Attacke auf ARD und ZDF

Es wäre schön, wenn Ihr Euch in einer der nächsten Folgen einmal mit der Attacke der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigen würdet. Dort hat man (wohl mit wissenschaftlicher Unterstützung von Prof. Justus Haucap, ehemals Vorsitzender der Monopolkommission und damit ein „Hochkaräter“ ein Papier erarbeitet, dass wohl die Verschmelzung von ARD und ZDF zu einer Anstakt vorsieht. Das ist nach der Verhinderung der Ratifizierung des Rundfunk-Staatsvertrages durch CDU und AfD in Sachsen-Anhalt nun schon der zweite Angriff aus der Union auf die Öffentlich-Rechtlichen. Was steckt dahinter? Will man ARD und ZDF auf diese Weise politisch gefügig machen? Suchen Teile der CDU ein „gemeinsames Pilotprojekt“ mit der AFD? Soll das einen Kulturkampf im Sinne von Kohls „geistig-moralischer Wende 2.0“ vom Zaun brechen? Da wüsste man gerne mehr.

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Vielleicht möchte man den ÖRR auch einfach verschlanken und auf seine Kernkompetenzen begrenzen? Als damals die Ratifizierung verweigert wurde, war das Hauptargument der Kritik an diesem Verhalten, dass es schlicht der falsche Zeitpunkt innerhalb des Prozesses ist, um den Auftrag des ÖRR neu zu definieren. Wenn man nun aber von vornherein politisch die Weichen stellt um den Auftrag neu zu definieren ist das doch erstmal völlig legitim. Hier direkt moralisierend von einem „Angriff“ zu sprechen und zu unterstellen, dass der ÖRR gefügig gemacht werden solle, halte ich für absolut übertrieben.

Ich glaube es gibt eine Mehrheit dafür, den ÖRR umfassend zu reformieren. Wie genau diese Reform aussieht, sollte Thema einer öffentlichen Debatte sein. Nun gibt es also einen konkreten Vorschlag, wie eine solche Reform aussehen könnte. Lasst uns doch lieber fachlich darüber diskutieren, was wir an dem Vorschlag gut oder schlecht finden, anstatt direkt den ersten wirklichen Diskussionsbeitrag zu diffamieren.

Der Punkt ist, dass es nicht umfassend debattiert wird, sondern dass Teile der konservativen und rechten im Bundestag den ÖRR für eine luxuriöse Dienstleistung oder sogar für Propaganda halten.

Der ÖRR richtet sich an alle Bürger*innen und versagt manchmal im Angebot, ich würde mich dennoch mal über eine Vision freuen, die nicht vorsieht den ÖRR abzuschalten, zusammenzulegen oder Leistungen abzubauen.

Ich halte gewisse Positionen zum Thema in den letzten Jahren für einen Angriff auf die freie Berichterstattung im deutschen Fernsehen. Gerade die Gegenstimme von der CDU im letzten Jahr hat gezeigt, dass es durchaus darum geht, was gezeigt wird.

Und mal ehrlich, viele Formate für ältere Menschen könnte man sonst nirgendwo zeigen, weil es sich einfach nicht lohnt. Auch die Abschaffung vom Traumschiff (das mir persönlich vollkommen egal ist) wäre damit für eine grosse Bevölkerungsgruppe vielleicht etwas schlimmes, weil es einfach ersatzlos gestrichen werden würde.

@Nacho hat insofern Recht, dass wir die Motive nicht kennen, vielleicht ists ja wirklich gut gemeint. Führt man sich aber vor Augen, dass die Geburtsstunde des ZDF im Grunde der Versuch staatlicher Einflussnahme war, liegt der Gedanke an Kontrollphantasien ja auch nicht allzu fern.
Skepsis des Regierten gegenüber den Regierenden finde ich als Ausgangspunkt auch nicht verkehrt.

Die Anstalt hat sich 2018 schonmal mit dem Thema befasst (ab 16:00 ca). Dabei kommt auch exakt dieses Vorhaben zur Sprache.

