Abtreibung gehört nicht zum Strafrecht

In der letzten Folge der Lage wurde zum Thema Abtreibung gesagt, dass in Deutschland das Problem der Paragraph 219a sei und dass „das ersatzlose Streichen von 218 ja keiner haben wollen“. Aber die Paragraphen 219a und 218 sind eng verbunden: wenn eine Tat eine Straftat ist, folgt es logischerweise, dass dazu keine Werbung in irgendwelcher Form auch immer erlaubt sein darf. Der Punkt ist nicht, dass die Abschaffung von 218 ersatzlos bleiben muss. Der Punkt ist: Abtreibung gehört nicht zum Strafrecht. Abtreibung ist ein Thema der Gesundheit und Rechte der Frauen und wir brauchen ein Gesetz, das die Voraussetzungen und die Grenzen dieses Rechtes klar formuliert und die gesundheitliche Leistung definiert.
Solange wir die Abtreibung als Straftat betrachten – auch wenn unter bestimmten Bedingungen nicht strafbar – können wir z.B. nicht fördern, dass die Ärzte Abtreibung durchführen. Der Staat kann nicht auf einer Seite den Bürgern sagen: „Das ist eine Straftat“ und auf der anderer von den Ärzten fordern: „Ihr müsst irgendwie die Frauen helfen, die abtreiben wollen“. Das würde heißen: „Bitte, liebe Ärzte, macht euch mitschuldig an einer Straftat. Ich werde euch aber nicht strafen“. Das ist eine schizophrene Haltung.
Nur wenn die Abtreibung als Recht der Frauen (das wie alle Rechte natürlich auch Grenze hat) und als gesundheitliche Leistung anerkannt wird, können wir auch fördern, dass diese Leistung unter bestimmten Bedingungen gewährleistet werden muss.
In Italien ist die Abtreibung von dem Gesetz 194/1978 „Regeln für den sozialen Schutz der Mutterschaft und zu dem freiwilligen Schwangerschaftsabbruch“ geregelt. Das Gesetz hat verschiedene Elemente, die verbessert werden können, aber ich glaube, es zeigt den guten Weg.

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Aber die Paragraphen 219a und 218 sind eng verbunden: wenn eine Tat eine Straftat ist, folgt es logischerweise, dass dazu keine Werbung in irgendwelcher Form auch immer erlaubt sein darf.

Das trifft so nicht zu: Abtreibungen sind eben keine Straftaten, wenn die Regeln eingehalten werden. Den § 219a bräuchte es ja gar nicht, wenn das Werbeverbot schon aus der Strafbarkeit folgen würde. Außerdem betrifft § 219a StGB eben gerade nicht nur Werbung, sondern auch die rein sachliche Information. Werbung im engeren Sinne ist bereits durch ärztliches Standesrecht verboten, auch dafür bräuchte es keinen § 219a StGB. Deswegen kämpft zB die GFF seit Jahren für dessen Abschaffung.

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Im Strafgesetzbuch geht es um Straftaten und Abtreibung findet ihrer Platz unter den Straftaten gegen das Leben. Innerhalb dieses Rahmens kommen dann die Bedingungen, unter denen die Abtreibungen nicht strafbar sind. Aber im Prinzip bleibt die Abtreibung eine Straftat und das hat viele politische, ethische, juristische und auch psychologische Folgen. Der Punkt meiner Kommentar bleibt: Nur wenn wir die Abtreibung innerhalb des Rahmens der Gesundheit und der Rechten der Frauen betrachten, schaffen wir sowohl die Grenze dieses Rechtes festzustellen als auch die Leistung für die Frauen zu gewährleisten.

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Wie würdest Du dann die Strafbarkeit von Spätabtreibungen sichern bzw. wie ist das in Italien geregelt?

Warum schreibt man nicht: Abtreibungen nach dem 3. Monat sind Straftaten. Wieso muss man schreiben, dass Abtreibungen vor dem 3. Monat ebenfalls Straftaten sind, aber straffrei bleiben?

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Wir müssen aber bedenken, dass hier auch noch andere Rechtsgüter betroffen sind und zwar die Rechte des Fötus. Diese müssen auch strafrechtlich relevant bleiben, ansonsten könnte einer Schwangeren im achten Monat in dem Bauch geboxt werden, ohne das bei der strafrechtlichen Wertung dieses Falls der Tod des Fötus ein Gewicht hätte. Das kann es ja auch nicht sein.

Ich bin der Meinung, dass das momentane Framing, was dadurch entsteht, dass der Gesetzgeber sagt, dass Abtreibung erst mal strafbar ist, ein falsches Signal setzt und wäre daher auch dafür, den Wortlaut so anzupassen, dass von einer legalen Handlung ausgegangen wird, die erst mit Ablauf der 12-Wochen-Frist eine illegale wird. Damit hätten wir eine vertretbaren Rechtsgüterausgleich, aber würden auf eine negative Stigmatisierung der betroffenen Frauen verzichten.

Natürlich kann das Abtreibungsrecht (wie alle rechte) nicht grenzlos sein. Das italienische Gesetz definiert diese Grenze sehr klar wie auch di Strafe für die, die diese Grenzen überschreiten.

Im selben Gesetz (194/1978) gibt es zwei Paragraphen mit den Strafen für die Abtreibungen, die nicht nach den Bedingungen des Gesetzes durchgeführt werden. Die Strafe für die Ärzte ist die Inhaftierung von 1 bis zu 6 Jahren, für die Frauen bis 6 Monaten und/oder Geldstrafen.

Ehrlich gesagt finde ich diese Sorgen über das „Ausnutzen“ einer freieren Gesetzesgebung unberechtigt. Schaut euch das Beispiel Kanada an. Da ist der Schwangerschaftsabbruch seit 1998 komplett legal und es gibt keine zeitlichen Beschränkungen. Und wie sieht die Statistik aus? Wie in den meisten anderen Ländern finden 90% der Abbrüche vor der 12. Woche statt. Theoretisch bräuchten wir keine zeitlichen Begrenzungen. Entscheidend für das Fortschreiten der ungewollten Schwangerschaft und die Abbruchswoche ist viel mehr der freie und flächendeckende Zugang. Wenn Schwangere schnell an Information, Termine etc kommen, wenn sie keine Angst vor Stigmatisierung und Tabuisierung haben müssne, wenn sie es sich leisten können, dann werde Abbrüche auch in frühen Wochen durchgeführt. Spätabbrüche finden aus medizinischen Gründen und wegen Zugangshürden statt.
Wir sollten also finde ich aufhören, ungewollt Schwangeren etwas unterstellen zu wollen oder entmündigen zu wollen, und stattdessen die Energie in die Forderungen für eine bessere Gesundheitsversorgung stecken. Die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch fällt nie leichtfertig. Und niemand wird die Entscheidung freiwillig bis in den 9. Monat hinauszögern, denn eine Schwangerschaft ist auch nichts leichtes - die massiven Symptome und Einschränkungen etc. Eigentlich sind alle Menschen (ungewollt Schwangere inkl) daran interessiert, einen Abbruch so früh wie möglich durchzuführen. Dafür bräuchten wir also eigentlich keine rechtlichen Einschränkungen.

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