Du verwechselst hier „Ökologische Landwirtschaft“ und „Demeter“. Ökologische Landwirtschaft ist erstmal nur eine durch die EU regulierte Art und Weise, Land und Tiere zu bewirtschaften. Das hat wirklich rein gar nichts mit Homöopathie zu tun, sondern regelt in erster Linie, welche Pflanzenschutzmittel verwendet werden dürfen usw.
Demeter ist ein Verein nach privatem Recht, der seinen Mitgliedsbetrieben darüber hinaus bestimmte Wirtschaftspraktiken vorschreibt. Die sind in der Tag zum Teil esoterisch angehaucht (Mondphasen usw.), zum Teil aber auch nur eine stringentere Auslegung des Öko-Gedankens (z.B. Kreislaufwirtschaft im Betrieb).
Nein. Ich verwechsle gar nichts. Homöopathie als bevorzugte Behandlung bei diversen Erkrankungen steht sogar in der EU-Bio-Verordnung.
Und die hat nun mal rein gar nichts mit Demeter zu tun sondern gilt für alle Biolandwirte.
Edit: es wurde zumindest mittlerweile wohl etwas angepasst und auch homöopathische Medikamente wären verschreibungspflichtig. Warum das aber überhaupt aufgeführt wird ist für mich ein Rätsel.
In der EU-Basis-Verordnung steht (Hervorhebung meine):
1.5.2.2. Krankheiten sind unverzüglich zu behandeln, um ein Leiden der Tiere zu vermeiden; chemisch-synthetische allopathische Tierarzneimittel einschließlich Antibiotika dürfen erforderlichenfalls unter strengen Bedingungen und unter der Verantwortung eines Tierarztes verabreicht werden, wenn die Behandlung mit phytotherapeutischen, homöopathischen und anderen Mitteln ungeeignet ist. Insbesondere sind Beschränkungen in Bezug auf die Zahl der Behandlungen und Bestimmungen über die Wartezeiten festzulegen.
1.5.2.3. Einzelfuttermittel mineralischen Ursprungs und ernährungsphysiologische Zusatzstoffe, die nach Artikel 24 für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen sind, sowie phytotherapeutische und homöopathische Präparate sind chemisch-synthetischen allopathischen Tierarzneimitteln, einschließlich Antibiotika, vorzuziehen, sofern ihre therapeutische Wirkung bei der betreffenden Tierart und der zu behandelnden Krankheit gewährleistet ist.
Richtig ist also, dass die Gabe von z.B. Antibiotika anders als in der konventionellen Landwirtschaft erstmal grundsätzlich untersagt ist und das Krankheiten stattdessen mit z.B. pflanzlichen Mitteln (von denen es ja tatsächlich viele mit nachgewiesener Wirkung gibt) erfolgen soll. Nur wenn diese „natürlichen“ Mittel keine Aussicht auf Erfolg haben, dürfen chemische Medikamente eingesetzt werden. Auch homöopathische Mittel sind zur Behandlung zugelassen, wenn sie zur Behandlung geeignet sind. Eine Verpflichtung, homöopathische Mittel als „ersten Weg“ einzusetzen, wie du es sagst, gibt es dagegen explizit nicht, sie werden immer nur als eine Möglichkeit erwähnt.
Fakt ist, dass Homöopathie explizit erwähnt wird und dass ein Phytotherapeutisches Medikament nicht besser ist, also auch nicht schonender, als derselbe Wirkstoff in synthetischer Form ist einfach auch Fakt.
Am Vorwurf, dass biologische Landwirtschaft schon in der EU-Bio-Verordnung teils Wissenschaft zugunsten von Ideologie hinten anstellt halte ich deshalb fest.
Dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Homöopathie bei den Grünen nicht gewünscht ist, und dass ich auch immer wieder für diese stark gemacht wird darf man auch nicht von der Hand weisen.
Ich habe in den letzten Wahlen selbst die Grünen gewählt und auch bei kommenden Wahlen sind die in meiner engeren Auswahl, aber die Aussage, die Grünen würden sich bei allen Themen an wissenschaftliche Erkenntnisse halten ist einfach falsch. Auch bei den Grünen gibt es genug was man in dieser Hinsicht kritisieren darf, sei es eben Homöopathie, Gentechnik, Glyphosat, etc.
Und hier könnte z.B. eine modernere CDU mich durchaus abholen.