Zunächst einmal vielen Dank für die in Gang kommende Diskussion.
Ja, es ist durchaus legitim, zu diskutieren, ob der ÖRR seinen (je nach Zählweise in 14 Urteilen des Bundesverfassungsgericht beschriebenen) verfassungsrechtlichen Auftrag vollständig erfüllt oder wie er das ggf. besser und effizienter tun könnte. Ich denke aber nicht, dass eine schlichte „Halbierung“, auf die der Vorschlag der CDU-Mittelstandsvereinigung hinausläuft hilfreich wäre.
Festzuhalten ist, dass der ÖRR ein umfassendes Programm liefert, dass es nicht gäbe bzw. für Viele nicht erschwinglich wäre, wenn es allein dem Markt unterworfen wäre. Regelmäßige Nachrichtensendungen auch nach 19:00 Uhr, ein dichtes Netz an Auslandskorrespondenten, Auslandsmagazine, politische Magazine, Wissenschaftsmagazine, Naturmagazine, Kulturmagazine,Regionalmagazine, gelegentlich auch einmal anspruchsvollere Filme und Fernsehspiele (gerade bei ARTE oder 3Sat, die ja dazu gehören), Rundfunkorchester, die Konzerte auch einmal in Städte bringen, in denen keine städtischen Orchester existieren usw. Viele Kulturveranstaltungen, gerade in der Fläche, wären ohne die Unterstützung der Öffentlich-Rechtlichen auch nicht möglich.
Natürlich gibt es auch viel Flaches. Und natürlich kann man darüber diskutieren, ob man Sonntage lang Wintersport zeigen oder viel (Beitragszahler-)Geld für Bundesligarechte aufbringen muss. Auf der anderen Seite: ein Sky-Abo kann sich nicht jeder leisten, so dass letztlich auch die Bundesliga zum öffentlich-rechtlichen Informationsauftrag gehören dürfte.

Teilweise Zustimmung, aber es gibt schon eine ganze Reihe „Leistungen“ im ÖR, für die ich keinerlei Begründung sehe. Tatort, Sturm der Liebe, Spielshows etc. mögen früher sinnvoll gewesen sein, heute sind sie imho nur noch eine nicht zu rechfertigende gebührenfinanzierte Wettbewerbsverzerrung ohne jeglichen Gesellschaftlichen Auftrag. Dann gibt es auch einige zeifelhafte Formate, die journalistisch auf BILD-Niveau unterwegs sind, und wo man den Eindruck gewinnen kann, die Redaktion denkt sich zunächst eine Story aus, und schickt dann Reporter los, um genau diese Story zu bekommen - wobei dafür dann jedes Mittel recht ist (Frontal21 und co.) mit der Wirklichkeit hat das dann manchmal nicht mehr viel zu tun. Das es darüber hinaus z.B. zwischen ARD und ZDF gerade bei Live-Schaltungen offenbar eine Art Konkurenzdenken gibt (bis dahin, dass man nicht einfach auf das Live-Angebot des anderen Senders verweisen will - oder noch besser gleich auf Phoenix), ist zumindest mal zu hinterfragen und deutet auf einen Reformbedarf hin. Aber ich bin auch nicht nur für Kürzungen, man kann durchaus auch überlegen in anderen Bereichen auszubauen (z.B. Amateursport statt Profisport? FIFA und co. brauchen jedenfalls keine öffentliche Sportförderung durch den ÖR), wenn man einen Bedarf sieht der anderweitig nicht, oder nur unzureichend abgedeckt wird. Insbesondere könnte es auch neue Aufgaben geben, z.B. eine unabhängige Medienplattform für deutsche Zeitungen, Podcaster etc. aufzubauen, um von großen Anbietern wie Google, Facebook usw. unabhängiger zu werden. Hier wäre ein breiter Diskurs durchaus wünschenswert.

