All eyes on America: Folgen der Kandidatendebatte

Gestern diskutierten Kamala Harris und Donald Trump zum ersten und mutmaßlich einzigen Mal:

Hier in Kurzform:

Debate watchers said, 63% to 37%, that Harris turned in a better performance onstage in Philadelphia. Prior to the debate, the same voters were evenly split on which candidate would perform more strongly, with 50% saying Harris would do so and 50% that Trump would.

Die Wahl rückt näher, da sollte man schon mal übern großen Teich schauen.

Ich zitiere nur ungern die Bild-Zeitung, aber das fand ich interessant:

Wenn die Story stimmt (daran gibt es wenig Zweifel) können wir hier einiges zur Entstehung und Verbreitung von „Fake News“ sehen.

Was war geschehen:
Eine Amerikanerin postete auf Twitch, die Tochter ihrer Nachbarin habe gesehen, wie die (haiatianischen) Nachbarn eine Katze am Baum aufgehängt hätten, wie man es tun würde, wenn man Tiere schlachtet. Das wird stark geteilt, geht durch die üblichen rechten Fake News-Kanäle und endet schließlich bei Trump, der es vor 67 Millionen Zuschauern verbreitet.

Jetzt gibt die Amerikanerin zu, dass die Story so nicht stimmt. Plötzlich war es nicht die Tochter der Nachbarin, die das gesehen haben will, sondern eine (unbekannte) Bekannte der Nachbarin. Kurzum: Nachdem seriöse Medien der Sache nachgegangen und Kontakt zu den Twitter-Postenden aufgenommen hat und raus kam, dass diese Leute gar keine Nachbarn aus Haiti haben, war’s plötzlich Hörensagen von „einem Bekannten“. Oder anders gesagt: Beim Versuch, die Story zu verifizieren, kam raus, dass die Story so definitiv nicht stimmte und es plötzlich gar keinen Zeugen für die angebliche Tat mehr gab.

Jetzt könnte man meinen, dass die Rechten Fake-News-Vertreter zurückrudern. Aber nein, weder die Fake News Medien erkennen diesen Fehler an, noch Trump. Im Gegenteil, Trump kündigt an, bei einem Wahlsieg Massendeportationen gegen Menschen aus Haiti in Springfield in die Wege leiten wird. Also erst werden diese Menschen mit Lügen delegitimiert und Hass gegen die Menschen geschürt, dann wird ihnen auf Basis dessen mit Deportation gedroht. Das weckt bei mir Erinnerungen an ganz düstere Zeiten.

Was wirklich in Springfield passiert ist, kann sich denke ich jeder vorstellen: Eine Katze wird vermisst, ein Feindbild wird aufgegriffen und eine Story wird erstellt, die beides miteinander verbindet. Auch das ist eine historische Konstante des Rassismus („Dürre, die Ernte ist ruiniert, die Juden müssen Schuld sein!“).

Genau so funktionieren diese Fake News - und genau so funktionierten sie auch schon in der Vergangenheit. Aus Hörensagen wird „Alle wissen doch“, und das Ziel sind immer Minderheiten.

Die Folgen: Bombendrohungen und Angst
Haitianer nach Trumps Lügenmärchen in Angst

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Trumps running mate J.D. Vance zu der Haustier-Geschichte, die er auch stark befeuert hat: “If I have to create stories so that the American media actually pays attention to the suffering of the American people, then that’s what I’m going to do.”

https://x.com/metzgov/status/1835313103086522390

Ja, das ist die offene Ansage „natürlich lügen wir und die Leute können auch ruhig wissen, dass wir lügen“ - wenn die Lügen gut „funktionieren“, werden entsprechend interessierte Menschen sie glauben und die Lügner für besonders „ehrlich“ oder „authentisch“ halten. Und das ist der riesige Vorteil, den Trump, AfD & Co haben. Ihnen kommt es nur auf diesen Glauben an, nicht auf die Wahrheit.

Was mich gerade richtig fertig macht ist, dass der Papst die Amerikaner aufgerufen hat, das geringere Übel („lesser evil“) zu wählen. Das geringere Übel? Ich meine kein Wunder dass die Kirchenaustritte seit den 70ern regelmäßig spiken, aber wie kann man dermaßen der Welt entrückt sein?

Hätte er geschwiegen, wäre er Philosoph geblieben…

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Zu solchen Dingen idealerweise immer eine Quelle angeben. Ich mach das mal:

Interessant ist in der Tat, dass der Papst die Pro-Choice-Haltung Harris gleichsetzt mit der menschenverachtenden Migrationspolitik Trumps. Grundsätzlich wäre es in der Situation wirklich sinnvoller gewesen, zu schweigen, als beide Kandidaten aus katholischer Sicht zu delegitimisieren…

Generell halte ich es für sehr fragwürdig, wenn der Papst sich in demokratische Wahlen einmischt… Der Chef eines absolutistischen Gottesstaates sollte vielleicht keine Demokratien belehren…

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Was ich mich Frage ist, wie sehr kann die Lage noch eskalieren? Jetzt nachdem ein weiterer Anschlagsversuch auf Trump vereitelt wurde. Wie lange dauert es bis Verschwörungen laut werden, dass die Demokraten die Leute auf Trump anstacheln und eine Bürgerwehr sich auf Seiten Trumps bildet.

So weit ich weiß gibt es beides schon - sowohl die entsprechenden Verschwörungserzählungen als auch die Trump-affinen Bürgerwehren.

Schön, dass sich alle über Trumps Aussage aufregen, dass die Einwanderer Haustiere essen. Aber solche Sprüche gibt es andauernd, wenn auch nicht auf dieser Bühne. Ein (Beispiel) Spruch aus meiner Jugend: „Toll, seit deine Mutter das Chinarestaurant aufgemacht hat, haben wir hier gar keine Katzenprobleme mehr“

Im Prinzip ist ja ähnlich wie beim Spiel „Flüsterpost“.

Einer anfangs eher harmlosen Geschichte, wird mit jedem Weitersagen ein Stück mehr hinzugedichtet, in diesem Fall leider in die migrationsfeindliche, rassistische Richtung, bis die Geschichte von einem oder einer, in diesem Fall rechten, Influenzerin / Politikerin aufgenommen wird, und dann national bekannt ist.
Spätestens dann ist die Geschichte in der entsprechenden Bubble, hat aber nur noch minimal mit der ursprünglichen zu tun. Schnell wird daraus ein Code Wort, ein Insider, der nur noch von der Bubble verstanden wird.

Da man den Personen innerhalb der eigenen Bubble mehr vertraut als außerhalb der Bubble, sieht man natürlich auch keinen Grund, am Wahrheitsgehalt zu zweifeln, und falls doch, wird die Geschichte als Synonym für Missstände betrachtet, und ab da spielt der Wahrheitsgehalt eh keine Rolle mehr.

Der Vollständigkeit halber: nicht das Haustiere-essen ist der Auslöser des Hasses auf die haitianischen Einwanderer, sondern ein Verkehrsunfall vor einigen Monaten, bei dem ein Junge ums Leben kam. Ein haitianischer Fahrer eines Lieferwagens (nicht betrunken) rammte einen Schulbus, der umkippte und den Jungen aus dem Bus schleuderte.

Der Vater des Jungen hielt eine Rede in den aufkommenden Unruhen, sein Sohn sei nicht „ermordett“, sondern Opfer eines tragischen Unfalls geworden. Bewundernswert, wie dieser Vater sich gegen den Mob stellte - in ebenso bewundernswerter Sprache. Muss auch mal gesagt werden, bei all den schlechten Nachrichten.

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