Dass in der Lokalpolitik die Grünen zum Teil gegen nötige Stromtrassen, Windparks und auch Bahnstrecken arbeiten möchte ich dagegen den Grünen im Allgemeinen nicht vorwerfen. Gerade dort wo die Partei in der Lokalpolitik schwach ist können schon wenige dazu beitragen, die Partei für ihre eigene Zwecke zu kapern.
Gründe: nun, welches Angebot wird jungen Menschen gemacht?
Ich merke eine Resignation, auch bei mir selbst obwohl ich nur noch nach Definition der CDU und der Kirche zu den jungen Leuten zähle, weil alle schweren Aufgaben den kommenden Generationen aufgelastet werden: Klimawandel bekämpfen, Infrastruktur und Bildung in den Griff bekommen, demografischer Wandel und das sich anbahnende Rentenproblem, Pflegekollaps u.a… Und dabei gehöre ich noch zu den Privilegierten mit einer guten und günstigen Wohnung und hoher Bildung.
Lösung: Wie in dem Zeit-Essay angedeutet: den Menschen im globalen Norden sollte klar werden, dass jeder Verbrauch von endlichen Ressourcen ein Kredit auf die Zukunft ist. Dass jede nicht eingesparte fossile Tonne CO2 heute von den kommenden Generationen mehrfach „zurück gezahlt“ werden muss, und für die wird das nicht einfacher oder billiger als für uns heute. Und das betrifft eben nicht eine anonyme Masse in der fernen Zukunft, sondern mindestens unsere Kinder heute, wenn nicht uns selbst.
Das finde ich sehr verallgemeinernd. So wie ich die Debatte innerhalb er Grünen verfolge gibt es insbesondere in der Parteispitze kaum noch Sympathien für eine staatliche Förderung nicht evidenzbasierten Medizin. Siehe zum Beispiel: Grüne distanzieren sich von Homöopathie
Auch wird den Grünen gerne unterstellt, dass sie dafür verantwortlich sind, dass den Krankenkassen doch nicht verboten werden soll, Homöopathie zu bezahlen. Da bin ich mir aber nicht so sicher. Habeck hat sich schon früh für eine Streichung von Homöopathie aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkassen stark gemacht. Manuela Schwesig (SPD) ist dagegen Schirmherrin eines Homöopathie-Kongresses: Homöopathie und Schwesigs Schirmherrschaft - Politik - SZ.de
Bei der ökologischen Landwirtschaft geht es um eine Zurückdrängung der „chemischen“ Landwirtschaft insgesamt. Bei Medikamenten gibt es nicht nur Bedenken über die Wirkstoffe selbst, sondern auch um die Zusatzstoffe, Testverfahren, Patentrecht, Tierwohl, etc.
Wenn es nur um die „Natürlichkeit“ des Wirkstoffes, also des chemischen Moleküls im Medikament, selbst gehen würde, würde ich dir zustimmen. Aber in Anbetracht der vielfältigen Ziele der EG-Ökoverordnung von einer Unterordnung der Wissenschaft unter „Ideologie“ zu sprechen, nur weil Bauern in Fällen wo dies möglich und effektiv ist zu pflanzlichen Heilmitteln greifen müssen, dass finde ich etwas arg weit ausgegriffen.
Richtig ist, dass die EU-Ökoverordnung nicht alles erlaubt, was die Wissenschaft erfunden hat. Sie erlegt Bauern Einschränkungen auf, aber nicht, weil irgendein EU-Bürokrat an irgendeinen Hokuspokus glaubt. Der Sinn ist, bestimmte ökologische Ziele zu erreichen, im Einklang mit der wissenschaftlichen Forschung (ob die EU-Ökoverordnung politisch geeignet ist, diese Ziele zu erreichen steht auf einem anderen Blatt).
Weil man den Bauern die Möglichkeit geben will, homöopathische „Medikamente“ zu verabreichen. Sonst gäbe es hier Rechtsunsicherheit.
Genau die Frage stellt sich mir, wenn Parteien, insbesondere konservative oder Neoliberale, ihre Programme und Ideen vorstellen.
Entweder richtet man sich an ältere Generationen mit dem Schwerpunkt, Veränderung zu vermeiden und Bestehendes zu bewahren. Um kommende Probleme sollen sich kommende Generationen kümmern.
Oder man erklärt Leistung zum obersten Leitsatz mit der Aussage „Ihr müsst möglichst viel und möglichst lange arbeiten, damit es Wohlstand gibt, der aber nicht zwingend euch zugute kommen muss/wird“.