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Also erstmal hier der Text der Mittelstands- und Wirtschaftsunion:

Für mich ist das leider nicht mehr als eine Ansammlung von verschiedenen Positionen, die sich teilweise auch widersprechen. Hier ein paar Beispiele (nicht abschließend):

Einleitend geht es darum, dass ZDF und ARD nicht live über die Amerikanische Capitol-Erstürmung oder den Brand von Notre Dame berichtet haben. Gefolgt von der Aufforderung, dass Kosten gespart werden sollen. (Inhaltlich kann ich keinen Zusammenhang erkennen.)

Eine totale Zusammenlegung der beiden Anstalten wird nicht gefordert, so wie ich das verstanden habe. Es geht eher um Zusammenlegung einzelner Bereiche, bspw. „Technik, Personal und Rechteeinkauf“. Unkonkret, aber vielleicht zumindest ein Weg zu sparen, wenn man keine inhaltlichen Kürzungen vornehmen will?

Dann wird ohne Kontext ÖRR mit Netflix, Amazon-Prime, den Mediatheken und am Ende sogar Clubhouse verglichen. Vielleicht habt ihr es mit mehr Wohlwollen gelesen, aber für mich sind keine konsistenten Argumentationen erkennbar.

Außerdem wird das Programm kritisiert. Der Tenor: Unterhaltung sollen die Privaten machen, dafür braucht es keinen ÖRR.

Dann gehts nochmal um die Finanzierungsgrundlage, Hotels und Mietwagenfirmen werden genannt mit der Schlussfolgerung: „Die jetzige Finanzierung ist ungerecht“. Hier steht aber zumindest mal eine Idee, wie es besser gehen könnte: „Jeder Bürger soll zahlen“ (nicht mehr jeder Haushalt).

Kritisiert wird auch die Anzahl der Sender, die es zu reduzieren gilt. Auch die Anzahl der Radiosender sei zu groß.

Dann gehts auch um die „politische Einseitigkeit“ des ÖRR, die sich „auch in Studien nachweisen“ lässt. Genannt wird eine Studie des Reuters-Institut (ohne genaue Bezeichnung). Meine kurze Recherche brachte aber keine Studie hervor, die „politische Einseitigkeit“ belegt, sondern nur ein fehlender Glauben an ARD und ZDF von Menschen „rechts der Mitte“:

Hier noch ein Link zu der Studie

Und zum Widerspruch: Es wird Justus Haucap zitiert mit „Zwingend notwendig wäre ein öffentlich finanzierter Rundfunk aus meiner Sicht nicht“. Und später steht: „Für MIT-Chef Carsten Linnemann ist wichtig, „dass die MIT sich klar zu einem durch die Allgemeinheit finanzierten, freien öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekennt.“

(
Und ich dachte schon, Jan Böhmermann hätte mit seinem Bashing gegen die Mittelstandsunion unrecht gehabt ARD und ZDF bald ein gemeinsamer Sender? Revolutionäre Fusion wird diskutiert )

Mit was rechtfertigt man denn ein Format? Der Tatort hat regelmässig Millionen von Zuschauern. Was muss ein Format leisten, um es wert zu sein, im ÖRR abgedeckt zu werden?

Ich sehe es auch nicht, weil es mich nicht interessiert, aber es ist doch ein Leistungsabbau für Millionen Menschen.

Wer interessiert sich denn für ein Regionalliga Fussballspiel im ZDF? Oder wie muss ich mir vorstellen, dass Sie Amateursport im ÖRR fördern wollen? Nach dem Ausstieg von RTL aus der Formel 1 wäre doch das ein Programm für zweistellige Millionen Menschen. Nur sind die Rechte zu teuer.

Es gibt Podcasts von der Tagesschau, es gibt im DLF regelmässig Debatten, die sogar auf Spotify landen, nicht zu vergessen die DLF Audiothek. Wir haben in den letzten Jahren so gute Ergänzungen erhalten, dass ich die ganze Debatte um so weniger verstehen kann.

