Alkoholismus und seine Folgen

Lieber @vieuxrenard , Lieber @philipbanse,

auf Grund indirekter Betroffenheit wäre es toll, wenn ihr beiden euch dem Thema mal annehmen könntet, welchen Folgen er für die Betroffenen, deren Angehörigen und für die gesamte Gesellschaft hat - im LdN-Archiv habe ich zumindest nichts dazu gefunden.

Was bedeutet indirekt betroffen? Ein Verwandter erlag vor einigen Wochen seiner über 15 Jahre andauernden schweren Alkohol-Sucht.
Verursacht durch den Alkoholismus war eigentlich jedes Organ mir Krebs befallen, das Körpergewicht bei der Körpergröße von ~1,80 lag am Ende bei unter 40kg.

Sicherlich gibt es eine Vielzahl an Themen aus dem aktuellen Tagesgeschehen mit der ihr eure Sendung füllen könnt und auch wenn Alkoholismus aktuell in der Berichterstattung kaum eine Relevanz hat, er ist allgegenwärtig – für Betroffene und Gefährdete durch die Lockdown-Bedingungen umso präsenter.

Wie sieht die aktuelle Faktenlage aus?

1,61 Millionen trinken missbräuchlich
Etwa 1,61 Millionen Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren trinken missbräuchlich Alkohol. Sie nehmen körperliche, psychische und soziale Folgen in Kauf. Männer trinken durchschnittlich deutlich mehr als Frauen.

1,77 Millionen sind alkoholabhängig
Rund 1,77 Millionen Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren sind alkoholabhängig.

74.000 Todesfälle jährlich
Schätzungen für Deutschland belaufen sich auf etwa 74.000 Todesfälle, die durch riskanten Alkoholkonsum oder durch den kombinierten Konsum von Alkohol und Tabak verursacht werden.

40 Milliarden € Krankheitskosten
Die direkten und indirekten Kosten alkoholbedingter Krankheiten werden pro Jahr auf 40 Milliarden Euro geschätzt.

Das sind nur 4 Eckpunkte, die schon verdeutlichen, dass es sich nicht um ein Problem einer kleinen Randgruppe handelt.

Quelle: aktionswoche-alkohol.de

Hierbei sind bei der betroffenen Personenkreis Kinder und Jugendliche noch gar nicht berücksichtigt.

Grundsätzlich ist wohl die grobe Faktenlage den meisten auch bekannt.

Natürlich gibt es von Seiten des Staats Maßnahmen zur Suchtprävention, Alkoholismus ist eine anerkannte Krankheit (was für die Betroffenen aus rechtlicher Sicht sehr wichtig ist) und dazu gibt es unzählig weiter Hilfsangebote in Form von Selbsthilfegruppen, Beratung für Angehörige etc. pp

Und dennoch kann der Erzeuger, sprich die Alkoholproduzenten, bei all den bekannten Ursachen, Risiken und Folgen immer noch weitestgehend ihre mitunter tödlichen Produkte frei bewerben und verkaufen, einzig mit der Beschränkung durch das Jugendschutzgesetzt.
Woran liegt das?

Dazu gab es beim BR letztes Jahr schon eine bemerkenswerte Reportage, wie eng die Verbindungen vor allem in Bayern zwischen dieser Industrie und der Politik sind und wie stark die Maßnahmen gegen den Alkoholkonsum durch die Lobbyarbeit der Brauereien und Spirituosenhersteller ausgebremst werden.

Bemerkenswert deswegen, weil der BR ja nicht nur einmal wegen seiner Nähe zur CSU in der Kritik stand.

Das Problem Alkoholismus ist sicher nicht gänzlich und vor allem auf die schnelle zu lösen, dass aber nicht zumindest die gleichen Bedingungen bzgl. z.B. Werbung wie bei Tabakwaren gelten, kann ich nicht nachvollziehen. Zumal, so schädlich Tabak für Raucher ist, er vernebelt nicht den Geist wie wenn man betrunken ist.

Das soll Tabak nicht verharmlosen, mir ist nur kein Fall bekannt, wo ein Raucher mal wieder eine Schlägerei angezettelt hat oder seine Familie tyrannisiert, weil er 3 Zigaretten zu viel geraucht hat.

Dazu wenn man sich die Summe von 40 Milliarden jährlich für die Folgen von Alkoholismus ins Bewusstsein ruft, bleibt eigentlich nur Unverständnis.

Meine Intention ist keineswegs, dass alle in völliger Askese leben sollen, ich war selbst über 20 Jahre lang starker Raucher und auch wenn wir mit so 1-2 Gläser Wein pro Woche fast schon zu den Abstinenzlern gehören, ist Alkohol ein Genussmittel – ein Verbot würde aus meiner Sicht kein einziges Problem lösen, das er verursacht.

Bei der Preisschraube bin ich zwiegespalten, evtl. könnte man damit für die Zukunft den Einstieg erschweren, für die aktuell betroffenen vor allem in prekären Lebensumfelder würde das die Situation noch verschärfen.

Dem Alkoholiker aus der Mittel- bzw. Oberschicht würde ein höherer Preis maximal ärgern, aber nicht davon abhalten.

Eine Berücksichtigung in der LdN wäre toll, ansonsten freu ich mich natürlich auch über Meinungen und Anregungen zu dem Thema von den geschätzten Foristen hier im Lage-Talk.