Wenn die Jugend da nur sehr verhalten begeistert ist von solchen Perspektiven, heißt es diese wären faul und undankbar.
Und dann wundert man sich über Politikverdrossenheit und dem Zulauf zu rechten Parteien, die zumindest vorgeben, einfache Lösungen zu haben.
Ich verstehe vollkommen, das die heutige Generation der Berufseinsteiger sich nicht mehr von der Arbeitsmentalität meiner Generation begeistern lässt, als man quasi Ausbeutung, unbezahlte Überstunden und geringe Gehälter als gegeben akzeptiert hat.
Irgendwo kommt das Ungleichgewicht in der Vermögensverteilung ja her.
Das Einfamilienhaus und das schicke finanzierte Auto davor reichen als Anreiz heute nicht mehr aus.
Ich habe auch keine Vorwürfe gegen die Spitze gemacht. Eine Partei besteht aber aus mehr als aus der Spitze. Und da scheiterte ja schon das Einsetzen einer Kommission zur Klärung der Position. Gerade in Baden-Württemberg gab es auch wieder klare Positionierung Pro Homöopathie.
Aber genau das kritisiere ich doch gerade als Ideologisch. Was ist denn eine Ablehnung von Patentrecht sonst, wenn nicht eine ideologische Position? Dass Phytotherapie auch Risiken hinsichtlich möglicher Schwankungen in der Zusammensetzung oder Verunreinigung haben kann wird dabei ja in Kauf genommen. Es geht also einfach nur um die Annahme alles was natürlichen Ursprungs ist sei synthetischem Überlegen (in welchen Aspekten auch immer).
Wenn es um ökologische Ziele wie Belastung von Böden, CO2-Emmissionen, etc. geht, dann wäre aber auch ein ganz anderer, deutlich offenerer Weg möglich. Dass ökologische Landwirtschaft das erlaubt was sie erlaubt und das verbietet was sie verbietet ist eben kein wissenschaftlich konsistentes System, sondern ein System, welches geschaffen wurde um eine Bestimmte Form der Landwirtschaft zu fördern. Dass damit durchaus auch positive Ziele erreicht werden können will ich nicht absprechen. Dass es auch andere Wege gäbe diese zu erreichen zeigen aber ja Landwirte die durchaus nachhaltig agieren, aber eben nicht 1 zu 1 Bio-Landwirtschaft betreiben.
Und warum? Weil diese erwiesenermaßen helfen oder weil man Leuten einen Rahmen für Hokuspokus geben will?
Um auch wieder den Bogen zur Union zu spannen. Ich bin auch mit der Agrarpolitik der Union nicht zufrieden. Auch hier wird, wenn auch von der anderen Seite, Wissenschaft ignoriert wenn es darum geht eine bestimmte Form der Landwirtschaft zu erhalten.
Die Grünen müssen sich an ihren Taten messen lassen und da arbeiten sie aktiv (wenn auch versteckt) daran, dass Homöopathie als Kassenleistung erhalten bleibt. Da hilft es auch nicht, wenn sich der eine oder andere davon distanziert.
Es gibt grundsätzliche und gut begründete Standpunkte gegen das aktuelle Patentrecht, speziell im medizinischen und landwirtschaftlichen Bereich. Das reicht von technischen Aspekten wie der Länge der Patentbindung, bis hin zu grundsätzlichen Erwägungen, wie der Frage, ob man Organismen oder in der Natur vorkommende Moleküle überhaupt patentieren können sollte. Das ist natürlich eine „ideologische“ Frage in dem Sinne, dass man Aufgrund seiner „Weltanschauung“ zu einer bestimmten Position in der Debatte neigen kann. Mit der Ablehnung wissenschaftlicher Erkenntnisse hat das aber rein gar nichts zu tun. Was ist daran „wissenschaftlich“, einem Konzern mehr oder weniger Rechte über das Patentrecht zuzugestehen?
Ja, genau. Genauso, wie andere Aspekte der Landwirtschaftspolitik die gezielt die konventionelle Landwirtschaft fördern. Und wieder andere z.B. „regenerative“ Landwirtschaft. Politik hat praktisch nie nur zum Ziel, eine reine wissenschaftliche Lehre umzusetzen, sondern ist im Kern normativ, gestaltend. Gute Politik versucht diesen Anspruch an gesellschaftliche Gestaltung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang zu bringen.