Es geht auch immer um die Gehälter und genau die gleichen Menschen die für eine Kürzung der Gehälter im ÖRR sind sind dafür dass Milliardäre ein bisschen weniger abgeben müssen, weil das ja sonst viel Geld ist. Und sie sind natürlich der Meinung, dass ein zweistelliges Millionensalär aufgrund der hohen Verantwortung in einem DAX Konzern, der seine Kunden betrügt vollkommen legitim ist.

Ich möchte gar nicht sagen, dass man keine Reformen braucht. Im Gegenteil. Ich halte nur einfach die ganze Debatte, wie sie momentan geführt wird für etwas am Ziel vorbei.

Wir könnten immer über alle Formate schimpfen und es gibt für jedes Format Menschen, die es nicht hören. Soll/darf man es deswegen abbauen? Braucht es keine Satire im ÖRR? Braucht es Sport? Müssen wir wirklich immer Aktienkurse anschauen? Brauchen wir den Fernsehgarten? Alle Formate im einzelnen sind möglicherweise nicht für alle geeignet. Manche sind zu teuer. Aber wo ist die konstruktive Debatte über eine wirkliche Verbesserung ohne den Leistungsabbau?

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Genau das (Einschaltquote) ist es jedenfalls nicht. Wenn der Bedarf so groß ist, wird es vergleichbares dann sicher auf Netflix und Co. geben. Oder warum haben wir nicht auch eine Gebühr für deutsche Kinofilme (vieleicht 300 Euro im Jahr - dafür darf dann jeder kostenlos in deutsche Kinofilme), für Animes, für SciFi-Romane…

Die Finanzierung durch eine „Zwangsgebühr“ bedeutet umgekehrt auch einen entsprechend hohen Anspruch und einen spezifischen Auftrag. Ein solcher Auftrag könnte z.B. Sportförderung sein, Unterhaltung ist es (imho) aber nicht. Die Frage ist halt, ob man Sport fördert, wenn man bei FIFA, Olympia und Co. einfach nur die Preise in die Höhe treibt, und eine (unfaire) Konkurenz zu privaten Angeboten aufmacht. Ich glaube jedenfalls nicht, dass Fußballfans ohne ARD und ZDF plötzlich keine Fußballweltmeisterschaft sehen könnten. Fördern des lokalen Amateursports kann ich mir eher vorstellen (weil sich das ggf. auf dem freien Markt nicht rechnet), müsste aber natürlich geprüft werden. Insbesondere könnte das natürlich auch wieder problematisch für lokale Zeitschriften sein.

Naja, ich finde mich in deinen Beispielen jedenfalls nicht wieder. Ich nutze den ÖR auch reichlich (auch die Podcasts etc.). Aber die Debatte über den Auftrag eines ÖR möchte ich schon gerne führen. Für gebührenfinanzierte Unterhaltung sehe ich keinerlei Rechtfertigung (lasse mich aber gerne durch Argumente eines besseren belehren - nur Einschaltquote ist für mich kein Argument). Für mich gehören z.B. Bildungsauftrag, unabhängiger (da gebührenfinanziert) Journalismus (an den dann auch höhere Journalistische Ansprüche zu stellen sind, als an BILD, Focus usw.), Barrierefreiheit (z.B. Gebärdendolmetscher) zu den Aufgabengebieten eines öffentl. rechtl. Rundfunks.

Das ist sicher so, aber für mich nicht entscheidend. Mir kommt es darauf an, welchen Auftrag wir als Gesellschaft an unseren ÖR Rundfunk vergeben. Solange die Formate dann diesem Auftrag entsprechen, müssen das nicht alle schauen (im Gegenteil - gerade Minderheiteninteressen mit sehr kleiner Zielgruppe, die sonst im freien Markt nicht abgedeckt werden würden, sind für mich die Domäne eines ÖR - das im ÖR so viel auf Einschaltquote geachtet wird, ist mindestens problematisch). Unterhaltung gehört für mich nicht dazu, da ich hier kein besonderes gesellschaftliches Interesse sehe, das ohne ÖR Finanzierung nicht gedeckt weden könnte. Satire schon eher. Aber die Diskussion der einzelnen Formate ist eigentlich erst der zweite Schritt. Der erste Schritt müsste sein, sich neu über den allgemeinen Auftrag zu verständigen. Dabei könnten heute auch ganz andere Aufgabengebiete wichtig sein/hinzu kommen, als in den vergangenen Jahrzehnten.

