Die Krux ist, dass die blanken Daten manchmal nicht reichen.
Nehmen wir uns beispielhaft den ersten Satz des Flyers:
Durch die Masseneinwanderung ist die Gewalt gegen Frauen stark gestiegen.
Bei Statista, die als Quelle die Polizeiliche Kriminalstatistik nenne, findet sich:
Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 256.000 Opfer von häuslicher Gewalt polizeilich erfasst. Damit stieg ihre Zahl das zweite Jahr in Folge und auf einen erneuten Höchststand. Circa 71 Prozent der Opfer waren Frauen.
Heißt: Plump kann man erstmal behaupten, dass die Gewalt gegen Frauen gestiegen ist, ohne dass dies falsch ist. Was man diskutieren muss ist die Prämisse „Durch die Masseneinwanderung“. Man müsste betrachten: wie sind die Zahlen pro Kopf? (Wenn die Bevölkerung steigt steigt auch die absolute Anzahl der Straftaten, ohne dass das Land relativ sicherer oder unsicherer wird). Welchen Hintergründe haben Täter und Opfer bei häuslicher Gewalt? Was sind die Einflussfaktoren? Liegt es vielleicht daran, dass Strataten häufiger angezeigt werden als früher, also dass die Dunkelziffer kleiner wird? Oder dass nicht-deutsch-aussehende Bürgerinnen und Bürger häufiger „Aufmerksamkeit“ von Polizei und Strafverflgung bekommen (selection bias)?.
Auch aus der PKS:
Bei nichtdeutschen Kindern und Jugendlichen können einige Risikofaktoren, unter anderem Armutsrisiko sowie psychische Belastung, vergleichsweise häufiger auftreten. Das gilt insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung (dazu ausführlicher siehe „Fokus: Nichtdeutsche Tatverdächtige“)
[…]
- Herkunftsunabhängig ist die Kriminalitätsbelastung bei jungen Menschen und bei Männern deutlich überdurchschnittlich. Das bedeutet: Eine Bevölkerungsgruppe mit einem höheren Anteil an Männern und an jüngeren Menschen – wie es bei der nichtdeutschen Bevölkerung der Fall ist – weist alleine dadurch erwartbar eine höhere Kriminalitätsbelastung auf.
- Die höhere Kriminalitätsbelastung ist auch aus einem weiteren Grund plausibel: Es ist bekannt, dass Personen mit Migrationsgeschichte tendenziell stärker von Risikofaktoren betroffen sind, die eine Begehung bestimmter Straftaten (beispielsweise Gewalt- und Eigentumsdelikte) herkunftsunabhängig wahrscheinlicher machen. Dazu zählen neben einer nachteiligen räumlichen und ökonomischen Lebenssituation auch psychische Belastungen, eigene Gewalterfahrungen in der Kindheit sowie positive Einstellungen gegenüber Gewalt.
- Die PKS erfasst nur Straftaten, von denen die Polizei Kenntnis erlangt hat. Unterschiede in der Belastungszahl deutscher und nichtdeutscher Tatverdächtiger sind daher nicht unmittelbar mit einer tatsächlich unterschiedlichen Kriminalitätsbelastung dieser Bevölkerungsgruppen gleichzusetzen. Insbesondere die Anzeigequote kann hier eine Rolle spielen: Wenn etwa Straftaten unter Beteiligung nichtdeutscher Tatverdächtiger mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zur Anzeige gebracht werden als Straftaten mit deutschen Tatverdächtigen, kann dies ebenfalls zu höheren Belastungszahlen in der PKS führen. Tatsächlich gibt es Forschungsbefunde, die zeigen, dass Straftaten, an denen Personen beteiligt sind, die als „migrantisch“ oder „fremd“ wahrgenommenen werden (u.a. Nichtdeutsche), merklich häufiger angezeigt werden.
Will heißen: Es reicht nicht einfach nur Fakten hinzuknallen, sondern es muss diskutiert werden, wie die Ersteller solche Flyer mit beleglosen Behauptungen, die auf den ersten Blick irgendwie Sinn ergeben, Hass schüren.
Edit, weils mir grade noch einfällt: in höheren Klassen könnte man dann sogar noch auf die Meta-Ebene gehen: so eine populistische Aussage ist in 1 Sekunde gelesen und erzeugt erstmal ein Bauchgefühl. Das ganze vernünftig aufzubereiten und zu verargumentieren und auch zu verstehen dauert dann mindestens einige Minuten, eher eine Stunde. Da kann man diskutieren, warum der Populismus für viele Menschen so attraktiv ist: vermeinlich einfache Lösungen für komplizierte Probleme, ich muss selbst nicht nachdenken, dem eigenen Bauchgefühl zu widerstehen ist schwierig usw.