Ich bin völlig bei dir, dass viele politische Projekte (darunter auch solche, die maßgeblich von den Grünen mit gestaltet werden) nicht genug auf den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung aufbauen. Aber bei der Beurteilung von Politik steht für mich immer noch das gesellschaftliche Ziel, dass erreicht werden soll im Vordergrund ob ich das für grundsätzlich und in seiner Gänze unterstützenswert finde. Ob ein paar Öko-Bauern ihren Kühen auch Globuli oder Sauerampfer füttern dürfen, ist für mich zweitrangig, sollen sie doch machen, wenn sie glauben es hilft. Die grundlegende Intention der Öko-Landwirtschaft finde ich sinnvoll und unterstützenswert, auch wenn ich im Detail bei der Umsetzung auch jede Menge Kritik habe.
Am Ende sind wir glaube ich nicht soweit auseinander.
Vermutlich will man Wahlfreiheit erhalten, die niemandem schadet. Mal ehrlich, was ist denn an der reinen Erlaubnis auch homöopathische Arzneimittel bei Nutztieren einzusetzen denn schädlich? Die Kosten trägt der Bauer, auf die Qualität des Endprodukts haben sie keine Auswirkungen, die Bestimmungen des Tierschutzes (also auch der medizinischen Versorgung bei Krankheiten) bleiben unberührt.
Nun, da ich persönlich angesprochen wurde, möchte ich mich natürlich auch gerne äussern.
Ja, es gibt einen Teil der Grünen, die einen Hang zur Esoterik haben. Das gibt es auch in allen anderen Parteien in der einen oder anderen Form. Antroposophie und ähnliches Gedankengut sind in Deutschland verhältnismässig weit verbreitet und bis weit in die Bevölkerung hinein populär, ich würde davor warnen, das nur auf die Grünen zu reduzieren. Zudem stellen sich die Grünen ja nicht hin und wollen, dass jetzt sämtliche Alternativmedizin von der Krankenkasse gedeckt wird. Viele weitere meiner Argumente hat @ped bereits gebracht.
Ich bin ebenfalls kein Grünen-Wähler, aber es ist schon ein signifikanter Unterschied in den Lebensrealitäten, wenn man die Grünen hier für einen Teil der Esoteriker in ihren Kreisen abwatscht, während die Union sogar nach einer Religion benannt ist. Religionsfreiheit heisst eben auch, dass gewisse moralische Positionen anders und maches Mal gegen die eigenen Wertvorstellung sind. Die Bundestagsfraktion indes würde ich absolut nicht für eine Hokuspokus-Eso Partei halten, während die Union in anscheinender „christlicher“ Manier Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, Wissenschaftsleugnung und Fehlinformationen verbreitet. Würde mich mal dafür interessieren, ob jemand dieser Christdemokraten mal die Bibel gelesen hat. Naja, anderes Thema.
Was ich eigentlich sagen will ist, dass es einen Unterschied zwischen ökologischer Landwirtschaft (wir haben ja bereits Probleme mit antibiotikaresistenten Keimen, weil wir WISSEN, dass wir zu viel derartige Medikamente nutzen) und dem bewussten Ignorieren der Klimakrise (nebst vielen weiteren relevanten Themen) gibt. Das hat ja wenigstens noch ein paar Vorteile (bspw. bessere Haltungsbedingungen und geringerer / alternativer Dünge-/Pestizideinsatz), während nach meiner Wahrnehmung beinahe alle Positonen der CxU die Dinge für die Allgemeinheit schlechter machen und halt global relevante Katastrophen ein Bisschen kleinreden. Damit können wir bei den Sozialleistungen anfangen, über Bildung, Infrastruktur, Klimaschädliche Subventionen, Steuersysteme, Rentenkassen, Kohlekraft etc. gehen. Ich für meinen Teil halte die Union für massgeblich an der heutigen Misere mitverantwortlich, wenn nicht „hauptschuldig“ und erlebe leider keine wirkliche Besserung.
Zudem heisst dieser Thread ja aus einem Grund „Allgemeine CDU Kritik“ - eine allgemeine Grünen-Kritik habe ich auch zu üben, aber dann vielleicht nicht im gleichen Thread.
Das ist aber kein hinreichender Grund in einer EU-Verordnung hier in Phototherapie und konventioneller Medizin zu unterscheiden statt Regel für unterschiedliche Wirkstoffklassen aufzustellen.