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Ich denke auch, dass da in der Argumentation bei der Union ein paar Dinge durcheinandergeworfen wurden, die eigentlich eher unabhängig voneinander sind:

  1. Der Rundfunkbeitrag - wie in einer vergangenen Lage glaube ich schon mal erklärt, wird der Beitrag von einer Komission ermittelt und orientiert sich an den Aufgaben des ÖRR. Meines Wissens nach hat die Regierung keinen direkten Einfluss darauf, sondern kann nur zustimmen oder ablehnen.

  2. die politische Ausrichtung - Der ÖRR ist insgesamt politisch neutral, einzelne Formate sind aber natürlich erstmal unabhängig und da hat eine Regierung ganz klar einfach nichts zu sagen. Es ist schon mit gutem Grund so, dass die Regierung eben nicht so einfach Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung des ÖRR nehmen kann.

  3. die inhaltliche Ausrichtung - Das ist wahrscheinlich der Knackpunkt. Die Grundsätze sind demokratisch festgelegt und können natürlich auch geändert werden, aber was genau soll der ÖRR machen? Unterhaltung oder nur Nachrichten? Journalismus, Kunst, Nischenthemen, Fußball, Olympia…?

  4. die Finanzierung/Kosten allgemein - Die Kosten hängen natürlich von der Bandbreite ab, die man abzudecken versucht. Die Beschwerde „zu teuer“ hört man immer wieder, aber was konkret eingespart und was dann erreicht werden soll, bleibt oft vage. Dass es vielleicht Doppelstrukturen gibt, die man effizienter gestalten könnte, wirkt zumindest nicht ganz abwegig und wenn man inhaltlich abbauen will, kann man natürlich auch Kosten sparen

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Ich kann dir in einer Sache nicht ganz folgen: Wozu dient denn (Amateur)sport, wenn nicht der Unterhaltung? Fällt wohl nicht in die Kategorie Bildungsauftrag oder Journalismus.

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Nach der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts geht die „Grundversorgung“ über eine „Mindestversorgung“ deutlich hinaus. Vielmehr geht es neben einer umfassenden Information darum, im Gesamtprogramm (nicht in jeder einzelnen Sendung) die ganze Vielfalt der Gesellschaft und ihre unterschiedlichen Strömungen abzubilden. Der ÖRR hat danach einen „Integrationsauftrag“. Dessen Erfüllung wäre gegenwärtig wichtiger denn ja.
Die Frage einer Reform des ÖRR ist also nicht, ob diese oder jene Sendung noch der Grundversorgung zugerechnet werden kann oder der Intendant/die Intendantin zu viel verdient. Die Frage ist viel grundlegender: wie muss der ÖRR aussehen, damit er angesichts einer dynamischen Fragmentierung der Gesellschaft seine integrative Funktion noch erfüllen kann?

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Stimmt, fällt eher in die Kategorie Sportförderung und damit vielleicht Gesundheitsförderung. Ob man das als Aufgabe für den ÖR überhaupt möchte (mir ist so, als wenn das derzeit eine der Aufgaben wäre, bin mir aber gerade nicht sicher) ist eine andere Frage. Auch, ob man das durch Berichterstattung über Sport bzw. Übertragung erreicht (oder ob der dann nur passiv konsumiert wird). Eigentlich ist es ja schon ein problematischer Zustand, dass ich nicht ohne Hilfsmittel aus dem stehgreif in der Lage bin, den aktuellen Auftrag des ÖR zu beschreiben - und ich bin mir sicher, dasss das die allerwenigsten könnten.

