hier fordert der „Privatwirtschaft die komplette Freiheit über den Rundfunk“ zu geben, oder dass „ein Intendant bei RTL für Information und Bildung in DE zuständig ist.“ Wir reden hier über den Bereich der Unterhaltung. Dass Nachrichten, Journalismus und auch Sparten-/Kulturformate wichtig und unterstützenswert sind, sehen wahrscheinlich die meisten so.
Wieso muss ich aber auch finanzieren, dass irgendwelche alten Serien von BBC oder Netflix gekauft werden, damit die dann irgendwann nachts auf ard alpha oder zdf neo laufen? Wieso müssen für die Übertragung irgendwelcher Sportgroßveranstaltungen Millionen ausgegeben werden? Aufgrund des Internets gibt es ein gigantisches Angebot an Unterhaltung. Die Frage, welche Position der ÖR da einnimmt, kann man also zumindest mal stellen.

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Hmm, wird denn andersherum ein Argument daraus? Alle, auch finanzschwache Haushalte finanzieren den ÖR (im Unterschied zu Steuern oder Kranken- Pflegeversicherung auch alle in gleicher Höhe), um einen Teil der Bevölkerung (im Zweifel dem wohlhabenderen Bildungsbürgertum) eine „hochwertige“ Unterhaltung zu finanzieren, während andere Teile der Gesellschaft komplett leer ausgehen. Außerdem gehört zu dem Argument ja noch der zweite Teil, nämlich das die meisten Sachen in Punkto Unterhaltung heute auch ohne ÖR schon abgedeckt sind, der ÖR erfüllt in den Nieschen die er bedient also nichtmal das Kriterium Grundversorgung.

Mag sein - aber genau das finde ich aus den genannten Gründen nicht mehr zeitgemäß (und auch völlig unrealisitsch).

Vieleicht - wäre das so schlimm? Jedenfalls besser, als diesen korupten Vereinen das Geld per Gebühr in den Rachen zu schmeißen, und damit deren Machenschaften auch noch auf kosten aller zu finanzieren. Ich glaube aber eher, dass sich die großen Weltverbände dann nochmal Gedanken machen würden - denn je kleiner das Zuschauerpotential, desto geringer die Werbeeinnahmen. Das pasiert vielleicht nicht beim ersten Mal ohne ÖR, aber perspektivisch schon.

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Mich ärgert, dass von den Rundfunkgebühren dubiose Vereinigungen wie die FIFA und der IOC mit Millionensummen finanziert werden. Sportveranstaltungen können private Anbieter genauso gut übertragen. Auch ärgert es mich, wenn bei ARD und ZDF Werbung für Unternehmen wie Amazon läuft, die kaum Steuern in Deutschland zahlen. Die Talkshows vergiften das gesellschaftliche Klima und den Zuschauern um 20:15 traut man offenbar gar nichts zu. Wenn mal interessante Dokus in der ARD kommen, laufen die oft Montag um 23:30. Wenn dann mal jemand eine anspruchsvolle Sendung wie das Coronavirus-Update mit Drosten und Ciesek produziert, dann ist man auf einmal ganz überrascht von dem Erfolg. Aber das ganze gibt es nur als Podcast und erreicht daher nur einen Teil der Gesellschaft. Was spräche denn gegen eine Sendung um 20:15 in der ARD mit Drosten und Ciesek? Stattdessen gibt es die „Corona extra“-Sendungen auf Boulevardniveau. Dass der Intendant der ARD für seine Leistung auch noch deutlich besser bezahlt wird als die Bundeskanzlerin ist da nur noch eine traurige Randnotiz. Ich gebe dem ÖR in der aktuellen Form noch um die 20 Jahre. Hoffentlich schaffen sie es selber sich zu reformieren und nicht erst auf Druck von außen.

Hier ein wie ich finde lesenswerter Gastbeitrag von Tom Buhrow in der FAZ, leider hinter einer paywall. Ich nehme mal das positive vorweg: ich finde es wirklich gut, dass hier scheinbar ganz strukturiert der Weg in eine digitale Zukunft der öffentlich-rechtlichen mit vorwiegend nicht-linearen Programmangeboten geplant wird.

Aber ich finde es trotzdem wieder bemerkenswert, dass mit keinem Wort die Kritik an der Zwangsfinanzierung von Unterhaltungssendungen und Sportlizenzen aufgegriffen wird. Und dann gibt es auch noch diese Sätze hier, die ich ehrlich gesagt als blanken Hohn empfinde:

„Für Orchester, Big Bands und Chöre bedarf es einer Zukunftskonzeption […] Wir werden alle zusammen überlegen müssen, wie wir diese wertvollen Klangkörper vor populistischen Tagesstimmungen schützen.“

Also Entschuldung, aber wenn ich etwas dagegen habe, dass ich gezwungen werde irgendwelche Orchester mitzufinanzieren, dann ist das keine populistische Tagesstimmung, sondern einfach nur mein gutes Recht. Warum ist der Job eines Musikers in einem Orchester so wichtig, dass jeder Haushalt in Deutschland gezwungen wird, ihn zu finanzieren? Warum muss er sich nicht wie jeder andere auch dem Markt stellen, für sich werben und sich auf diese Weise sein Brot verdienen? Wer hat entschieden, dass diese Kulturangebote so „wertvoll“ sind? Ich finde das einfach nur überheblich, als müsse Tom Buhrow sein ach so tolles Kulturprogramm vor dem unkultivierten Pöbel schützen, der es aber natürlich weiterhin finanzieren soll. Dafür ist unsereins Herrn Buhrow nämlich noch gut genug.

Ich kann zu dem Thema auch den Podcast „Holgerr ruft an …“ mit Stefan Stuckmann empfehlen, wo man interessante Gedanken aus der Innensicht hört. Geht unter anderem um den Wandel von zeitgebundenen TV (was einen viel größeren Einfluss auf die Programmgestalltung hat, als mir bisher bewusst war) zu zeitunabhängigem On-deamand.