Beste Grüße
Alex

3 „Gefällt mir“

Ich würde gerne, auch wenn es natürlich ein großes Thema ist, zum Werbeverbot einhaken:

Man kann sich schon fragen als Gesellschaft, was wollen wir bewerben? Glückspiel (bei denen man rechnerisch Geld verliert)? Gehören Drogen dazu? Ungesunde Produkte, wie stark gezuckerte Softdrinks? Werbung funktioniert, aber nicht weil sie Kunden über Produkte informiert, sondern weil sie Produktversprechen immer wieder ins Gehirn bringt. Pro Tag mehrere hundert bis tausend Werbeflächen. Ich persönlich bin von Werbung idR genervt, auch wenn ich sagen muss das es stilistisch gut gemachte Werbung gibt.

Doch zurück zu Drogen und Werbung. Ich finde man kann Werbung für Drogen (sowohl Alkohol, als auch Tabak) in Rundfunk, Film und Fernsehen und im Außenbereich verbieten. Natürlich muss es erlaubt bleiben das Geschäfte kleinteilig vor dem Geschäft auf ihr Angebot hinweisen können. Da macht die Neuregelung zur Tabakwerbung einen Anfang, geht aber noch nicht weit genug. Ein Werbeverbot für Plakatwerbung von elektronischen Zigaretten soll beispielsweise erst ab Anfang 2024 gelten.

Werbung gibt Verprechungen ab, bei den Konsum von Drogen gehts aber um Information und bewussten Konsum. Man kann durchaus viel an Drogen erlauben, aber man sollte es nicht bewerben.

2 „Gefällt mir“

Danke für deine Ergänzung dazu.

Das ist ein Punkt, der mich schon lang beschäftigt, ob das die Bierwerbungen vor Sportveranstaltungen sind (eine bekannte Zuckerbrause ist da nicht viel besser) oder bekannte (Ex-)Sportler, die für die Wettanbieter zukünftigen „Gewinner“ anwerben.
Verbote und Kriminalisierung helfen aber wohl nicht wirklich weiter (bei junge Menschen weckt das ja eher noch das Interesse), es reduziert sich eher auf die Stellung in der Gesellschaft und die moralische Verantwortung.
Ein Ex-Torhüter mit dickem Bankkonto, der suggeriert, es gäbe bei dem Wettanbieter seiner Wahl außer dem Wettanbieter langfristig noch jemand anders der beim Wetten gewinnt, zerstört damit für mich mit Mitte 40, seine komplette sportliche Reputation und Anerkennung - für jüngere Menschen mag das aber attraktiv und glaubwürdig wirken.
Werbung funktioniert ja nicht über Produktmerkmale, sondern über die Emotion, über ein Lebensgefühl das einem das Produkt verschaffen kann.
Solang Bierwerbung entspannte glückliche und gesellige Menschen präsentiert, wird diese Botschaft angenommen werden

Genervt wenn dann nur eben von sowas wie den Bierwerbungen, Wetten Glückspiel etc wo beim Kunden das Risiko zur Sucht und zu körperlichen Schäden gegeben ist. Das trifft natürlich auf viele Produkte zu, aber bei den Aufgezählten ist die Einstiegshürde im Vergleich eher niedrig.
Unter der Berücksichtigung, das Werbung kein neutraler und objektiver Sachbeitrag ist, kann Werbung dennoch unterhaltsam und kreativ sein und ist ein völlig legitimes Mittel seine Produkte anzupreisen.
Aber selbst wenn ich grob mit den Mechanismen, auf die Werbung aufbaut, vertraut bin, ist man dieser permanenten ausgesetzt, egal ob offline oder online - und auch nie ganz immun dagegen, Werbung zielt ja vorrangig aufs Unterbewusstsein, wo sich die Werbebotschaften durch immer wiederkehrende Wiederholung festsetzten sollen.

Um aufs eigentliche Thema zurück zu kommen.
Werbeverbot für Alkohol würde ich begrüßen, vorrangig um den Einfluss auf Kinder und Jugendliche massiv zu begrenzen.
Produkthaftung für die Folgeschäden wäre zumindest ein Punkt, den ich überlegenswert finde.
Die Folgen von Alkohol sind bekannt, die Verursacher ebenso - eigentlich der logische Schluss diese auch dazu in die Verantwortung nehmen und wenn es nur finanziell ist.
Die Hersteller verdienen damit gut, der Staat ebenso mit den Steuern, aber die gesamte Gesellschaft trägt die Kosten.

1 „Gefällt mir“

Ich habe eine Antwort in Form eine rhetorischen Frage: Möchte eine Gesellschaft für sie schädliche Sachen beworben sehen?

2 „Gefällt mir“

Das scheint erstmal offensichtlich, dass eine Gesellschaft das nicht möchte und tolerieren würde.
Das Leid, um beim Thema zu bleiben, den der Alkoholkonsum verursacht scheint aber noch nicht groß genug zu sein.
Aktuell sticht die Lobbyarbeit der Hersteller den Schutz der Bürger aus.

Wenn wenigstens die EU, die ja sonst ganz gut im regulieren ist, hier Druck durch eine für die EU geltende Regulierung ausüben würde wären wir schon einen Schritt weiter.
Aber hier ist auch nichts in Sicht.
https://www.euro.who.int/de/health-topics/disease-prevention/alcohol-use/news/news/2020/07/lack-of-regulation-leaves-door-open-to-harmful-digital-marketing-of-alcohol