Sehe ich anders. Die Frage ist vielmehr, ob es heute noch irgendwie zu rechtfertigen ist, dass eine Grundversorgung über Gebühren gesichert werden soll, obwohl es zum Einen inzwischen eine Vielzahl privater Angebote gibt, und hier mit den Gebühren lediglich eine Wettbewerbsverzerrung und Behinderung privater Angebote statfindet (wo bleibt denn der deutsche Tatort auf Netflix?), zum Anderen heute selbst Einzelpersonen in der Lage sind, ein Programm „auszustrahlen“ (man schaue z.B. einfach mal, wieviele Live-Streams von Gottesdiensten es in zwischen jeden Sonntag gibt). Da gibt es eine Vielzahl an Strömungen die der ÖR sowieso nicht mehr vollständig abbilden kann (und eben auch in vielen Fällen nicht mehr muss, da es in keinerlei Gefahr gibt, dass es zu „Versorgungsengpässen“ kommen könnte). Ich sehe den Bedarf heute wo anders.

Welche wiederum von der Politik definiert werden. Also im Rahmen einer öffentlichen Debatte.

@Natter: Eine Substitution des ÖRR durch private Angebote würde eine Vergleichbarkeit des Angebots voraussetzen. Davon sind die Privaten aber weit entfernt. Wie viele Auslandskorrespondenten leisten sich die Privaten denn? Gibt es bei RTL, SAT1, PRo7 etc. zwischen 19:30 und Mitternacht irgendwelche Nachrichtenmagazine? Qualitätsjournalismus (dafür gibt es objektive Kriterien)? Haben die privaten Sender seriöse Wissenschaftsmagazine im Sortiment? Kulturmagazine? Gibt es dort Konzert-, Theater- oder Opernübertragungen? Mal ein anspruchsvolles Fernsehspiel? Eben.
Nun können Sie natürlich einwenden, dass Sie das alles nicht brauchen, doch geht es nicht um Ihre Grundversorgung, sondern um die einer Gesellschaft, die bunter ist, als jede/jeder Einzelne. Die Privaten können heilfroh sein, dass es das duale Rundfunksystem gibt. Gäbe es den ÖRR nicht, müssten die Landesmedienanstalten von den Privaten die Grundversorgung und damit eine ganz andere Programmqualität einfordern (sage nicht ich, sondern das Bundesverfassungsgericht).
Zu den Angeboten im Internet: für Menschen, die nicht zu den „Digital Natives“ gehören, werden diese schon wegen der Handhabung keine Alternative sein. Sicher gibt es im Internet zwischen viel Müll auch qualitativ hochwertige und interessante Angebote, aber die muss man erst einmal finden. Oft fehlt auch eine redaktionelle Aufbereitung. Angebote in guter Qualitöt sind zudem (zurecht) oft kostenpflichtig, Internetangebote und der das Angebot der ÖRR mögen sich im Idealfall ergänzen, aber sie substituieren sich nicht. Der ÖRR ist auf absehbare Zeit weiter unverzichtbar.

Komisch, dass sind alles Beispiele von denen ich nicht geredet habe. Mit die wichtigsten auch zukünftigen Aufträge des ÖR sind imho unabhängiger Journalismus (unabhängig von Politik, aber auch von Geld - siehe FoxNews und Co.) und der Bildungsauftrag. Aber wie sieht es mit Sportübertragungen aus? Da gibt es viele verschiedene Angebote (außer natürlich der ÖR hat mit dem finanziellen Vorteil durch Gebühren alle anderen Bieter bei der Versteigerung von Übertragungsrechten überboten - wofür ich bisher keinerlei Rechtfertigung sehe). Die Bilder werden ohnehin nicht selbst gefilmt, sondern von FIFA oder was aucch immer geliefert - moderieren können auch andere. Was ist mit Krimiserien? Gibts die nur im ÖR? Was ist mit Spielshows, Groschenromanserien ala Sturm der Liebe und vieles mehr? Gibt es das alles sonst nicht? Und wo sind die objektiven Kriterien für Qualitätsjournalismus denn bei z.B. Frontal21? Welche Konsequenzen müssen die den fürchten, wenn sie der offensichtlichen Falschdarstellung überführt werden? Hab da bisher noch nix mitbekommen.

Von welchem Zeithorizont reden wir denn hier? Eine Reform des ÖR geht doch nicht von jetzt auf gleich, da ist der Zeithorizont wohl eher in Jahrzehnten zu rechnen. Im übrigen sind ja auch heute schon beim ÖR viele der hochwertigen Angebote nur für „digital natives“ zugänglich.

Schwieriges Argument - die GEZ ist auch „kostenpflichtig“ - nur dort kann ich mir die Krimiserie für die ich bezahle nicht selber raussuchen.

Ich bin im übrigen sogar bereit mehr für den ÖR zu bezahlen, wenn er mit dem Geld dann entsprechend gesellschaftlich relevante Aufgaben erfüllen kann (ich hab ja z.B. schon auf den Aufbau einer Plattformstruktur verwiesen, die unabhängiger von Facebook, Google und Co. machen könnte - entsprechende Überlegungen werden zumindest in den Medienwissenschaften diskutiert). Aber es muss doch auch möglich sein, alte Zöpfe abzuschneiden, die heute einfach so nicht mehr die relevanz haben, wie vor 30-40 Jahren (als sich das BVG mal zur Grundversorgung geäußert hat).

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Der Programmauftrag besteht aus Information, Bildung und Unterhaltung. Was möchte hier verbessert werden?

Wollen wir wirklich in einem Land leben, in dem Leute aus der Privatwirtschaft komplette Freiheit über den Rundfunk haben? Wollen wir wirklich auf die Gebühren verzichten und damit Löcher in der Grundversorgung riskieren, die im schlimmsten Fall durch Mario Barth und Reichelt-Journalismus gefüllt werden? Wollen wir, dass ein Intendant bei RTL für die Information und Bildung in Deutschland zuständig ist?

Ich möchte das ganz klar nicht. Privat ist nicht immer besser, das sehen wir dich momentan überall.

Ok, in dem Fall würde ich sagen, ein großer Teil der ÖR Unterhaltung hat heute nicht mehr die gleiche Rechtertigung wie in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts. Wenn damals was nicht im ÖR kam, fehlte das vermutlich einfach in der „Grundversorgung“. Wieviele private Alternativsender gab es damals? Wieviele Angebote über andere Medien wie. z.B. das Internet?. Wo hätte man ein Fußballspiel oder die olympischen Spiele verfolgen können, wenn nicht im ÖR? Wo eine Spielshow, einen Gottesdienst (auch hier werden strukturbedingt aktuell ja bestimmte Religionen bevorzugt - wo bleibt z.B. der wöchentliche Aufruf zum Freitagsgebet, der Sabattgottesdienst … bei ARD und ZDF, oder hab ich da was verpasst?) usw.? Heute gibt es für all das Alternativen, die teilweise sicher schlechtere Qualität haben, aber teilweise auch ÖR Angebote meilenweit abhängen (welche ÖR Serie kommt denn von der Produktionsqualität z.B. an HBO heran?).

Eine Zwangsgebühr hat aber einen besonders hohen Rechtfertigungsdruck - insbesondere wenn es keine Kontrolle durch den Wähler gibt. Gleichzeitig schafft es der ÖR ohnehin nicht mehr, alle relevanten Interessengebiete (die immer vielfältiger werden) im Sinne einer Grundversorgung abzudecken. Ein Indiz dafür ist der Altersdurchschnitt bei den Zuschauern. Oder die Fixierung auf die Einschaltquote (die ja gerade einer Grundversorgung widerspricht - wo ein hoher Bedarf=hohe Einschaltquote vorliegt, würden sich auch private Angebote rechnen, eine Versorgunggslücke ist nicht zu erwarten).

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