Im Falle von landwirtschaftlichen Themen wäre aber ja auch ein anderer Weg dieses Ziel zu erreichen. Und somit ist Bio eben nicht ein notwendiger Weg in die Zukunft sondern lediglich eine sehr spezifische Form einer nachhaltigeren Landwirtschaft.
Das aktuelle System mit den beiden Polen konventionelle und biologische Landwirtschaft sorgt aber dafür, dass alles dazwischen oder auch einfach andere Wege nachhaltig zu sein nur in Nischen Anwendung findet.
Dass man bei der Union, insbesondere der CSU z.B. schnell demonstrativ hinter den Bauern steht, wenn die gegen Gesetze die eine notwendige Modernisierung vorschreiben demonstrieren, zeigt, dass bei diesem Thema Wissenschaft in quasi allen Parteien eher eine Last als eine guideline ist.
Wobei man auch weniger Antibiotika einsetzen kann ohne Alternativ Homöopathie ins Spiel zu bringen.
Ich für meinen Teil stimme dir in 90% dessen was du geschrieben hast zu, finde aber dass die Aussage, dass die Union Wissenschaft mehr leugnen würde als andere Parteien dennoch falsch.
Jede Partei sucht sich aus dem Feld der Wissenschaft vorwiegend jene Erkenntnisse die ins eigene Programm passen. Und selbst da weichen die Schlüsse die meist gezogen werden dann schon wieder schnell von den Empfehlungen der Wissenschaft ab und rücken näher ans Parteiprogramm.
Nehmen wir das Beispiel Energie. Viele (nicht alle) Wissenschaftler haben einen Kohleausstieg vor dem Atomausstieg aus Gründen der CO2 Einsparung als Option befürwortet. Dennoch hat die Union, solange sie das Label als Partei die den Atomausstieg realisiert hat gerne wollte, diese Positionen ignoriert. Diese Wissenschaftlichen Empfehlungen wurden erst aufgeführt, als man als Opposition sich gegen den tatsächlichen letzten Schritt positionieren wollte.
Ich würde zumindest sagen, dass in den wirklich wichtigen gesellschaftlichen Fragen der wissenschaftliche Konsens in größeren Teilen der Politik der CSU/CDU widerspricht als z.B. den Grünen. Das fängt beim Klimawandel an, geht über Migrationspolitik und Erneuerbare Energien weiter bis hin zur Verkehrspolitik (Tempolimit), Städteplanung und Drogenpolitik. Sind die Grünen da in allem perfekt? Nein, sicher nicht. Aber wenn ich die da eher bei 70 von 100 möglichen Punkten sehe, würde ich die Union bei ca. 40-50 einordnen. Die AFD bei vielleicht 0,5
Auch unabhängig von Fragen, zu denen es einen klaren wissenschaftlichen Konsens gibt sehe ich die CDU/CSU oft deutlich stärker ihrem politischen Weltbild (also wie eine Gesellschaft ihrer Meinung nach aussehen sollte) verhaftet und unfähiger, dieses Weltbild an Veränderungen anzupassen, als es die Grünen sind. Ironischerweise, denn in der öffentlichen Wahrnehmung ist das ja komplett umgekehrt.
Es passt zur Stimmung in Deutschland, wenn ein Thread der „allgemeine CDU Kritik“ heißt, damit endet, dass über die Grünen diskutiert wird.
Das sollte jeder mal mitnehmen, wenn er die nächste politische Diskussion außerhalb des Forums verfolgt.
Exakt. Das für mich entscheidende Kriterium ist die Relevanz. Überspitzt formuliert: Von mir aus kann Homöopathie noch hundert Jahre Kassenleistung bleiben (der Einsparungsbeitrag ist geradezu lächerlich, verglichen mit den echten Kostentreibern im Gesundheitswesen,und niemand zwingt uns, uns homöopathisch behandeln zu lassen) und ein/eine zukünftige BundeskanzlerIn persönlich jeden Herbst ein Kuhhorn in seinem Vorgarten vergraben, solange seine/ihre Regierung die wirklich wichtigen Probleme endlich angeht: Klimakrise, ungerechte Vermögensverteilung, Bildungsmisere, zerbröselnde Infrastruktur etc.pp.
Wobei viele der oben angesprochenen Punkte ja eben durchaus schon Punkte sind sind wo es gar nicht um einen Wissenschaftler Konsens geht sondern um Abwägungen.
