Assange, Snowden

Assange ist frei - endlich! Aber was ist aus Edward Snowdon geworden?

Der hat versprochen, sich in Russland still zu verhalten. Ich nehme an, da man nichts hört, dass er das macht.

Snowden hat einfach keine Möglichkeit, noch irgendwas zu machen.
Alle westlichen Staaten haben es abgelehnt, ihm Asyl zu gewähren, also musste er nach Russland. Dort weiß er wohl nur zu gut, dass er die Füße still halten muss - er kann nicht gegen Russland agitieren, ohne zu riskieren, seinen Schutzstatus zu verlieren (oder wie andere Russen im Straflager zu landen…) und nicht gegen die USA agitieren, ohne als Russland-Unterstützer diffamiert zu werden.

Durch die erzwungene Flucht ausgerechnet nach Russland wurde er quasi kommunikativ kaltgestellt.

Hier sollte man vielleicht mal die Hintergründe erörtern.
Der abgeschlossene Deal war letztlich: Assange bekennt sich vor einem US-Gericht (in einem Außenterritorium) teilweise schuldig und wird zu einer Haftstrafe in einer Höhe verurteilt, die er bereits abgesessen hat. Deshalb konnte er den Gerichtssaal als freier Mann verlassen.

Für Assange war der Deal sinnvoll - er will wohl in erster Linie, dass dieser Alptraum der Isolationshaft (der letztlich schon vor 12 Jahren mit der Flucht in die ecuadorianische Botschaft begann) endlich endet. Vor daher kann man ihm keine Vorwürfe machen, diesen Deal zu akzeptieren, für ihn ist es weder ein Sieg, noch eine Niederlage, sondern einfach nur eine endgültige Klärung, quasi ein „Wir einigen uns auf Unentschieden“.

Für die Biden-Administration ist der Deal im Wahlkampf ideal. Sie kann die eher linken Wähler (die wegen dem Nahost-Konflikt aktuell etwas verstimmt sind…) damit überzeugen, dass man Assange letztlich vom Haken gelassen hat, während man den konservativen Falken zeigen kann, dass man Assange nicht mittels Begnadigung hat gehen lassen, sondern „erfolgreich das Recht vollstreckt hat“ und Nachahmer durch diesen Präzedenzfall abgeschreckt hat. Daher in jedem Fall für Biden ein großer Sieg.

Für die Pressefreiheit, insbesondere in den USA, ist der Fall hingegen problematisch, weil er letztlich mit einem Schuldeingeständnis und einer rechtskräftigen Verurteilung endete. Jeder Whistleblower muss nun befürchten, das gleiche Schicksal zu erleiden - die Frage, ob Assange „Journalist“ ist und damit unter dem Schutz der Pressefreiheit steht, die im Zentrum eines „richtigen“ Prozesses gestanden hätte, bleibt unbeantwortet, durch das Schuldeingeständnis geht die Antwort aber klar in die Tendenz „Nein, kein Journalist“, was nicht gut ist. Für die Pressefreiheit (inklusive Informantenschutz, spätestens der war für Assange einschlägig) ist der Ausgang daher eine Niederlage.

Man sieht daher: Je nachdem, aus welcher Perspektive man dieses Ergebnis betrachtet, wird man zu einer unterschiedlichen Bewertung kommen.

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Ich glaube da kommt es sehr auf die Details des Deals an. Assange hat sich in einem Anklagepunkt schuldig bekannt: „conspiring to obtain and disclose classified U.S. national defense documents“ in einem Fall.

In den Medien werden viele Experten und Aktivisten zitiert, die den Deal als gefährlich für die Pressefreiheit einschätzen, entsprechend bin ich geneigt, dem Standpunkt zu glauben. Allerdings bin ich trotzdem gespannt auf detaillierte Analysen zum Beispiel im Lawfare Podcast.

Positiv ist, dass es sich nur um einen Deal und nicht um ein Urteil handelt. Es hat keinerlei Wirkung als Präzedenzfall, die eigentliche Streitfrage (kann jemand, der wie ein Journalist agiert, trotzdem als Spion belangt werden) ist gar nicht geklärt wurde und es ist nicht ausgemacht, dass das U.S. Justizministerium mit der Argumentation vor Gericht durchgekommen wäre.

Nicht als juristischer Präzedenzfall, aber eben als tatsächlicher Präzedenzfall im Sinne von: „Wenn ihr so etwas tut, wird es euch wie Assange gehen und ihr werdet über ein Jahrzehnt eures Lebens dadurch verlieren“.

Das ist ja genau das Problem:
Es gibt auf diesem Weg keine Rechtssicherheit - und das ist für die Pressefreiheit exakt das Problem. Ohne Rechtssicherheit werden sich die Menschen eher „nicht juristisch angreifbar“ machen wollen und etwaige, gesellschaftlich sehr wichtige, Leaks bleiben unter Umständen aus.

Für die Pressefreiheit wäre es eben weit besser gewesen, wenn der Fall vor Gericht gegangen und Assange freigesprochen worden wäre. Aber wie gesagt, es ist absolut verständlich, dass Assange dieses Risiko nicht eingehen wollte.

