Meiner Meinung nach geht es hier um mindestens drei verschiedene Dinge, die auch in der Petition etwas durcheinander gehen:
- Freie Berufe
- Sozialversicherung bei selbstständiger Tätigkeit
- Scheinselbstständigkeit
zu 1.) Die Freiberuflichkei (also die Arbeit in sogenannten Freien Berufen) ist eine besondere Form der Selbstständigkeit, die nur in bestimmten Branchen bzw. mit bestimmten Tätigkeiten möglich ist. Sie bietet zum Teil mehr Freiheiten (etwa keine Pflicht zu Anmeldung eines Gewerbes), zum Teil aber auch mehr Pflichten (etwa die Kammermitgliedschaft bei Anwälten oder Architekten). Das heißt aber nicht, dass Menschen hier nur selbstständig arbeiten dürfen. Es gibt selbstverständlich auch angestellte Architekten, Anwälte, Wissenschaftler etc. pp.
zu 2.) Selbständige sind in Deutschland nicht sozialversicherungspflichtig. Die meisten, die ich kenne, sind zwar krankenversichert, aber viele haben keine Arbeitslosen- oder Rentenversicherung. Und ja, es gibt die Künstlersozialkasse (KSK), aber die Mitgliedschaft muss beantragt werden, was je nach Tätigkeit nicht immer einfach ist und Anteile, die bei einer Anstellung der sogenannte Arbeitgeber trägt, sind bei der KSK nicht beitragsfinanziert, sondern durch Steuergelder.
In anderen Ländern ist dies zum Teil sehr unterschiedlich. In Österreich zum Beispiel unterliegen selbstständige Tätigkeiten grundsätzlich einer Sozialversicherungspflicht - auch bei einem Nebenjob in Selbstständigkeit. Das heißt, von jedem verdienten Euro wird ein Teil abgezogen, der in die verschiedenen Versicherungen fließt - egal ob Angestellter oder Selbstständiger.
zu 3.) Weil dies in Deutschland nicht so ist, verzichten viele Unternehmen vielfach auf eine Anstellung, sondern beschäftigten Menschen lieber „auf Honorarbasis“. Wenn jemand als formal Selbstständiger allerdings (fast) nur für einen Arbeitgeber arbeitet und dieser auch noch festlegt, wann, wo, wie und mit wem gearbeitet wird, liegt eine sogenannte Scheinselbstständigkeit vor. Die einzelnen Mitarbeiter (sowohl auf Unternehmensseite als auch die Scheinsebstständigen) sind oftmals gar nicht in der Position, das infragezustellen. Ich habe auch schon vor dem Arbeitsgericht gegen Unternehmen prozessiert, die mich trotz klarer Scheinselbstständigkeit nicht anstellen wollten, sprich: die die 20% Lohnkosten in Form von Sozialabgaben für mich lieber sparen wollten.
Nach meiner eigenen Erfahrung als Selbstständiger sind Universitäten und andere öffentliche Auftraggeber sehr darum bemüht eine solche Scheinselbstständigkeit zu vermeiden - mit oft nervend umfangreicher Bürokratie. Im privaten Sektor sieht das deutlich anders aus, weshalb die DRV oft die Rolle desjenigen übernimmt, der überprüft, ob Scheinselbstständigkeit vorliegt oder nicht.
Im konkreten Fall denke ich geht das Urteil, auf dass sich die Petition bezieht, daher völlig in Ordnung. Und wenn die DRV wirklich über die Stränge schlägt, sollte das kritisiert werden - aber das macht die Petition nicht plausibel. Aber was definitiv nicht stimmt ist dass hier generell die Selbstständigkeit eines gesamten Berufszweigs verboten werden soll.