Wenn man also beim Tempolimit sagt individuelle Freiheit stehe über einer weiteren Erhöhung der Verkehrssicherheit sowie einer Reduzierung des CO2 Ausstoßes, dann gibt es dazu keinen wissenschaftlichen Konsens, weil Wissenschaft solche Dinge nicht mehr objektiv bewerten kann.
Gleiches gilt für Städteplanung, Migrationspolitik, etc.
Ich finde bei allen Punkten die du hier angesprochen hast ist die Position der Union nicht zeitgemäß. Deshalb würde ich die aktuelle Union auch nicht wählen. Ich würde aber nicht sagen, dass man sich in der Städteplanung gegen die Wissenschaft ausrichte.
Wenn jemand den Anspruch hat vor jedem Laden parken zu können, dann ist das zwar Quatsch, weil vor dem Laden den man konkret besuchen will sind die Parkplätze ja meist belegt und man läuft im Schnitt fast genauso weit als nutzte man das Parkhaus, aber das ist keine Position die ich in die Kategorie „gegen die Wissenschaft“ stecken würde.
Edit: und ich wähle ja aktuell meist grün. Es ist also nicht so, dass ich hier Positionen der Union als richtig verteidigen will.
Das kommt immer darauf an, was man für „wichtig“ hält, also aus welcher Perspektive man diese politischen Entscheidungen betrachtet. Wie @DeFu sagt: man darf die Relevanz des Themas bei der Bewertung nicht außen vor lassen.
Beim Tempolimit zum Beispiel: wenn man (wie der wissenschaftliche Konsens) den Klimawandel als existenzielle Bedrohung für die menschliche Zivilisation betrachtet, dann kommt die individuelle Freiheit, schneller als 130 km/h zu fahren eben gar nicht erst ins Spiel. Eine Abwägung wie zwischen Verkehrstoten und Spaß am Gas gibt es dann nicht wirklich.
Auch bei der Städteplanung: ich als Landbewohner habe nicht wirklich ein persönliches Eisen im Feuer, wenn es um die Frage des Individualverkehrs und Parken in der Großstadt geht. Sicher, ich habe da Präferenzen (die deinen vermutlich sehr ähneln), aber das ist eben Meinung und da kann jemand anders auch eine andere haben. Am Ende des Tages ist es mir relativ Wurscht, was irgendein Stadtrat gleich welcher Koalition entscheidet.
Aber wenn mich das Thema wirklich persönlich betreffen würde (z.B. als ich noch in einer Großstadt gelebt habe), dann gäbe es natürlich einen relevanten wissenschaftlichen Konsens: Für die allermeisten Bewohner einer Stadt ist es in praktisch jeder messbarer Dimension deutlich besser, wenn es möglichst wenig Autoverkehr in der Stadt gibt und stattdessen die ÖPNV- und Fahrradinfrastruktur ausgebaut werden. Wenn sich die Orts-CDU hinstellt und sagt, dass sie das anders sieht, dann kann sie das gerne tun. Aber es wäre einfach objektiv falsch.
Es muss immer eine Abwägung geben. Denn auch zwischen Tempo 100, 110, 120 und 130 gibt es hier unterschiedliche Effekte auf Sicherheit wie auch auf CO2 Ausstoß.
Und würden wir das so einfach sehen, dass alles was co2 spart automatisch ein No-Brainer ist, dann müssten wir auch ein Limit bei der Bahn ins Spiel bringen. So einfach ist es dann aber ja doch nicht.
Das ist aber auch schon wieder unterschiedlich je nachdem wo in der Stadt man wohnt und dann gibt es ja auch noch die Interessen der Pendler/Besucher von außerhalb.
Das zeigt sich ja zuletzt auch oft bei Befragungen wo die Bewohner des Zentrums ganz andere Interessen haben als die Randbezirke oder die dazugehörigen Gemeinden außerhalb des städtischen Bereichs.
Interessant war mal ein Radiobericht über eine Befragung zu flächendeckend Tempo 30 in einer Stadt (weiß nicht mehr welche) wo es immer eine Mehrheit für Tempo 30 in der eigenen Straße/im eigenen Viertel gab aber nirgends eine Mehrheit für das komplette Stadtgebiet.
Wie eine ausgewogene Städteplanung aussieht ist also durchaus auch eine Abwägungssache und keine streng wissenschaftlich messbare Frage.
Dass die Union hier eher auf dem Holzweg ist sehe ich aber auch so.