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genau das ist ja nicht der Fall, weil Snowden wie du selbst sagst, mit dem Plea-deal eine Schuld einräumen musste. Ohne Schuldeingeständnis lässt die US-Justiz so gut wie nie jemanden vom Haken, weil sie allen auch noch so potentiellen Schadensersatz klagen etc. vorbeugt. Ja die US kriegen keinen showdown Prozess, aber ein Unentschieden ist es keineswegs, denn Assange ist jetzt im juristischen Sinne schuldig und wurde ja auch mit einer Freiheitsstrafe belegt (die nur mit seiner Inhaftierung verrechnet wurde). Wie gesagt sagst du alles selbst, aber ich finde die EInordnung als „quasi Unentschieden“ vor dem Hintergrund dieser Fakten etwas unpassend. (Denn richtig gelitten hat unter der bisherigen Situation ja auch nur Assange bis an den Rande des Selbstmords)

Hierzu habe ich bis jetzt nur gegenteilige Einschätzungen gehört. Die Biden Administration hat offiziell verlauten lassen, dass der deal eine unabhängige Entscheidung des Justice-Departments war und Präsident Biden daran keinen Anteil hatte. Ob das so ist, wisssen wir natürlich nicht aber „claimen“ tut Biden dieses Ergebnis zumindest nicht, weshalb ich nicht glaube, dass es wahlstrategische Hintergründe hat bzw. dafür instumentalisiert werden soll.
Nur als Beleg:
“This was an independent decision made by the Department of Justice and there was no White House involvement,” National Security Council spokesperson Adrienne Watson said. (https://edition.cnn.com/2024/06/24/politics/julian-assange-plea-deal-biden-administration/index.html)

Ja, aber vorher standen Taten im Umfang von bis zu 175 Jahren Haft im Raum - und das realistische Szenario, dass Assange bis zum Ende seines Lebens in Haft bleiben wird.

Alles andere wäre politisch eine Katastrophe, weil das ein Eingeständnis in die Einmischung in die Justiz wäre, was die jeweilige Gegenseite hätte angreifen können. Biden hätte eingreifen können, aber gerade dadurch, dass er nicht eingreifen musste (weder zum positiven, noch zum negativen) und er das Thema dennoch „abgeräumt“ hat in dem Sinne, dass jetzt nicht mehr die Forderungen kommen, Assange vor der Wahl oder Amtsübergabe zu begnadigen (diese Forderungen kamen regelmäßig!), ist ein Sieg. Das Thema Assange wurde jedenfalls in seiner Amtszeit erledigt, inwiefern er dafür tatsächlich die Verantwortung trägt ist hier - wie bei allen Themen während seiner Präsidentschaft - weitestgehend nebensächlich. Ich bleibe daher dabei, dass dieses Ende für Biden ein Sieg ist, er hätte sonst beim Thema Assange nur verlieren können, dieses Szenario nun ist quasi der „Best Case“ für ihn.

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Das Addieren aller maximalen Strafmaße aller Vorwürfe gegen den Angeklagten ist ein üblicher Clickbait-Trick im US-Journalismus. Niemand wird aber tatsächlich mit der vollen Summe bestraft.

Aber es ist ja nicht nur der best case ein Sieg. Nicht die Maximalforderungen zu erreichen macht ja nen Sieg nicht zwingend zu nem Unentschieden. Das Schuldeingeständnis ist da, sodass das Justice Department „bewiesen“ hat, dass es einen Verbrecher verfolgt hat. Aber da müssen wir ja nicht zur gleichen Auffassung kommen.

Das ist aber genau das Ding: Entweder hat Biden nicht eingegriffen oder, wie du sagst, das Thema abgeräumt. Entweder war er passiv oder aktiv, aber er kann nicht beides gleichzeitig gewesen sein.

Ganz genau, was er tatsächlich gemacht hat ist weitesgehend nebensächlich, wichtiger ist die Beobachtung ob er es als seinen Sieg ausgibt oder nicht. Deine Einschätzung, dass er eine aktivere Rolle gar nicht claimen könnte ohne sich angreifbarer zu machen ist nicht unplausibel (obwohl gerade in Amerika es ja auch durchaus gut ankommen kann, wenn der Präsident die Zügel mal selbst in die Hand nimmt. Ich meine gerade Trump reklamiert ja ständig, dass er jedem Worldleader in einem Gespräch zu nem Deal bringen kann.).
Aber genau weil Biden es nicht claimen kann, ist es für ihn kein großer Sieg, weil er selbst nicht als Sieger auftreten kann. Es ist, wie du richtig sagst ein „best case“ für Biden, aber eben kein Sieg. (Denn ein solcher kann denke ich rein logisch nur etwas sein, an dem man selbst eine aktiven Anteil genommen hat oder reklamieren kann - und genau das tut / kann Biden ja gerade nicht).

Absolut, aber wie gesagt, es hätten durchaus auch signifikant höhere Strafen dabei rauskommen können. Zum Zeitpunkt des Deals war der Deal, keine weitere Strafe absitzen zu müssen, für Assange mMn keine Niederlage (für die Pressefreiheit wie gesagt hingegen schon). Der einzig bessere Ausgang für Assange wäre tatsächlich ein Freispruch gewesen, weil er dann u.U. Anspruch auf Entschädigungen hätte - aber ganz im Ernst: Geld dürfte ohnehin nicht Assanges Problem sein, er hat genug Unterstützer. Diesen ganzen Albtraum zu beenden und als freier Mann aus dem Gerichtssaal zu gehen ist daher für Assange wie gesagt weder ein Sieg, noch eine Niederlage, sondern ein Unentschieden. Und das ist letztlich ja auch der Status nach dieser ganzen Sache: Es wurde leider nichts entschieden.

Okay, darauf können wir uns gerne einigen :wink: